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Veröffentlicht am 03.12.2017

Hausarrest für einen Gentleman

Ein Gentleman in Moskau
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Armor Towles Roman "Ein Gentleman in Moskau" spielt in der Zeit von 1922 bis 1954. Graf Alexander Iljitsch Rostov, Träger des Ordens des Heiligen Andreas, Mitglied des Jockey-Clubs, Meister der Jagd, geb. ...

Armor Towles Roman "Ein Gentleman in Moskau" spielt in der Zeit von 1922 bis 1954. Graf Alexander Iljitsch Rostov, Träger des Ordens des Heiligen Andreas, Mitglied des Jockey-Clubs, Meister der Jagd, geb. am 24. Oktober 1889 in St. Petersburg wird am 21. Juni 1922 für ein 1913 unter seinem Namen veröffentlichtes revolutionäres Gedicht zum Tode verurteilt; die Strafe in Hausarrest in dem luxuriösen Hotel Metropol umgewandelt. Sollte er das Hotel jemals verlassen, wird er erschossen. Nach der Urteilsverkündung kehrt der Graf jedoch nicht in seine herrschaftliche Suite zurück. Ihm wird eine Kammer mit einem Fenster, das nicht größer als eine Briefmarke war, auf dem Dachboden zugeteilt, ein Großteil seines Hab und Gutes geht in Volkseigentum über. Während der nächsten 30 Jahre passt sich der Graf seinem Mikrokosmos an, und vor der Hoteltür nimmt die Geschichte Russlands und der ganzen Welt ihren Lauf.

Amor Towles hat einen wundervollen Roman geschrieben, der dem Leser viele Informationen über die Geschichte Russlands und das Leben des Aristokraten Rostov in seiner Jugend in der Provinz Nischni Nowgorod nahebringt. Der Graf ist ein Ästhet, ein Feingeist, ein sehr gebildeter und kultivierter, höflicher und sympathischer Mann, mit einer großen Leidenschaft für Musik und Literatur. Er hat nicht die Arroganz des Aristokraten, der sich auf seinen Status und seinen Reichtum verlässt. Die hat er ohnehin weitgehend verloren. Stattdessen entwickelt er viel menschliches Mitgefühl und ist zu tiefen Bindungen fähig. Er freundet sich nicht nur mit hochrangigen Persönlichkeiten und der wunderschönen Schauspielerin Anna, sondern auch mit dem Portier Wassili, der Schneiderin Marina, dem Barkeeper Andrei und Emile, dem Maître d’Hôtel an. Auch wenn der Graf sich seiner Gefangenschaft ungebeugt stellt und versucht sich anzupassen, ist er einmal so hoffnungslos, dass er bereit ist, sich das Leben zu nehmen. Er entscheidet sich jedoch dafür weiterzuleben. Er wird der neunjährigen Nina ein wunderbarer Freund und Spielkamerad. Sie zeigt ihm die geheimsten Orte des Metropols, und kehrt Jahre später als junge Frau zurück. Sie ist verzweifelt und bittet den Grafen, sich ihrer Tochter Sofia anzunehmen, der er ein liebevoller und aufopferungsvoller Ziehvater ist. Tief verbunden ist er mit seinem Freund Mischka aus Jugendzeiten, der ihn viele Jahre später als den glücklichsten Menschen Russlands bezeichnen wird, denn trotz seiner eingeschränkten Lebensumstände ist er immer noch fähig, Freude und Glück zu empfinden. Er ist auch nicht völlig von der Realität abgeschnitten. Informationen über das Weltgeschehen und die Lage in Russland erhält er von den Bediensteten und Hotelgästen. Ihm bleibt nur der Blick aus dem Fenster, von dem aus er das Bolschoi-Theater und die Mauern des Kreml sieht. Der Graf ist nicht Ich-Erzähler einer eigenen Geschichte. Der Autor lässt sie von einem allwissenden Erzähler in der dritten Person erzählen.

Ich habe den Roman sehr gerne gelesen und empfehle ihn uneingeschränkt weiter.

Veröffentlicht am 28.10.2017

Gabriel Allon auf seiner letzten Mission?

Die Attentäterin
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Daniel Silva begann seine Reihe um Gabriel Allon, den israelischen Geheimagenten und begnadetsten Restaurator der Welt mit "Der Auftraggeber" im Jahr 2001, und hat ihn über die vielen Jahre zu einer Legende ...

