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Veröffentlicht am 21.04.2021

Reise ins Land der Phantasie …

Luka und das Lebensfeuer
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Bei einem Spaziergang mit seinem Vater, dem Geschichtenerzähler Raschid, sieht Luka, wie ein Zirkusdirektor seine Tiere misshandelt und verwünscht ihn deswegen. Noch in derselben Nacht brennt der Zirkus ...

Bei einem Spaziergang mit seinem Vater, dem Geschichtenerzähler Raschid, sieht Luka, wie ein Zirkusdirektor seine Tiere misshandelt und verwünscht ihn deswegen. Noch in derselben Nacht brennt der Zirkus und die Tiere können ausbrechen. Zwei von ihnen, ein Bär namens Hund und ein Hund, der Bär genannt wird, fliehen zu Luka und werden seine besten Freunde. Die Rache des Zirkusdirektors trifft Raschid, er wird krank und fällt ins Koma. Um seinen Vater zu retten muss Luka das Lebensfeuer finden. Mit Hund und Bär begibt er sich auf die gefahrvolle Suche in eine andere, geheimnisvolle und magische Welt …

Sir Salman Rushdie ist indisch-britischer Schriftsteller. Er wurde 1947 in Bombay geboren, kam im Alter von 14 Jahren nach England auf die Rugby School, studierte danach in Cambridge Geschichte und arbeitete anschließend als freier Journalist und Werbetexter. Ab 1975 begann er mit Schreiben und erreichte 1988 Weltruhm, als „Die satanischen Verse“ veröffentlicht wurde. Dies war für die iranische Regierung unter Staatschef Chomeini der Anlass, Rushdie 1989 mittels einer Fatwa zum Tode zu verurteilen. Er lebte daraufhin unter Decknamen und Polizeischutz an ständig wechselnden Orten. Das Todesurteil wurde auch nach dem Tode Chomeinis nicht aufgehoben und gilt bis heute, das Kopfgeld für seinen Tod wurde mittlerweile auf fast 4 Millionen Dollar erhöht. Ungeachtet dessen erhielt er inzwischen zahlreiche Preise und Auszeichnungen für seine Werke, so den Booker Prize, den Aristeion-Literaturpreis der EU, wurde 1999 von der FU Berlin und der Universität Lüttich mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet und 2007 von Queen Elizabeth II. zum Ritter geschlagen.

Erstaunlich, mit welch Phantasiereichtum der Autor ausgestattet ist und wie er es schafft, den Leser damit in seinen Bann zu ziehen. „Luca und das Lebensfeuer“ ist ein Märchen für Erwachsene in modernem Gewand, das der Autor für seinen Sohn geschrieben hat. Um das Lebensfeuer zu finden muss Luca, ähnlich wie in einem Computerspiel, Level um Level erreichen, ohne dabei alle seine Leben zu verlieren. Dabei stellen sich ihm ungeahnte Hindernisse in den Weg, die es durch List und mit Hilfe einiger ihm wohlgesonnener mystischer Wesen zu überwinden gilt. Der Schreibstil ist sehr ansprechend, angenehm flüssig und gut lesbar, wenn auch die Fülle der seltsamen Namen den Lesefluss etwas hemmt. Dennoch habe ich es sehr gerne gelesen und mich in eine magische Welt voller mythologischer Figuren entführen lassen.

Fazit: Ein Lesevergnügen für alle, die sich auch noch als Erwachsene gerne ins Reich der Phantasie verführen lassen.

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Veröffentlicht am 13.04.2021

Einladung zum Tee …

Jenseits des Abgrunds
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Noch während ihrer Studienzeit waren die Brüder Tom und Jonathan unzertrennlich und unternahmen alles gemeinsam. Später jedoch, als Tom Karriere als Journalist machte und für seinen Bruder keine Zeit mehr ...

