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Pantoffeltier

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.02.2022

Kurzer Blick auf eine Fluchterfahrung

Der Erinnerungsfälscher
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Said Al-Wahid lebt mit Frau und Kind in Berlin. Als seine Mutter stirbt, beschließt er noch einmal nach Bagdad zu reisen. Ein schwieriges Unterfangen, da er seit Jahren in Deutschland lebt und es nicht ...

Said Al-Wahid lebt mit Frau und Kind in Berlin. Als seine Mutter stirbt, beschließt er noch einmal nach Bagdad zu reisen. Ein schwieriges Unterfangen, da er seit Jahren in Deutschland lebt und es nicht einfach war die behördlichen Hürden zu überwinden. Während der Reise erinnert er sich an Etappen seiner Flucht und Szenen aus der Vergangenheit. Oder sind es nur Geschichten, die er gehört und sich zu eigen gemacht hat?

Die Geschichte ist berührend und nachdenklich machend erzählt. Mit einfachen Worten und doch, oder gerade deswegen, eindringlich. Der Autor schöpft merkbar aus seiner eigenen Fluchterfahrung. Das macht die Geschehnisse realistisch und bedrückend.
Schade fand ich, dass das Buch so kurz ist. Man hat sich gerade dran gewöhnt, dann hört es auch schon auf. Auch die Idee, dass Erinnerungen sich verändern, wahr und gleichzeitig erfunden sein können und wie problematisch dies im Umgang mit Behörden ist, hätte mehr ausgebaut werden können.
Insgesamt ein nachdeklich machender, aber recht kurzer Blick auf die Gechichte eines Geflüchteten.

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Veröffentlicht am 10.10.2021

Wut als Ermächtigung

Wut und Böse
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"Wer wütend sein darf, hat Macht. Wer es nicht sein darf, wird kontrolliert." (S. 184)

Die Autorin betrachet in ihrem Buch, wie weibliche Wut in der westlichen, patriarchal/binär geprägten Gesellschaft ...

"Wer wütend sein darf, hat Macht. Wer es nicht sein darf, wird kontrolliert." (S. 184)

Die Autorin betrachet in ihrem Buch, wie weibliche Wut in der westlichen, patriarchal/binär geprägten Gesellschaft gesehen wird, besonders im Vergleich zu männlicher Wut und zieht Verbindungslinien zu Diskriminierung, Sexismus und Rassismus. Sie bezieht sich dabei besonders auf eigene Erfahrungen und Erfahrungen im Freundeskreis und untermauert ihre Argumentation mit Zitaten aus wissenschaftlichen Studien und Abhandlungen zu dem Thema.

Hoeder zeigt, wie bei Mädchen das Zeigen negativer Emotionen mit zunehmendem Alter immer weniger toleriert wird, während bei Männern Agression als Stärke und Kompetenz ausgelegt wird. Sie erklärt, warum dies problematisch ist, wenn es um gesellschaftliche Stellung und politische Macht geht. Völlig berechtigte Forderungen werden als irrational abgelehnt, wenn sie im "falschen Ton" vorgebracht werden.
Dadurch, dass die Autorin viele eigene Erfahrungen einbringt, ist das Buch gut lesbar und nicht zu trocken und theoretisch. Für mich persönlich, die mit dem Thema schon Berühungspunkte hatte, gab es nicht viel Neues. Ich habe mich zwar nicht gelangweilt, aber wenig gelernt. Oft hätte ich mir eine tiefgreifendere Beschäftigung mit dem Thema gewünscht. Zu den Studien und deren Interpretation hätte man sicher noch mehr sagen können. Stattdessen formuliert die Autorin eher ein Manifest, als Frau die Wut nicht mehr zu unterdrücken, damit gesellschaftliche Veränderungen angestoßen werden können. Dazu ist es sicherlich noch ein weiter Weg.
Insgesamt gutes Einstiegsbuch zum Thema, das sich angenehm liest und für jeden persönlich Fragen aufwirft. Es handelt sich eher um eine Zustandsbeschreibung, als einen wirklichen Lösungsweg, bietet aber auf jeden Fall eine Diskussionsgrundlage.

