Mehr Gesamteindruck als Handlung
Der neue Roman von Thomas Sautner war für mich interessant, weil er sich mit dem Schreiben eines Romans beschäftigt, quasi die Entstehung eines Romans innerhalb des Romans, eine Gleichzeitigkeit von Werden ...
Der neue Roman von Thomas Sautner war für mich interessant, weil er sich mit dem Schreiben eines Romans beschäftigt, quasi die Entstehung eines Romans innerhalb des Romans, eine Gleichzeitigkeit von Werden und Sein. Wenn man sich diesen philosophischen Ansatz bewusst macht, kann man ahnen, in welche Richtung das Lesen geht.
Die Aufgabe des Romanschreibens fällt Aliza Berg zu. Sie soll, beauftragt von einem geheimnisvollen G., mit frischem Blick und unvoreingenommen vom Leben erzählen, es regelrecht neu entdecken. Dazu begibt sie sich selbst mitten ins Setting ihrer Auftragsarbeit. Aliza begegnet den Einwohnern, die meinem Empfinden nach alle irgendwie besonders sind. Es beginnt mit den Hoteliers, die einem Heimatfilm entsprungen scheinen, geht über den Trafikanten und die vor Ort residierende Adelsfamilie, wird schließlich vervollständigt durch jeweils eine männliche und eine weibliche mitten im Wald lebende Einzelperson.
Die Romanentstehung beschreibt der Autor in Episoden. Darin widmet er sich unterschiedlichen Themengebieten bzw. Aspekten. Durch den veränderten Fokus betrachtet er die Akteure aus verschiedenen Perspektiven. Es ist weniger eine Handlung, die sich beim Lesen erschließt, sondern mehr ein Gesamteindruck. Ein Zitat aus dem Roman fasst perfekt zusammen, wie ich ebendiesen bezüglich seiner Handlung empfinde. „Die Figuren taten, was sie wollten, und nicht, was die schriftstellerische Dramaturgie erforderte. Die Handlungsstränge entrollten sich unkontrolliert, der Roman lief führungslos durch Zeiten und Räume.“ (S. 356)
Zudem lässt uns Thomas Sautner teilhaben an seinen philosophischen sowie quantentheoretischen Überlegungen. Was braucht es zum glücklich sein? Wie funktioniert die Liebe? Wie groß ist die Natur im ganz Kleinen? Er bewegt sich mental zwischen Urknall und Schwarzen Löchern, kurz: er greift nach den Sternen. Auch wenn der Roman zwischenzeitlich recht abstrakte Züge offenbarte, mochte ich ihn ganz gern. Am besten haben mir die extremen Steigerungen gefallen, von sehr klein bis noch viel viel kleiner oder von weit weg bis noch weiter und noch weiter, unendlich weit weg. Insgesamt glaube ich aber, dass der Roman nicht unbedingt jedermann gefällt.