Noch während ihrer Studienzeit waren die Brüder Tom und Jonathan unzertrennlich und unternahmen alles gemeinsam. Später jedoch, als Tom Karriere als Journalist machte und für seinen Bruder keine Zeit mehr hatte, trennten sich ihre Wege. Jetzt, als 40jähriger, ist Tom ein letztes Mal mit Jonathan gemeinsam unterwegs. Er fährt in die Berge, um den letzten Willen seines Bruders, der sich in der Urne auf dem Rücksitz befindet, zu erfüllen. Seine Asche soll in den Rocky Mountains am Fuße des Mount Moran ausgestreut werden. Auf dem langen Weg dorthin trifft Tom auf Kosei-San, einen alten Japaner, der eine Hütte am Rande einer Schlucht bewohnt. Er hat bisher schon viele Menschen vor dem letzten Schritt in den Abgrund gerettet, einfach indem er mit ihnen Tee trank und ihnen zuhörte. Begierig hört sich Tom seine Geschichten über verzweifelte Menschen an, in der Hoffnung, später darüber eine Serie für eine Zeitschrift schreiben zu können …

Die Autoren Francesc Miralles und Ángeles Donate sind beide in Barcelona geboren und als Journalisten tätig. Unabhängig voneinander haben beide bereits zuvor Romane veröffentlicht, die recht erfolgreich waren. „Jenseits des Abgrunds“ ist ihr erstes gemeinsames Werk, das im spanischen Original bereits 2019 unter dem Titel „Un té parar curar al alma“ erschien.

Wie in der Buchbeschreibung zu lesen, ist basiert die Geschichte auf einer wahren Begebenheit, was ihr natürlich ein ganz anderes Gewicht verleiht. Leider erfährt der Leser jedoch nicht, was davon Wahrheit und was Fiktion ist. Selbstmord, ein Tabuthema in unserer Gesellschaft, wird hier in einfühlsamer Weise behandelt. Der Schreibstil ist sehr ruhig und harmonisch, angefüllt mit Zitaten, Metaphern und Weisheiten, was dem eigentlich bedrückenden Thema eine entspannte Leichtigkeit verleiht. Der alte Japaner erzählt von lebensmüden, verzweifelten Menschen ohne Hoffnung, denen er bei einer Tasse Tee hauptsächlich durch Zuhören und Mitgefühl half, wieder vorwärts zu blicken und den rechten Weg zu finden.

Störend an der Geschichte waren für mich zwei Aspekte: 1. dass die Urne mit der Asche des Bruders, die anfangs im Mittelpunkt des Geschehens war, etwa ab der Mitte des Buches vollkommen nebensächlich wird. Andere Ereignisse rücken in den Mittelpunkt und was letztendlich damit geschah, bleibt allein der Fantasie des Lesers überlassen - 2. dass (gefühlt) beinahe auf jeder Seite des Buches Tee getrunken wird.

Fazit: Auch wenn sich mir der Sinn des Lebens dadurch nicht erschlossen hat, ich habe das Buch sehr gerne gelesen.

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Veröffentlicht am 04.04.2021

Familienbande

Wir bleiben noch
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Victor Jarno, ein stets etwas grantiger und pessimistisch in die Welt blickender 47jähriger Wiener Sozialdemokrat, hat sich gerade von seiner Frau Iris getrennt. Er konnte ihr Gejammer wegen ihrer Kinderlosigkeit ...

Victor Jarno, ein stets etwas grantiger und pessimistisch in die Welt blickender 47jähriger Wiener Sozialdemokrat, hat sich gerade von seiner Frau Iris getrennt. Er konnte ihr Gejammer wegen ihrer Kinderlosigkeit nicht länger ertragen. Jetzt steht der 99. Geburtstag der auf dem Land lebenden Großmutter bevor, zu dem die ganze Familie traditionell zusammen kommt. Diesmal ist auch Victors Cousine Karoline angereist, die er 30 Jahre lang nicht mehr gesehen hat und in die er schon immer heimlich verliebt gewesen ist. Auch Karoline ist von Victor angetan, der in ihrem Beisein förmlich aufblüht. Aus den beiden wird ein Paar, sehr zum Missfallen der Verwandtschaft, die eine Liebe zwischen Cousin und Cousine als Schande empfindet. Als ihnen dann die Großmutter noch ihr Haus vererbt und sie dort einziehen, ist der Skandal perfekt …

Der Autor des Romans, Daniel Wisser, ist ein österreichischer Schriftsteller und Musiker, der 1971 in Klagenfurt geboren wurde und seit 1989 in Wien lebt. Er schrieb bereits einige Romane, die viel Beachtung fanden. Für „Königin der Berge“ wurde Wisser mit dem Österreichischen Buchpreis 2018 und dem Johann-Beer-Literaturpreis ausgezeichnet. „Wir bleiben noch“ ist sein fünfter Roman.