Daniel Silva begann seine Reihe um Gabriel Allon, den israelischen Geheimagenten und begnadetsten Restaurator der Welt mit "Der Auftraggeber" im Jahr 2001, und hat ihn über die vielen Jahre zu einer Legende in Israel werden lassen. Allon hat mehr als andere erlebt, nun soll er der neue Direktor des Geheimdienstes werden. Doch zu Beginn des 16. Bandes "Die Attentäterin" explodiert in der Rue des Rosiers, der prominentesten Straße im jüdischen Viertel von Paris, eine Bombe. Wie die französischen Behörden feststellen, war die Sprengladung in einem Transporter versteckt gewesen. Unter den unzähligen Todesopfern ist auch Hannah Weinberg. Sie leitete das nach ihrem Großvater benannte Isaac-Weinberg-Zentrum, und war eine alte Freundin von Gabriel Allon. Zu dem Anschlag bekennt sich wenig später der IS. Die französischen Sicherheitsbehörden fahnden mit Hochdruck nach den Attentätern und bitten Allon um Hilfe. Nur er kann den Drahtzieher, der sich Saladin nennt, finden und eliminieren. Der Geheimdienst rekrutiert die in Frankreich geborene Israelin und jetzt in Jerusalem arbeitende 26jährige Ärztin Dr. Natalie Mizrahi. Sie soll sich als Spionin dem Islamischen Staat, getarnt als junge palästinensische Ärztin namens Leila Hadawi anschließen, die einen Schlag gegen den Westen führen will. Nur so kann sie in Saladins Nähe kommen und herausfinden, wer er wirklich ist und was seine nächsten Anschlagsziele sind. Saladin auszuschalten, so der Plan, soll das Team um Gabriel Allon übernehmen. Ein lebensgefährliches Unternehmen, das anders als geplant verläuft.
Daniel Silva hat einen brandaktuellen, packenden Spionagethriller geschrieben, der so spannend ist, dass sich seine Seiten von allein umblättern, wie eine Kritikerin meint. Wie gewohnt gibt es eine Vielzahl von Personen, Handlungssträngen und Schauplätzen. Der Leser begegnet alten Bekannten und auch neue Akteure werden eingeführt, die vermutlich in den nächsten Romanen eine größere Rolle spielen werden, Michail Abramow, Dina Sarid und vor allem Dr. Natalie Mizrahi.
Interessant ist, wie der Autor die Verwandlung der jüdischen Ärztin Dr. Mizrahi in Dr. Leila Hadawi, die fanatische Anhängerin des IS, beschreibt. Der Leser spürt förmlich ihre Angst aufzufliegen und enttarnt zu werden. Und er entwickelt große Sympathie für einen Menschen, der sein eigenes Leben aufs Spiel setzt, um möglicherweise Tausende zu retten.
Silva hat als ehemaliger Journalist, der lange im Nahen Osten gearbeitet hat, profunde Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten und Entwicklungen. Er hat kein Interesse an Fantasy, sondern ist fest in der Realität verwurzelt, so fest, dass sein Roman geradezu prophetisch wirkt, nimmt er doch die Ereignisse der Jahre 2015 und 2016 in Paris und Brüssel mit großer Präzision vorweg. Ich liebe Spionagethriller, und dieser düstere und leider so aktuelle hat mir besonders gut gefallen.

Veröffentlicht am 30.09.2017

Harry Hole jagt seine Nemesis

Durst
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Mit "Durst" liegt nun der lang erwartete 11. Band der Harry Hole-Serie von Jo Nesbø vor. In der Schlusssequenz des 10. Bandes "Koma" nimmt Ståle Aunes Tochter Aurora nicht an Harry Holes Hochzeit teil. ...

