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Veröffentlicht am 10.04.2021

Kurzgeschichten für alle Peter Grant-Fans

Der Geist in der British Library und andere Geschichten aus dem Folly
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Als Peter Grant-Fans warte ich gespannt auf den neunten Band der Serie. Um die Wartezeit zu überbrücken ist mit „Der Geist in der British Library“ nun eine Kurzgeschichten-Sammlung erschienen. Die Geschichten ...

Als Peter Grant-Fans warte ich gespannt auf den neunten Band der Serie. Um die Wartezeit zu überbrücken ist mit „Der Geist in der British Library“ nun eine Kurzgeschichten-Sammlung erschienen. Die Geschichten spielen zeitlich zwischen den verschiedenen Büchern und eine sogar nach dem zuletzt veröffentlichten Band. Um diese Sammlung in vollen Zügen genießen zu können, ist deshalb eine Kenntnis der bisherigen Bände nötig.

Das Buch besteht aus zwei Teilen: „Die Peter-Grant-Geschichten“ und „Die Geschichten der anderen“. Vor jeder Geschichte wird kurz erklärt, zu welcher Zeit diese angesiedelt ist und mit welcher Motivation sie verfasst wurde. Viele der Peter-Grant-Geschichten sind ursprünglich als Bonus in Sonderausgaben der britischen Buchhandelskette Waterstones erschienen und wurden nun erstmals auf Deutsch veröffentlicht. Die sechs Geschichten berichten von Einsätzen, zu denen Peter gerufen wurde oder in die er hineingestolpert ist.

Die Geschichten der anderen sind ein buntes Sammelsurium: Ich lernte neue Flussgötter kennen und begleitete Abigail bei Nachforschungen, die sie ohne Peters Wissen anstellt. Auch Vanessa Sommer, die man aus dem in Deutschland spielenden Kurzroman „Der Oktobermann“ kennt, hat eine eigene Kurzgeschichte bekommen. Drei abschließende „Moments“ fangen auf vier bis fünf Seiten kurze Eindrücke auf.

Natürlich sind diese Kurzgeschichten nicht mit den Bänden der Serie oder den Kurzromanen zu vergleichen. Es liegt in der Natur der Sache, dass jede Geschichte ein kurzes Eintauchen und das Buch schnell ausgelesen ist. Ihr solltet also mit der richtigen Erwartungshaltung herangehen. Mich konnten diese neuen Ausflüge in die Welt von Peter Grant sehr gut unterhalten. Alle Fans sollten sich diesen Band nicht entgehen lassen!

Veröffentlicht am 27.03.2021

Was ist in den letzten fünf Jahren geschehen?

Was wir sehen, wenn wir lieben
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Das letzte, an das Teresa sich erinnert, ist eine unerwartete Begegnung mit Henry Bayer. Er war einst der beste Freund ihrer Schwester Celine und Teresas großer Schwarm. Weil er in Eile ist, verabreden ...

Das letzte, an das Teresa sich erinnert, ist eine unerwartete Begegnung mit Henry Bayer. Er war einst der beste Freund ihrer Schwester Celine und Teresas großer Schwarm. Weil er in Eile ist, verabreden die beiden, in ein paar Tagen bei einem Kaffee Neuigkeiten auszutauschen. Doch dann findet Teresa sich in einem Rettungswagen wieder und Sanitäter sagen ihr, dass sie nach einem Diskobesuch eine Treppe heruntergefallen ist. In Teresas Kopf ist noch immer Juni 2014, doch der Rest der Welt ist im Mai 2019 angekommen. Teresa hat einen neuen Job, eine neue Wohnung und einen nackten Mann unter der Dusche, an den sie sich nicht erinnert. Die neue Teresa 2.0 ist ihr fremd. Was ist in den letzten fünf Jahren geschehen? Und wieso scheint Henry keine Rolle in diesem neuen Leben zu spielen?

Die Geschichte beginnt im Jahr 2014 mit einer Begegnung zwischen Teresa und Henry, die sie im Nachhinein als Herzensmoment beschreibt. Die beiden haben sich seit einigen Jahren nicht gesehen, doch bei seinem Anblick sind all die Gefühle wieder da, die Teresa in ihrer Jugend für ihn hatte. Und Henry flirtet tatsächlich mit ihr! Die Aussicht darauf, ihn nun als selbstbewusste junge Frau auf einen Kaffee zu treffen, ist verheißungsvoll.