Wie bereits in seinen vorangegangenen Romanen schneidet der Autor auch hier ein Thema an, das einen verschwindend kleinen Teil der Bevölkerung betrifft, aber dennoch nicht weniger brisant ist. Es geht um die Liebe unter Blutsverwandten, humorvoll eingebettet in die Geschichte einer Familie, die seit Generationen der Sozialdemokratischen Partei Österreichs angehört. Mehr und mehr wird klar, dass der Zusammenhalt in der Familie gestört ist, dass die Wahl der falschen Partei die Familienmitglieder entzweit und die Liebe von Cousin und Cousine nur ein Vorwand für die Feindseligkeiten ist. Der Schreibstil Wissers ist dabei recht humorvoll und beeindruckend ironisch, in dem er auf den Umgang der Politik mit den Medien und der Gesellschaft anspielt, Intoleranz zum Thema macht und ganz nebenbei noch ein weiteres Familiengeheimnis aufdeckt. Dadurch wird dem eigentlichen Problem die Schwere genommen und es bleibt ein literarisch ausgezeichnetes, gut lesbares und unterhaltsames Buch.

Fazit: Ein interessantes, etwas außergewöhnliches Lesevergnügen.

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Veröffentlicht am 30.03.2021

Am leben, um Leben zu retten …

Alles, was wir geben mussten
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Auf der Fahrt zu einem Spender hat Kathy ausreichend Zeit, über ihr bisheriges Leben nachzusinnen. Sie ist jetzt 31 Jahre alt und arbeitet seit über 11 Jahren als Betreuerin, doch in etwa acht Monaten ...

Auf der Fahrt zu einem Spender hat Kathy ausreichend Zeit, über ihr bisheriges Leben nachzusinnen. Sie ist jetzt 31 Jahre alt und arbeitet seit über 11 Jahren als Betreuerin, doch in etwa acht Monaten wird auch sie zum Spender werden. Sie erinnert sich an Hailsham, ein Eliteinternat, in dem sie unbeschwert mit ihren Freunden Tommy und Ruth aufgewachsen ist. Damals wussten sie noch nichts über ihre wahre Bestimmung, sie merkten nur, dass sie anders sind als die da draußen. Nach und nach klärte man sie dann darüber auf, dass sie als junge Erwachsene zu „Spender“ werden, um nach der dritten oder vierten Operation endgültig „abzuschließen“ …

Der Autor Kazuo Ishiguro wurde 1954 in Nagasaki geboren. Bereits 1960 kam er nach England, wo er Englisch und Philosophie studierte. Schon während seines Studiums machte er die Literaturszene mit Kurzgeschichten auf sich aufmerksam. Inzwischen schrieb er mehrere Romane, für die er zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhielt und die teilweise verfilmt wurden. „Alles, was wir geben mussten“ erschien als Buch erstmals 2005, der Film dazu stammt aus dem Jahr 2010. Der Autor ist seit Jahrzehnten britischer Staatsbürger, seit 1986 verheiratet und lebt heute mit Frau und Tochter in London.
2017 erhielt Ishiguro den Literatur-Nobelpreis. Die Schwedische Akademie zeichnete ihn als einen Autoren aus, der mit „starker emotionaler Wirkung den Abgrund in unserer vermeintlichen Welt-Verbundenheit aufgedeckt hat“.

Wer erinnert sich nicht noch an das Schaf Dolly, das 1996 als erstes geklontes Säugetier Schlagzeilen machte. In diesem Roman sind die Protagonisten ebenfalls Klone, die nur dazu gezüchtet und aufgezogen werden, um später als Organspender zu dienen. Eine bedrückende Vorstellung, dass dies so oder so ähnlich jederzeit irgendwo auf der Welt im Verborgenen passieren könnte.

Weniger das Klonen, sondern vielmehr die Ergebenheit der Protagonisten in ihr Schicksal, ist das hervorstechende Merkmal dieses Romans. Zumindest die erste Hälfte liest sich wie ein ganz normaler Jugendroman. Kathy, eine der drei Freunde, erzählt über das Leben im Internat, über Unterricht und Sport, über Freundschaften und Gefühle, wie sie alle jungen Leute mehr oder weniger erleben. Erst viel später, als die Jugendlichen bereits auf dem Weg zur Selbständigkeit sind, kommt etwas Spannung auf. Ein Aufbegehren gegen ihr Schicksal erwartet man jedoch vergeblich, vielleicht wirken die Personen gerade deshalb so authentisch. Der Sprachstil ist dem Alter der Akteure angepasst und lässt sich gut und zügig lesen, wenn auch einige langatmige Passagen etwas Durchhaltevermögen erfordern.