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Veröffentlicht am 22.08.2021

Familiengeschichten-Politthriller

Heimatsterben
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Sarah Höflich betrachtet die politsche Situation im Deutschland 2023 anhand des Schicksals einer Familie. Felix von Altdorff ist Kanzlerkandidat
der rechtskonservativen Partei BürgerUnion. Er bittet seine ...

Sarah Höflich betrachtet die politsche Situation im Deutschland 2023 anhand des Schicksals einer Familie. Felix von Altdorff ist Kanzlerkandidat
der rechtskonservativen Partei BürgerUnion. Er bittet seine Schwägerin Hanna Ahrens, die sich eher politisch links verortet, um Hilfe beim Wahlkampf. Hanna, die nach dem Tod ihrer Großmutter gerade nicht so recht weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen soll, stimmt zu, bekommt aber immer stärkere Gewissensbisse je klarer wird, dass der extremistische Teil von Felix Partei immer mehr Einfluss gewinnt.
Die Autorin spannt einen weiten Bogen von den Kriegserlebnissen der Großmutter bis zu der politisch sehr aufgeladenen Stimmung in naher Zukunft. Dabei liegt der Fokus auf der Familiengeschichte und den Personen und ihrem Schicksal. Die politischen Geschehnisse der Gegenwart (Kanzlerschaft Merkel, Corona-Krise, militärische Konflikte) werden ignoriert oder in Nebensätzen abgehandelt. Das ist verständlich, denn ein Buch, dass über einen langen Zeitraum geschrieben wird, wird gezwungenermaßen von der Realität überholt, sorgt jedoch für einen merkwürdig luftleeren Raum, in dem die Gegenwart des Buches spielt. Hintergründe bestimmter Ereignisse werden völlig ausgeblendet, ebenso Reaktionen anderer Staaten auf deutsche Politik. Gesetze werden, völlig untypisch für Deutschland (außerhalb von Notstandgesetzen, die hier aber nicht erwähnt werden) in wenigen Tagen beschlossen und umgesetzt. Besonders das Ende hat mich hier nicht zufrieden gestellt. Es gibt krasse Einschnitte und sehr unklare Entwicklungen, aber da nur auf die Familiengeschichte fokussiert wird, werden die Probleme nur im Kleinen aufgelöst und große Zusammenhänge werden nicht behandelt. Das fand ich etwas schade, so verliert die Geschichte nach dem guten Spannungsaufbau zum Ende hin an Kraft.
Alle sind irgendwie miteinander befreundet und verwandt und haben Berufe, die rechtfertigen, dass man immer wieder zufällig zusammentrifft. In der Familie und deren Bekanntenkreis gibt es einen offen homosexuellen Anwalt, einen homosexuellen Werber, der mit einem von der Fremdenfeindlichkeit betroffenen Iraner zusammen ist und eher zufällig in linksextreme Kreise gerät, einen Arzt, der zufällig immer zur Stelle ist, ambitionierte rechts-militaristisch eingestellte Konservative, Verlierertypen, die in der soldatischen Ausbidung endlich wieder Selbstvertrauen entwickeln...
Das ist schon ein bissschen konstruiert. Spannend und lesenswert fand ich es dennoch. Eine Art Familiengeschichten-Politthriller. 3,5 Punkte von mir und eine Leseempfehlung als Unterhaltungsroman mit etwas Potential zum Nachdenken.

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Veröffentlicht am 27.03.2021

Ein Tollpatsch sucht die Sonnenblumenfrau

Du kannst kein Zufall sein
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Nachdem Joshs Heiratsantrag gründlich in die Hose gegangen ist, steht er ganz allein mit seinem Kaninchen Jeremy da. Ohne Freundin, Arbeit oder Wohnung zieht er wieder bei seinen Eltern ein. Die Aufmunterungsversuche ...