Aber was ist daraus geworden? Diese Frage kann Teresa niemand beantworten, als sie sich mit einer Gedächtnislücke von fünf Jahren im Jahr 2019 wiederfindet. Sie scheint eine andere geworden zu sein in dieser Zeit und kann sich nicht erklären, warum. Warum arbeitet sie in einer Galerie und nicht mehr im Tattoostudio? Warum wohnt sie nicht mehr mit ihrer Schwester zusammen, sondern allein? Warum ist sie die Affäre eines Mannes, der nicht Henry ist? Meine Neugier war geweckt.

Ich ahnte schnell, was Teresas Familie ihr verheimlicht, da sie keine Antwort auf bestimmte Fragen erhält. Schrittweise überwindet Teresa den Zustand der Verleugnung und Verdrängung und stellt sich den Herausforderungen ihres neuen Lebens. Doch die Sache mit Henry lässt sie nicht los. Der Besuch fällt jedoch unerwartet abweisend aus. Offenbar ist die Geschichte der beiden nach dem Moment, an den Teresa sich erinnert, weitergegangen. In Rückblenden aus Henrys Sicht erfährt man mehr darüber, sodass sich das Bild allmählich vervollständigt. Doch eine entscheidende Information scheint zu fehlen, deren Enthüllung schließlich viele Fragezeigen in Ausrufezeichen verwandelt.

Der Geschichte gelingt eine gute Mischung aus lustigen, romantischen und traurigen Momenten. Früh wird erwähnt, dass Teresas Schwester Celine an Krebs erkrankt ist - an dieser Stelle von mir die Triggerwarnung, dass das im Buch eine große Rolle spielt. Bei ihren Versuchen, ihr neues Leben voller Souveränität zu meistern, tritt Teresa in so manches Fettnäpfchen und sorgt für unterhaltsame Szenen. Im Hinblick auf Henry will sie sich nicht so schnell geschlagen geben und versucht, zu ihm durchzudringen. Gleichzeitig ist da noch der Mann in ihrer Wohnung, mit dem sie offenbar glücklich war. Ich habe Teresa sehr gern auf ihrem Weg begleitet, ihr neues Leben zu verstehen und einige Dinge mit dem Blick der alten Teresa anders zu machen.

„Was wir sehen, wenn wir lieben“ ist eine emotionale Achterbahnfahrt, die ich sehr gerne an alle Leser gefühlvoller Geschcihten weiterempfehle!

Veröffentlicht am 27.03.2021

Der eine große Sommer, an den man voller Sehnsucht zurückdenkt

Der große Sommer
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Frieders Sommerferien scheinen vor allem eins zu werden: Lernintensiv. Er hat die 9. Klasse schon zum zweiten Mal besucht und muss die Nachprüfung diesmal schaffen, sonst war es das. Während seine Familie ...

Frieders Sommerferien scheinen vor allem eins zu werden: Lernintensiv. Er hat die 9. Klasse schon zum zweiten Mal besucht und muss die Nachprüfung diesmal schaffen, sonst war es das. Während seine Familie in den Urlaub fährt, muss er zu seinen Großeltern ziehen, wo sein strenger Großvater ein Auge auf seine Lerneinheiten hat und ihm zusätzlich einen Ferienjob verschafft. Doch dann trifft er bei Regen im Freibad auf dem Siebeneinhalber ein Mädchen im flaschengrünen Badeanzug. Sie stellt sich als Beate vor und lässt Frieders Herz höher schlagen. Das ist der Beginn des einen großen Sommers, an den Frieder sich viele Jahre später voller Sehnsucht zurückerinnert.

Nachdem mich Ewald Arenz 2019 mit „Alte Sorten“ sehr begeistern konnte, habe ich mich riesig darüber gefreut, sein neues Buch vorab lesen zu dürfen. Die Geschichte wird von einem älteren Frieder erzählt, der auf der Suche nach einem Grab über einen herbstlichen Friedhof läuft. Dabei erinnert er sich zurück an den Sommer, in dem sich für ihn alles geändert hat.

