Raubkunst? Oder doch nur der Nachlass eines Kunsthändlers?
Der Fall GurlittDer Klappentext: „»Tür aufgebrochen. Zollfahndung Lindau.« Mit diesen knappen Worten beschreibt Cornelius Gurlitt die dramatischen Ereignisse vom 28. Februar 2012, als Zollbeamte in seine Münchner Wohnung ...
Der Klappentext: „»Tür aufgebrochen. Zollfahndung Lindau.« Mit diesen knappen Worten beschreibt Cornelius Gurlitt die dramatischen Ereignisse vom 28. Februar 2012, als Zollbeamte in seine Münchner Wohnung eindringen und seine Sammlung aus über 1500 Kunstwerken beschlagnahmen – eine Aktion, die später als »Schwabinger Kunstfund« Eingang in die Medien findet und weltweit für Schlagzeilen sorgt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Bei den Bildern, die Gurlitts Vater Hildebrand im Dritten Reich erworben hat – darunter sind Kunstwerke von u.a. Paul Cézanne, Édouard Manet, Claude Monet und Henri Matisse sowie Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt Rottluff, Emil Nolde, Franz Marc und Max Beckmann im Wert von hundert Millionen Euro –, soll es sich größtenteils um NS-Raubkunst handeln. Doch die Wahrheit sieht anders aus.“
Meine Meinung: „Der Fall Gurlitt“ ging 2012 durch die Presse, alle Zeitungen und Zeitschriften waren voll von der Meldung des großen Raubkunstfundes in einer Münchner Wohnung. Über 1.500 Werke wurden von der Augsburger Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und der Besitzer Cornelius Gurlitt von den Journalisten belagert. Nach und nach wurden die Gemälde, Zeichnungen und Graphiken untersucht und ihre Herkunft überprüft. Eine extra dafür gegründete Task Force bemühte sich Licht ins Dunkle dieses Kunstfundes zu bringen, was bedingt gelang, aber es kristallisierte sich schnell heraus, das die meisten der Werke rechtmäßig im Besitz von Cornelius Gurlitt waren, von den 1.500 pauschal unter Raubkunstverdacht gestellten Bilder blieben bis 2016 noch gut 90 Verdachtsfälle über, nur fünf davon konnten bislang tatsächlich als Raubkunst nachgewiesen werden. Das Interesse der Presse war bis dahin aber schon erlahmt und bis auf einige wenige Fachzeitungen und kurze Meldungen wurde nicht mehr über den Fall Gurlitt berichtet.
Der Regisseur und Autor Maurice Philip Remy hat in diesem Buch die Geschichte hinter dem Fall Gurlitt beleuchtet, er ging der Familiengeschichte und den Spuren des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt nach. Des Mannes, der laut Staatsanwaltschaft diesen Schatz an Raubkunst widerrechtlich angehäuft hat. Wie der Autor belegt, war dieser Verdacht nicht unbedingt zu halten. Provenienzforschung, gerade in der Zeit des Nationalsozialismus ist schwierig, die Unterlagen sind häufig vernichtet, unvollständig oder geschönt, Augenzeugen und Betroffene verstorben und Aussagen zweifelhaft. Unzweifelhaft aber ist, dass die Nazis Kunst und Wertgegenstände von Juden enteignet haben, viele auf der Flucht zu jedem Preis verkaufen mussten, dass Sammlungen und Museen von Entarteter Kunst gesäubert wurden und dass die meisten dieser Werke in den Kunsthandel flossen und Hildebrand Gurlitt war eben Teil dieses Kunsthandels. Detailliert und akribisch recherchiert, aber auch angegriffen und kritisiert zeichnet Maurice Philip Remy den Fall Gurlitt von allen Seiten auf und bemüht sich so, den diffamierten Nazi-Kunsthändler Gurlitt eine neutralere Plattform zu bieten. Heute befindet sich ein Großteil der Sammlung Gurlitt im Kunstmuseum in Bern, die meisten Vorwürfe konnten entkräftet werden, doch Cornelius Gurlitt erlebte dies nicht mehr und auch die breite Öffentlichkeit wurde kaum noch darüber informiert.
„Der Fall Gurlitt – Die wahre Geschichte über Deutschlands größten Kunstskandal“ ist ein spannender Bericht über einen wahren Kunstkrimi, der nicht nur Kenner der (Kunst-)Szene anspricht.