Mit "Durst" liegt nun der lang erwartete 11. Band der Harry Hole-Serie von Jo Nesbø vor. In der Schlusssequenz des 10. Bandes "Koma" nimmt Ståle Aunes Tochter Aurora nicht an Harry Holes Hochzeit teil. Sie ist bei einem zweitägigen Sportturnier in der Nadderud-Halle. Auf der Mädchentoilette sieht sie einen Schatten. "Und ein paar lange, schmale Schuhspitzen. Wie von Cowboystiefeln." (S. 615) In "Durst" ist der Mann mit den Cowboystiefeln zurück. Er sitzt in der Jealousy Bar, die Mehmet Kalak gehört. An diesem Abend treffen sich Geir und Elise in der Bar. Sie haben sich über die Dating-App Tinder kennengelernt. Das Treffen dauert nicht lange, Elise ist nicht interessiert. Als sie nach Hause kommt, liegt auf ihrem Bett ein Mann mit Cowboystiefeln. Elise Hermansen arbeitet als Anwältin für Vergewaltigungsopfer und kennt ihn von früher. Der Eindringling behauptet, es sei purer Zufall, dass er sie gefunden hat, was nimmt stimmt. Er beobachtet sie mit Geir schon in der Bar und verschafft sich vor ihrer Rückkehr Zutritt zu ihrer Wohnung. Auch er ist auf der Dating-App Tinder unterwegs. Er sucht jedoch keine Frau fürs Leben, er sucht sich über die App seine Opfer aus, die er auf grausamste Weise ermordet. Das Dezernat für Gewaltverbrechen unter der Leitung der Chefermittlerin Katrine Bratt nimmt die Ermittlungen auf. Hinter Harry Hole liegen drei glückliche Jahre mit seiner Ehefrau Rakel und seinem Stiefsohn Oleg, der die Polizeihochschule besucht, an der Harry Hole unterrichtet. Hole ist seit drei Jahren nicht mehr als Spezialfahnder aktiv. Der unsympathische Polizeipräsident Mikael Bellmann braucht schnelle Erfolge bei der Aufklärung des Verbrechens an Elise Hermanson. Deshalb beauftragt er Hole, sich mit einem eigenen kleinen Team an den Ermittlungen zu beteiligen. Harry stimmt zu, auch weil er den gesuchten Mörder und Vergewaltiger Valentin Gjertsen in "Koma" nicht fangen konnte. Neu im Team ist Hallstein Smith, Psychologe und Vampirismus-Experte und Anders Wyller, Kommissar-Anwärter aus Tromsø sowie der langjährige Kriminaltechniker Bjørn Holm.
Jo Nesbøs 11. Band schließt nahtlos an die Vorgängerbände an. Es gibt wenige Autoren in der Kriminalliteratur, die ihrem Ermittler das Leben so schwer machen, ihn so viel leiden lassen. Und wieder überzeugt der Autor mit einem schlüssigen Plot. Es ist eine sehr spannende Geschichte um Verrat und Intrigen. Nichts ist einfach, alles ist komplizierter, als es scheint - bis zum überraschenden Ende, das man nicht errät. Das Personal des Romans ist übersichtlich und gut gezeichnet. Sein unkonventioneller Ermittler geht wie gewohnt seinen Weg, um einen vermeintlichen Vampir zu fangen. So lange Nesbø Harry Hole nicht für immer in die Hölle schickt, hoffe ich auf weitere Bände, und der Schluss des Romans lässt darauf hoffen, dass die Reihe fortgesetzt wird. Ein ganz hervorragendes Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann.

Veröffentlicht am 28.03.2017

Die Wahrheit unter der Oberfläche

Das letzte Bild der Sara de Vos
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Der Roman "Das letzte Bild der Sara de Vos" ("The Last Painting of Sara de Vos") von Dominic Smith spielt in der Zeit von 1631 bis 1649, in den Jahren 1957/1958 und im Jahr 2000 und hat Amsterdam, Manhattan ...