Ich tauchte in seine Erinnerungen als Sechzehnjähriger ein, die kurz vor den Ferien beginnen. Die Begegnung mit Beate geht ihm nicht mehr aus dem Kopf und er will sie unbedingt wiedersehen. Zum Glück gibt es seinen besten Freund Johann und seine Schwester Alma. Mit den beiden heckt er ständig etwas aus, sie helfen ihm aber auch dabei, sich auf die Suche nach Beate zu begeben. Weil Alma ein Praktikum macht und Johann erst später in Urlaub fährt sind sie auch in den Ferien für Frieder da.

Trotz der lernintensiven Vormittage liegt der ganze Sommer verheißungsvoll vor Frieder. Das Auf und Ab seiner Gefühle und Gedanken in Anbetracht der Ereignisse konnte ich gut nachvollziehen. Es geht um die erste große Liebe, aber auch um Freundschaft und Zusammenhalt, der nach einem Unglück zu zerbrechen droht. Die Erzählung ist atmosphärisch und deckt die ganze Bandbreite an Emotionen ab. Sehr gut gefallen hat mir auch die Geschichte von Frieders Großeltern, deren Gefühle füreinander Frieder in Anbetracht seiner eigenen Verliebtheit hinterfragt.

So wie der Sommer für Frieder am liebsten nie hätte enden sollten wollte ich gar nicht, dass die Geschichte endet. „Der große Sommer“ ist ein Buch, das man bewusst langsam liest, um es voll und ganz auskosten zu können. Ich bin schwer begeistert und gebe eine große Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 13.03.2021

Mit den Wunderfrauen in die 1960er Jahre

Die Wunderfrauen
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Die vier Wunderfrauen Luise, Helga, Marie und Annabel habe ich im ersten Teil der Trilogie in den 50er Jahren kennengelernt. Nun sind einige Jahre vergangen und ein neues Jahrzehnt hat begonnen. Luises ...

Die vier Wunderfrauen Luise, Helga, Marie und Annabel habe ich im ersten Teil der Trilogie in den 50er Jahren kennengelernt. Nun sind einige Jahre vergangen und ein neues Jahrzehnt hat begonnen. Luises kleiner Laden platzt allmählich aus allen Nähten. Sie muss über eine Erweiterung nachdenken, während ihr gleichzeitig die wachsende Zahl an Supermärkten Konkurrenz macht. Marie lebt mit ihrem Mann Martin und ihren drei Kindern auf dem Brandstetterhof. Dort muss sie ordentlich anpacken, denn ihr Mann verdient tagsüber als Holzfäller zusätzliches Geld und sie besitzen noch keinen Traktor wie andere.

Helga hat die letzten Jahre in München Medizin studiert und ist mit ihrem Sohn David gerade nach Starnberg zurückgezogen, um als Ärztin in der Seeklinik zu arbeiten. Dort wurde ihr als unverheiratete Schwangere einst gekündigt. Vor der Begegnung mit Luise, mit der sie im Streit auseinandergegangen ist, graut es ihr jedoch. Die Chefarztgattin Annabel ist noch einmal Mutter geworden. Ihre Tochter ist an sich gesund, doch eine Fehlbildung stellt den Familienzusammenhalt auf die Probe.

Nach dem trubeligen ersten Band war ich gespannt, welchen Herausforderungen sich die vier Frauen im neuen Jahrzehnt stellen müssen. In der Anfangsszene im Jahr 1963 sitzt Helga in einer Gefängnisszene. Danach springt die Handlung zwei Jarhe zurück, was es mit der Verhaftung auf sich hat wird erst kurz vor Schluss aufgedeckt. Meine Neugier war geweckt und ich flog durch die abwechslungsreiche Geschichte.

Das Buch deckt eine große Bandbreite an Themen ab. Es wird Rock ‘n’ Roll getanzt, immer mehr Menschen machen den Führerschein, Supermärkte zur Selbstbedienung verbreiten sich, die Antibabypille kommt auf den Markt, Bauern stellen von Tieren auf Motoren um und müssen sich mit Plänen für eine Flurbereinigung auseinandersetzen. Auch bei der Fehlbildung von Annabels Tochter war mir sofort klar, welches Thema hier verarbeitet wird. Empathisch wird geschildert, was Schuldgefühle und Schuldvermutungen mit einer frischgebackenen Mutter machen. Annabel war in diesem Buch deutlich sympathischer und es gab viele schöne Szenen insbesondere im Zusammenspiel mit Luise.