Nachdem Joshs Heiratsantrag gründlich in die Hose gegangen ist, steht er ganz allein mit seinem Kaninchen Jeremy da. Ohne Freundin, Arbeit oder Wohnung zieht er wieder bei seinen Eltern ein. Die Aufmunterungsversuche seiner Freunde Jake und Jessie fruchten auch nur so mittelmäßig. Josh beschließt fortan all seine Entscheidungen einem Münzwurf zu überlassen. Doch dann verliebt er sich wieder und verliert seine Angebetete gleich wieder aus den Augen.



Josh ist ein etwas anstrengender Protagonist. Er stolpert ständig in peinliche Situationen und Missverständnisse, ist ständig abgebrannt, trifft mit oder ohne Münze dämliche Entscheidungen und lässt sich eher passiv treiben. Das muss man mögen. Ich kam gut mit ihm zurecht, auch weil ich einfach gar keine Erwartungen hatte. Die Kapitel sind kurz und lesen sich schnell weg. Meistens passiert irgendwas skurriles oder peinliches und dann geht es weiter zur nächsten Anekdote. Teilweise war für mich nicht ganz durchschaubar warum Dinge jetzt so wahnsinnige Fettnäpfchen/Probleme sind.

Die Nebenfiguren bleiben leider recht blass und sind teilweise sogar richtig nervig. Bei Joshs Eltern fallen mir kaum positive Eigenschaften ein. Aber gut, es soll ein lockerleichter lustiger Roman sein, da ist oberflächliche Figurenzeichung auch verschmerzbar.

Denn trotz aller Kritikpunkte hat mich das Buch gut unterhalten. Es ist eben genau das, was man vom Cover her erwartet: Leicht zu lesen, nicht sonderlich tiefschürfend. Einfach ein amüsanter Zeitvertreib mit einem Tollpatsch, der die Liebe sucht und zwischendurch immer wieder in Probleme absurden Ausmaßes stolpert und unter der Einmischung seines Umfeldes leidet. Muss man nicht lesen, ist aber auch keine verschwendete Lebenszeit.

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Veröffentlicht am 22.03.2021

unbefriedigend

Genug
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"Ich möchte die Welt spüren, nicht auf Abstand und mit Vernunft; nein, ich möchte mit dem Feuer spielen, bis ich nach Pisse rieche. Das sind natürlich hardcormäßige Vorhaben, schwer anzupacken. ...

"Ich möchte die Welt spüren, nicht auf Abstand und mit Vernunft; nein, ich möchte mit dem Feuer spielen, bis ich nach Pisse rieche. Das sind natürlich hardcormäßige Vorhaben, schwer anzupacken. Also schreibe ich stattdesseneinen diesen kleinen Zettel und hefte ihn an meine Pinnwand. »Ab heute will ich gesund leben, Sport treiben und abnehmen.« Im Laufe von neun Monaten nehme ich vierzig Kilo ab [...] Eine Ärztin weist mich ins Krankenhaus ein, weil sie eine Latenzzeit von mehr als fünfzehn Sekunden zwischen ihrer Frage und meiner Antwort feststellt. Nicht weil ich meine Antwort abwägen müsste, sie fragt mich nur nach meinem Namen, sondern weil mein Gehirn auf Stand-by geschaltet ist." (S. 11f)
Die namenlose Protagonistin rutscht in die Anorexie, ist besessen davon ihren Körper zu kontrollieren.
Manchmal verwirrende, manchmal poetische Gedankenfetzen wechseln sich mit Einträgen aus der Krankenakte ab. Die Familie ist hilflos, kann sich nicht erklären, warum ein junges Mädchen mit guten Noten aus "geordneten Verhältnissen" sich fast zu Tode hungert.
Als LeserIn ist man genauso hiflos. Die Protagonistin bleibt fremd, vieles unklar. Es gibt keine Auflösung und Begründung, man bleibt unzufrieden zurück. Aber vielleicht ist das auch gewollt, denn Anorexie ist keine einfach zu verstehende und heilende Krankheit. Man kann nicht sagen "Aha, das liegt an jenem Blinddarm, den schneidet man raus und alles ist wieder gut.". Insofern verstehe ich die Intention der Autorin kam aber trotzdem der Protagonistin nicht richtig nah und konnte wenig mitfühlen.

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