Der Roman "Das letzte Bild der Sara de Vos" ("The Last Painting of Sara de Vos") von Dominic Smith spielt in der Zeit von 1631 bis 1649, in den Jahren 1957/1958 und im Jahr 2000 und hat Amsterdam, Manhattan und Sidney als Schauplätze. 1957 wird dem schwerreichen Patentanwalt Marty de Groot das Gemälde "Am Saum eines Waldes", das die (fiktive) holländische Malerin Sara de Vos 1636 gemalt hat, gestohlen. Seit drei Jahrhunderten befand sich das Gemälde im Familienbesitz, und nur durch Zufall bemerkt Marty de Groot nach Monaten den Diebstahl. Die Kopie ist meisterlich und vom Original fast nicht zu unterscheiden – bis auf den Rahmen. Er beauftragt einen Privatdetektiv, der schnell auf die Spur der Kunststudentin Ellie Shipley stößt. "Eine Frau im Kittel steht am Herd, reibt Pigmente an und kocht Hasenleim. Für Ellie Shipley ist es 1630, (…). Sie ... treibt obskure Zutaten auf, die das Handwerkszeug des Restaurators und des Fälschers gleichermaßen sind." De Groot nimmt unter falschem Namen Kontakt zu ihr auf.
Im Jahre 2000 findet in Sidney eine Ausstellung von Gemälden holländischer Maler statt. Marty de Groot macht sich auf den Weg nach Australien – mit seinem Gemälde im Gepäck. Zu diesem Zeitpunkt ist de Groot über 80 Jahre alt. Das ist insofern von Bedeutung, als angeblich ein Fluch auf dem Bild liegt. Solange es im Besitz der Familie war, wurde kein de Groot älter als 60. Alle litten unter diversen Krankheiten und waren zeitweise ungewollt kinderlos. In Sidney treffen Original und Fälschung, Marty und die Fälscherin aufeinander, und Eleanor Shipley, die Kuratorin der Ausstellung, muss sich endlich ihrer Vergangenheit stellen.
Smith hat einen kunstvoll auf drei Zeitebenen komponierten, kenntnis- und detailreichen Roman geschrieben, der tiefe Einblicke in die jeweilige Zeit gewährt. Seine Darstellung der Lebensbedingungen holländischer Maler im 17. Jahrhundert überzeugt genauso wie die des Fälscherhandwerks, das nicht weniger Können verlangt als das Malen der Originale. Seine Protagonistin Sara de Vos hat als Frau einen besonders harten Kampf um die Aufnahme und den Verbleib in der für die Vermarktung der Gemälde wichtigen Malergilde auszufechten. All diese Details mindern keineswegs die Spannung in dieser von einem auktorialen Erzähler erzählten Geschichte. Mir hat Smiths Roman sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 19.03.2017

Folge dem Weg Deines Herzens

Das Glück der fast perfekten Tage
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"Das Glück der fast perfekten Tage“ ist der überaus erfolgreiche Debütroman der Italienerin Fioly Bocca. Seine Protagonistin Anita befindet sich in einer Lebenskrise. Ihre Mutter hat Krebs im Endstadium. ...

"Das Glück der fast perfekten Tage“ ist der überaus erfolgreiche Debütroman der Italienerin Fioly Bocca. Seine Protagonistin Anita befindet sich in einer Lebenskrise. Ihre Mutter hat Krebs im Endstadium. Um sie nicht zu belasten, schickt sie ihr täglich eine E-Mail mit einer stark geschönten Version ihres Lebens. Sie hat einen tollen Job mit immer neuen interessanten Projekten und spricht mit ihrem langjährigen Freund Tancredi angeblich über die Hochzeit und Kinder. In Wirklichkeit erledigt sie langweilige Korrekturarbeiten und ist unterbezahlt. Auch ihre Beziehung ist schon lange nicht mehr glücklich.
Dann begegnet Anita eines Tages im Zug dem attraktiven Arun. Er blickt ihr tief in die Augen und scheint direkt in ihre Seele zu schauen. Sie treffen sich und fühlen sich zueinander hingezogen. Anita kann sich jedoch eine Trennung von ihrem Freund zunächst nicht vorstellen. Es wird eine Weile dauern, bis sie erkennt, dass Arun und sie füreinander geschaffen sind.
Fioly Bocca hat eine sehr berührende, aber nicht kitschige Geschichte geschrieben, ein modernes Märchen, das eine durchaus bedenkenswerte Botschaft enthält. Wir sollen den Mut haben, Entscheidungen zu treffen und die Dinge in unserem Leben zu ändern, die uns darin hindern, glücklich zu sein. Das erfordert Spontaneität und Risikobereitschaft. Es ist oft besser, nicht endlos Vernunftgründe abzuwägen, sondern auf die Stimme des Herzens zu hören. Im Roman meldet sich immer wieder das Schicksal mit deutlichen Zeichen, denn Zufälle gibt es nicht. Wenn wir die Zeichen richtig deuten, haben wir die Chance glücklich zu werden. Eine warmherzige Geschichte, die Hoffnung und Lebensmut vermittelt.