Stephanie Schuster gelingt es erneut, die alltäglichen Höhen und Tiefen der vier Frauen fesselnd zu schildern. Dramatische Momente ließen mich mitfiebern und ich erlebte einige überraschende Entwicklungen. „Die Wunderfrauen: Von allem nur das Beste“ gibt facettenreiche Einblicke in das Leben der Frauen in den 60ern. Ich freue mich schon sehr, im letzten Teil der Trilogie in die 70er zu reisen.

Veröffentlicht am 06.03.2021

Packender Roman über zwei ganz unterschiedliche Lebensträume

Lebenssekunden
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Angelika und Christine werden im Jahr 1956 beide sechzehn Jahre alt. Ihre Leben sind sehr verschieden: Angelika lebt in Kassel, ihr Vater ist Künstler und sie interessiert sich sehr für Fotographie. Christine ...

Angelika und Christine werden im Jahr 1956 beide sechzehn Jahre alt. Ihre Leben sind sehr verschieden: Angelika lebt in Kassel, ihr Vater ist Künstler und sie interessiert sich sehr für Fotographie. Christine ist in Ostberlin aufgewachsen und arbeitet als Kunstturnerin auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen hin. Während Angelika nach einem Schicksalsschlag hinterfragt, was sie aus ihrem Leben machen möchte, wird Christine zur Verwirklichung ihres Traums erbarmungslos gedrillt. Doch um die DDR international zu vertreten braucht es nicht nur sportliche Höchstleistungen, sondern auch Linientreue.

Die ersten beiden Romane, in denen die Autorin ihre eigene Familiengeschichte verarbeitet hat, haben mir ausgesprochen gut gefallen. Meine Vorfreude auf den dritten Roman aus ihrer Feder war daher groß. Als Vorbild für den Roman diente unter anderem Barabara Klemm, die sich als Pressefotografin in ihrem männlich dominierten Umfeld erfolgreich behauptet hat.

Als Leser begleitet man Angelika und Christine fünf Jahre lang. Die Kapitel schildern abwechselnd ihre Leben, wodurch der Kontrast besonders deutlich wird. Angelikas Leidenschaft ist die Fotographie. Ihr Vater hat ihr die Grundlagen gezeigt, doch die Apparate sind teuer und so spart sie schon lange, um sich ein eigenes Exemplar leisten zu können. Sie streift auf der Suche nach Motiven durch die Stadt - ein Müßiggang, der für Christine undenkbar ist. Ihr Leben ist komplett durchgeplant: Sie muss viele Stunden am Tag trainieren, oftmals unter Schmerzen. Gleichzeitig wird genau kontrolliert, was sie isst, damit sie ihre zierliche Figur behält.

Auf der Hälfte des Buches macht das Buch einen Zeitsprung, sodass man die Frauen kurz nach ihrem achtzehnten Geburtstag wiedertrifft. Sie sind erwachsen geworden und müssen sich neuen Herausforderungen stellen. Angelika ist fest entschlossen, in der männlich dominierten Medienwelt als Pressefotografin Fuß zu fassen. Und Christine hat sich in einen Klassenfeind verliebt. Die Themen verleihen der Geschichte neuen Schwung und Berlin als Schauplatz rückt noch mehr in den Fokus. Hier sind die Spannungen zwischen West und Ost besonders groß, was die Protagonistinnen hautnah erfahren.

Ich habe mich beiden Frauen schnell nahe gefüht und fieberte mit ihnen mit. Die Kapiel enden oft mit Cliffhangern und schwenken zum anderen Charakter, sodass ich neugierig weiterlesen musste. Katharina Fuchs hat einen packenden Schreibstil und schildert die Höhen und Tiefen des Alltags der beiden Mädchen mit ebensolcher Spannung wie ihre wegweisenden Momente. Ein sehr gelungener Roman über zwei starke, ganz unterschiedliche Frauen, den ich gerne weiterempfehle!