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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.04.2021

Fesselnd bis zur letzten Seite

Der Fall des Grazer Königs
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In seinem siebten Fall läuft Chefinspektor Armin Trost wieder zur Höchstform auf. Nach wie vor vom Dienst frei gestellt und schwer traumatisiert, wird er gemeinsam mit seinem Kollegen Schulmeister anlässlich ...

In seinem siebten Fall läuft Chefinspektor Armin Trost wieder zur Höchstform auf. Nach wie vor vom Dienst frei gestellt und schwer traumatisiert, wird er gemeinsam mit seinem Kollegen Schulmeister anlässlich eines mysteriösen Mordes an einem ehemaligen Richter mit einer antiken Pfeilspitze wieder in den Dienst gestellt. Doch bevor noch das Rätsel der Pfeilspitze gelöst ist, wird die Ehefrau des Richters, eine Lokalpolitikerin, mit einem, ebenfalls historischen, Dolch erstochen. Hat sie doch recht gehabt, dass ihr Mann nur ein Zufallsopfer war?

Welche Rolle spielt die Archäologin, die im Kaiserwald nach den Überresten einer Schlacht Römer gegen Germanen sucht und die Ermittler wegen der antiken Pfeilspitze zurate ziehen? Und was hat es mit den militanten Gegner des Autobahnausbaues auf sich? Wollen die wirklich die Natur und die Menschen vor noch mehr Verkehr schützen oder verbirgt sich hinter den Krawallen etwas anderes.

Fragen über Fragen, die nur Armin Trost mit seinem untrüglichen Gespür für das Böse und das Übersinnliche beantworten kann. In seiner üblichen Art löst er den komplexen Fall, ungeachtet diverser Kollateralschäden wie seine eigene Gesundheit.

Meine Meinung:

Robert Preis gelingt es immer wieder, seine Krimis von der ersten bis zur letzten Seite fesselnd zu erzählen. Diesmal haben zusätzlich zu Armin Trosts lädierter Gemütsverfassung auch die archäologischen Aspekte des Krimis mein Interessen geweckt. Grundlage ist die Schlacht von Noreia um 113 v. Chr., die grundsätzlich einmal belegt ist, aber die Stelle an der sich die beiden Heere gegenübergestanden sind und sich die Köpfe eingeschlagen haben, ist bislang noch nicht gefunden. Dazu können wir im Anhang eine Zeittafel und Anmerkungen lesen. Die Schlacht von Noreia klingt ein wenig wie die kleine Schwester der Varus-Schlacht (9 n.Chr.). Nur da ist man schon ein wenig weiter und glaubt in der Region Kalkriese (Osnabrücker Land) den Schauplatz gefunden zu haben.
Echt gut gelungen ist, wie Robert Preis seine Leser durch Armin Trost an der Nase herumführen lässt. Manchmal wirkt er ziemlich manipulativ. Diesmal wird auch das Rätsel um das Verschwinden (und Wiederauftauchen) seiner Familie gelöst. Zwischen Armin und Anette knistert es genauso wie zwischen Schulmeister und Alexia Morgentau, der Archäologin.

Wie wir es von Robert Preis gewöhnt sind, gibt es mystische Passagen, in denen der Leser nicht genau weiß, ob sie nur in Trosts Kopf ablaufen oder doch stattfinden. Die feinen Sensoren des Chefinspektors nehmen das Böse und Mystische deutlich war. Ob das seine Ermittlungserfolge ausmacht? Gut gefällt mir, dass Balthasar Gierack, Trosts Chef, trotz aller Abneigung seinem Mitarbeiter gegenüber, das Essenzielle, nämlich das Aufklären der Morde, in den Vordergrund stellt und mehrmals sich schützend vor seine Ermittler stellt. Häufig haben wir es in Krimis ja mit unfähigen, unwilligen oder karrieregeilen Vorgesetzten zu tun. Nicht, dass Gierack selbst pflegeleicht wäre, aber im Ernstfall halten er und seine Truppe zusammen.

Bin schon gespannt, was Armin Trosts Beförderung zum Sonderermittler des Innenministeriums für Auswirkungen auf ihn, seine Familie und uns Leser hat.

Fazit:

Wer einen fesselnden Krimi, bei dem wenig so ist, wie es scheint, lesen möchte, ist hier richtig. Um sich in den Charakter von Armin Trost einfühlen zu können, ist es allerdings ratsam, bei Band 1 anzufangen, denn er ist von seinem Leben als Ermittler gezeichnet. Gerne gebe ich hier eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

Veröffentlicht am 03.04.2021

Aufwühlend und macht wütend

Unorthodox
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Dieses Buch ist schon mehrere Jahre ungelesen im Regal gestanden. Warum, weiß ich nicht mehr so genau. Was ich aber weiß, ist, dass es mich ziemlich wütend macht. Wütend auf die verbohrten, engstirnigen ...

Dieses Buch ist schon mehrere Jahre ungelesen im Regal gestanden. Warum, weiß ich nicht mehr so genau. Was ich aber weiß, ist, dass es mich ziemlich wütend macht. Wütend auf die verbohrten, engstirnigen und fanatischen Vertreter des Glaubens und der Traditionen, die es hinnehmen, dass einzelne Personen (in diesem Fall der bzw. die Rabbi(s), diktatorisch in das Leben einmischen. Dabei sind hier Männer wie Frauen, die die Regeln nicht hinterfragen und sich willenlos unterwerfen. Und falls der eine oder andere doch nachzudenken beginnt, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird.

