Von der Sehnsucht nach gestörten Kriminellen
Am Ende der Schmerz„An jedem Tag, den sie in ihrem Büro an der Uni verbrachte, sehnte sie sich nach ihrem alten Schreibtisch in der Polizeistation.“ S. 9 Die aus Deutschland stammende Andrea Thornton unterrichtet jetzt an ...
„An jedem Tag, den sie in ihrem Büro an der Uni verbrachte, sehnte sie sich nach ihrem alten Schreibtisch in der Polizeistation.“ S. 9 Die aus Deutschland stammende Andrea Thornton unterrichtet jetzt an der Uni – sie bildet Nachfolger für den Job als Profilerin aus – der Job, den sie selbst einst so erfolgreich ausgefüllt hatte und der sie ausgefüllt hatte. Sie hält noch den Kontakt zu ihren alten Kollegen. Da kommt – ausgerechnet – Andreas Mann Greg, den ihr früherer Beruf sonst immer in Angst und Schrecken versetzt hatte, und bittet sie, die Unschuld seines gerade verhafteten Cousins Matthias zu beweisen. Der steht in Bielefeld unter dem Verdacht, Frau und Kinder getötet zu haben. Greg kann sich diese Tat nicht vorstellen für seinen sanftmütigen Cousin – doch der erinnert sich nicht an den Tatabend.
Aus ihrer Wahlheimat England in ihre alte Heimat gereist, realisiert Andrea: „Dieser Job fehlte ihr wie ein amputiertes Körperteil, aber sie hatte Angst, ihn wieder zu machen.“ S. 37 Nach einem traumatischen Erlebnis vor über einem Jahr hatte ihr die professionelle Distanz gefehlt. Und das soll jetzt funktionieren? Doch Fachwissen, Erfahrung und Intuition kann man nicht so einfach ablegen, wie man eine Kündigung ausspricht. Andrea beginnt, den Tathergang zu analysieren. Warum hatte Matthias Geheimnisse vor seiner Frau? Und hatte seine Frau einen Liebhaber? Worauf deutet die Reihenfolge der Morde hin? Wo ist das schwarze Notizbuch mit den bunten Blumen?
Was bei diesem Buch besonders ist, ist die Perspektive: vordergründig könnte man von einer ruhigen Ermittlung sprechen. Das ganz eigene ist die komplexe Sicht: Autorin Dania Dicken erläutert, warum Andrea zu diesem Beruf kam, wo die Herausforderung liegt, sich mit den Abgründen der Gesellschaft zu beschäftigen, und wie diese Beschäftigung durchführbar ist, ohne dabei persönlich hineingezogen zu werden – oder, wie in speziellen Fällen, dann halt doch. Das passiert schrittweise und wirkt dadurch stark und glaubhaft. So kommt Andrea bald zu Erkenntnissen – doch diese nützen leider nichts ohne Beweise. Sollte hier ein Täter davonkommen? Und da wird es dann erst richtig spannend…
Es ist geradezu traurig, ich kann nicht mehr werben, ohne zu viel zu verraten! Toll geschrieben, schlüssig hinsichtlich der Personenzeichnung, der Handlungsmotivation und der gesamten Abläufe. Dazu ein sehr unüblicher Ablauf! Es passt einfach! Absolute Leseempfehlung für Fans von harten Psychothrillern – was gleichzeitig meine übliche Warnung ist.