Wie alltäglich darf der Umgang mit dem Holocaust sein ?
In den letzten Jahren hat sich der Umgang mit der Schreckensherrschaft von Hitler unglaublich gewandelt und seinen Einzug in den Alltag gefunden. Was auf der einen Seite für Aufklärung und bewusstem Nachfragen/Hinterfragen ...
In den letzten Jahren hat sich der Umgang mit der Schreckensherrschaft von Hitler unglaublich gewandelt und seinen Einzug in den Alltag gefunden. Was auf der einen Seite für Aufklärung und bewusstem Nachfragen/Hinterfragen sorgt, ist auf der anderen Seite eher lax und hat schon den Anschein der Verharmlosung. Der Grund dafür liegt, laut Auffassung des Autors, im Internet, denn diese für alle zugängliche Informationsquelle bietet nicht nur seriösen Nutzern eine Fläche, um Informationen zu verbreiten, sondern auch eben sogenannten Freaks, die mit Satire, Parodien und Karikaturen das alles verharmlosen und ins Lächerliche ziehen. Und dann ist da auch noch die dritte Gruppe, die immer noch unverhohlen ihre Bewunderung zum Ausdruck bringen kann/darf.
Rosenfeld widmet sich all diesen Themen, geht der Bagatellisierung nach und versucht zu erklären, warum das neue Interesse an dem dunkelsten Kapitel der Weltgeschichte plötzlich so allgegenwärtig ist.
Eine mögliche Antwort darauf macht er daran fest, dass sich die Generation der Kriegs-(Ur)Enkel mit der Aufarbeitung der Geschichte befasst und für sie eben durch die Nutzung der neuen Medien der "Schrecken" verloren geht, da nicht mehr alles verschwiegen, sondern öffentlich zugänglich gemacht wird. Dieses Überangebot verführt dazu, ständig neue Klicks zu tätigen und sich (meist) oberflächlich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Auch finden immer mehr literarische und filmische Auseinandersetzungen mit diesem Thema statt, die es möglich machen, einen Einblick in die Kriegs- & Nachkriegsjahre zu erhaschen und Hitler als weniger dämonisch darstellen. Filme wie "Der Untergang" und "Inglourius Basterds" werden von den Cineasten gefeiert, TV-Mehrteiler wie "Unsere Mütter, unsere Väter" und "Die Flucht" sorgen für hohe Einschaltquoten bei den öffentlich-rechtlichen TV-Sendern.
Ist es tatsächlich so, dass dieser öffentliche Umgang, auch zu Unterhaltungszwecken (u.a in Comics und Memes), den kritischen Blick auf das Gewesene trübt ? Bekommt der Nationalsozialismus eine sogenannte Alltagsnormalität, nur weil das Internet eine schier unerschöpfliche Möglichkeit an Präsenz bietet, ohne dass jemand hier die Bremse tritt ? Wo liegt die Grenze zwischen harmlosen Späßen, Normalisierung und Missbrauch ? Es sind so viele Fragen, die auftauchen, aber nicht wirklich beantwortet werden.
Obwohl das Buch mit 410 Seiten unglaubliche viele Möglichkeiten der Interpretation bietet, wird vieles nur angerissen und nicht wirklich vertieft. Dafür bekommen manche Themen einen übergroßen Spielraum eingeräumt, die man ruhig hätte straffen können.
Eines steht aber fest: Die Verballhornung und Normalisierung dieses brisanten Themas bietet unglaublich viel Diskussionsstoff und regt zum Nachdenken an.
Das Buch bietet unglaublich viele gute Ansätze, kann in weiten Teilen mit akribischer Recherche beeindrucken, aber da viele Fragen offen bleiben, kann es mich nicht so ganz überzeugen - daher 3 Sternchen.