Schöne Gegenwartserzählung
Endstation Hochgrat„...In einem Meer aus blassblauem Nebeldunst thronte der breite Rücken des Hochgrats. Die Sonne blinzelte hinter flauschigen, weißen Wattewölkchen hervor und brachte den Tau auf den Wiesen zum Funkeln...“
Melissa ...
„...In einem Meer aus blassblauem Nebeldunst thronte der breite Rücken des Hochgrats. Die Sonne blinzelte hinter flauschigen, weißen Wattewölkchen hervor und brachte den Tau auf den Wiesen zum Funkeln...“
Melissa war wegen Magenproblemen zum Arzt gegangen. Anstatt ihr ein schnell wirkendes Medikament zu verschreiben, empfiehlt er ihr eine Auszeit. Sie stehe kurz vor einem Burnout, meint er. Die leichten Antidepressiva, die er ihr verordnet hat, lehnt sie nach einem kurzen Gespräch mit der Apothekerin ab. Eine Reisesuchmaschine schlägt ihr Oberstaufen im Allgäu als Erholungsort vor.
Die Autorin hat eine humorvolle, aber inhaltsreiche Gegenwartserzählung geschrieben. Was ist wichtig im Leben? In wie weit prägt uns unsere Vergangenheit? Diesen beiden Fragen geht die Geschichte behutsam nach.
Die Protagonistin wird gut charakterisiert. Melissa ist Bankerin, kümmert sich nebenbei um ihre krebskranke Mutter, die das als selbstverständlich betrachtet, Melissas Zeit gern vereinnahmt und das Wort Dankbarkeit nicht kennt. Ihr Freund und Vorgesetzter Thomas hat sie gerade betrogen und mit den Raten für eine Eigentumswohnung allein gelassen. Melissa ist ein Kopfmensch. Ihren Urlaub plant sie generalstabsmäßig. Ein Ratgeber soll ihr helfen, innerhalb von sieben Tagen wieder fit zu sein. Doch das Leben geht nicht immer gerade Wege.
Im Hotel läuft ihr Enrico über den Weg. Ihre erste Begegnung ist wenig positiv. Das prägt Melissas Einstellung. Enrico dagegen mag die spröde junge Frau und würde gern hinter ihre Maske schauen.
Der Schreibstil des Buches lässt sich gut lesen. Mit passenden Metaphern malt die Autorin ein schönes Bild vom Allgäu, seiner Landschaft und seinen Menschen. Obiges Zitat ist ein Beispiel dafür. Sehr gut wird Melissa durch ihre Handlungen beschrieben. Beim Golf wirkt sie verkrampft. Sie will zu viel auf einmal und hat Probleme, anderen Menschen zu vertrauen. In stillen Augenblicken gehen ihre Gedanken zurück in die Kindheit. Sie ruft sich die schönen Erlebnisse in Erinnerung und wird doch schmerzhaft an den harten Schnitt erinnert, der ihre Vergangenheit prägt und bis heute ihr Verhalten gegenüber anderen Menschen bestimmt.
Enrico ist als Kriegsberichterstatter durch die Hölle gegangen. Bei seiner Tante im Allgäu, der Hotelbesitzerin, hat er Ruhe und Frieden gefunden. Er hat ihr in schwierigen Zeiten nach dem Tode ihres Mannes zur Seite gestanden und nun hier seine Heimat. Diese Ausgeglichenheit und seine Menschenkenntnis spürt man im Umgang mit Melissa. Er sucht die Begegnung, drängt sich aber nicht auf und führt sie behutsam zu schönen Erlebnissen.
Gekonnt werden die Emotionen der Protagonisten herausgearbeitet. Das trifft nicht nur auf die Hauptdarsteller zu. Klar durchzieht Melissas Verletzlichkeit die Geschichte, doch auch Gudrun, die Hotelbesitzerin, hat ihr Päckchen zu tragen. Trotzdem begegnet sie den Hotelgästen freundlich und zuvorkommend.
Die Dialoge sind fein ausgearbeitet. Das trifft insbesondere auf die Gespräche zwischen Melissa und dem Golftrainer zu, der ihr Mut macht, aber auch auf wesentliche Fehler hinweist. Bei den Gesprächen zwischen Melissa uns Enrico dagegen ist eine latente Spannung spürbar.
Das Cover mit dem Foto im Heu passt.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Hier wird auf leichte Art ein Stück Lebenswirklichkeit wiedergegeben und eine schöne Landschaft bekannt gemacht.