Fazit: Eine Dystrophie, die sich beängstigend realistisch liest, einfühlsam und berührend.

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Veröffentlicht am 24.03.2021

Kriminaltango …

Fast ein bisschen Frühling
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In ihrem Wohnort Wuppertal sehen die beiden arbeitslosen Ingenieure Kurt Sandweg und Waldemar Velte keine Perspektive für die Zukunft, sie wollen nach Indien. Auf dem langen Weg dorthin wird noch schnell ...

In ihrem Wohnort Wuppertal sehen die beiden arbeitslosen Ingenieure Kurt Sandweg und Waldemar Velte keine Perspektive für die Zukunft, sie wollen nach Indien. Auf dem langen Weg dorthin wird noch schnell in Stuttgart eine Bank überfallen und der Kassierer erschossen, bevor sie im schweizerischen Basel landen. Es ist kurz vor Weihnachten 1933, als sie im Kaufhaus Globus in der Schallplattenabteilung bei Tangomusik die Verkäuferin Dorly kennen lernen, und sich Waldemar in sie verliebt. Die Weiterreise wird vorläufig aufgeschoben und man verabredet sich für den nächsten Abend zum Spaziergang am Rhein. Zu ihrer Sicherheit bringt Dorly ihre Freundin Marie mit, die spätere Großmutter des Erzählers. Bald werden diese harmlosen abendlichen Spaziergänge zur Gewohnheit. Doch die Idylle währt nicht lange, denn die beiden Männer werden wegen des Stuttgarter Bankraubs von der Polizei gesucht. Als ihnen dann noch das Geld ausgeht, und sie eine weitere Bank überfallen, geht eine gnadenlose Jagd auf die beiden los …

Der Autor Alex Capus wurde 1961 in der Normandie als Sohn einer Schweizerin und eines Franzosen geboren. Seine ersten fünf Lebensjahre verbrachte er in Paris. 1966 zog seine Mutter mit ihm in die Schweiz, wo er später an der Universität Basel Geschichte, Philosophie und Ethnologie studierte. Er ist Verfasser zahlreicher Romane, Kurzgeschichten und Reportagen, für die er zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhielt. Sorgfältig recherchierte und geschichtlich überlieferte Tatsachen verknüpft Capus gerne mit fiktiven Geschichten, die überwiegend in der Schweiz spielen. Mit seinem wohl bekanntesten Roman „Léon und Louise“ war er 2011 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Alex Capus ist verheiratet und Vater von fünf Söhnen, er lebt heute als freier Schriftsteller in Olten in der Schweiz.

Wie aus Aussagen des Autors zu entnehmen ist hat er über zehn Jahre gebraucht, um aus den Akten in Polizei- und Zeitungsarchiven, Protokollen von Zeugenaussagen und Gesprächen mit Überlebenden diesen Roman zu schreiben, dem ein realer Kriminalfall zugrunde liegt. Entstanden ist „Fast ein bisschen Frühling“, die Geschichte zweier Bankräuber aus den Dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, zweier Freunde auf der Flucht vor dem Nazi-Regime, auf der Suche nach einem besseren Leben. Als Erzähler wählt er den späteren Enkel von Dorlys Freundin Marie, den er das Geschehen nüchtern und sachlich, dabei jedoch unglaublich spannend, schildern lässt.

Capus‘ Stil ist beinahe beschwingt, ein romantisches Road-Movie mit anrührenden Ereignissen, die die beiden naiven Gangster schon beinahe sympathisch machen. Dabei wird jedoch nichts beschönigt, es wird keine Stellung zu den Taten der Protagonisten bezogen, das wird dem Leser überlassen. Alle Personen kommen sehr authentisch rüber, ihre Gemütsverfassungen wie Wut und Hass, Angst und Verzweiflung, aber auch Spaß und Freude, Liebe und Zuneigung, sind deutlich zu spüren und machen das Lesen zum Erlebnis.

Fazit: Ein kleines Büchlein mit viel Inhalt – meine Leseempfehlung.

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