Dieses Buch handelt von der jungen Deborah, die bei ihren streng gläubigen Großeltern aufwächst. Warum, das erfährt der Leser im Laufe der Geschichte. Wir erhalten Einblick in den Alltag der orthodoxen chassidischen Juden, die selbst in der allgemeinen jüdischen Gesellschaft als Sekte gelten. So lehnen die Chassiden den Staat Israel ab, weil er zu säkular ist. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was in Israel passiert (vor allem nicht mit der Politik im Umgang mit den Palästinensern). Für sie ist das „Gelobte Land“ nicht Israel, sondern eine ferne, unerreichbare Vision. Ferner sieht man die Shoa als Strafe Gottes für begangene Sünden und nicht als Verbrechen des NS-Regimes. Diese Meinung ist Wasser auf die Mühlen der Nazis und Holocaust-Leugner!

Doch zurück zum Buch: Die junge Deborah wird, wie auch heute noch üblich, mit einem jungen Mann verheiratet. Beide haben keine Ahnung, was sie in der Hochzeitsnacht erwartet, weil es in dieser Gesellschaft nicht üblich ist, seine Kinder aufzuklären. Das Einzige, was sie eingetrichtert bekommen, sind die Regeln, wann die Frauen für die Männer tabu sind und wann sie fruchtbar sind und sich vermehren können. So ist die Hochzeitsnacht natürlich ein Desaster und Deborah wird dafür verantwortlich gemacht.

Auch der Alltag ist nicht so, wie sich Deborah das vorgestellt hat. Anstatt, wie versprochen Bücher (abseits von frommen Schriften) lesen zu dürfen, werden ihr alle weggenommen. Langsam beginnt Deborah aufzubegehren. Sie sucht Verbündete, doch die sind rar, denn selbst ihre beste Freundin aus Kindheit und Jugend, hat nach der Heirat eine Kehrtwendung vollzogen und bekommt ein Kind nach dem anderen.

Als Deborah selbst einen Sohn bekommt, ist es für sie an der Zeit sich aus der Unterdrückung zu befreien.

Meine Meinung:

Deborah Feldman führt uns bis an die Grenzen des Erträglichen, wenn sie von der strikten Unterwerfung unter die strengen Lebensgesetze erzählt, von Ausgrenzung, Armut, von der Unterdrückung der Frau, von ihrer Zwangsehe. Und von der alltäglichen Angst, bei Verbotenem entdeckt und bestraft zu werden. Sie erzählt, wie sie den beispiellosen Mut und die ungeheure Kraft zum Verlassen der Gemeinde findet – um ihrem Sohn ein Leben in Freiheit zu ermöglichen. Allein die Sitte, verheirateten Frauen die Kopfhaare, abzurasieren oder strengen Bekleidungsvorschriften haben in mir Zorn aufsteigen lassen.

Es wird ein unglaubliches Theater um die Periode der Frau gemacht, da sie in der Zeit und danach als unrein gilt. Anschließend muss ein Rabbi tagelang weiße Tücher kontrollieren, ob kein Blut mehr zu sehen ist. Auch der Besuch der Mikwe, das rituelle Bad, wird detailliert geschildert. Erst nach dieser Prozedur, von Badefrauen gewaschen zu werden, intim berührt zu werden und auch psychologisch unter Druck gesetzt zu werden, wenn sich noch keine Schwangerschaft eingestellt hat, sind die Frauen wieder „rein“ und für ihre Ehemänner „bereit“. Dies wird von der Autorin als Eingriff in ihre Integrität empfunden.

Diese ultraorthodoxen Juden leben in einer Parallelwelt. Doch das scheint in der Gesellschaft kaum bekannt zu sein. Denn wenn die Bezeichnung „Parallelwelt“ gebraucht wird, denkt jede(r) nur an Muslime, die ihre Frauen einsperren, in die Burka zwingen und das Lernen verbieten. In der chassidischen Welt passiert genau das. Es scheint, als würde diese Unterdrückung von Mädchen und Frauen von der Weltöffentlichkeit geduldet, um nicht des Antisemitismus verdächtigt zu werden.

Natürlich stellt die Gruppe der ultraorthodoxen Juden nicht die Mehrheit und es gibt viel hochgebildete Frauen, dennoch macht die hautnahe Schilderung des eingeschränkten Lebens wütend und betroffen.

Gut gefällt mir das Wortspiel mit dem Buchtitel. Als „unorthodox“ bezeichnet man lt. Duden das „Unkonventionelle“, das „Eigenwillige“ oder das „Ungewöhnlich“, während „orthodox“ die Bezeichnung für „strenggläubig“ bzw. für „starr“ oder „unnachgiebig“ und im übertragenen Sinn für rückständig gilt.


Fazit:

Ein wichtiges Buch, das aufwühlt, wütend mach und einen Einblick in eine völlig unbekannte Lebenswelt bietet. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 03.04.2021

Fesselnd bis zur letzten Seite

Mordsand
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Auch in ihrem vierten Krimi rund um Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn von der Kriminalpolizei Itzehoe sorgt Autorin Romy Fölck für Spannung von der ersten bis zur letzten Seite.

Ein junges Paar entdeckt ...

Auch in ihrem vierten Krimi rund um Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn von der Kriminalpolizei Itzehoe sorgt Autorin Romy Fölck für Spannung von der ersten bis zur letzten Seite.

Ein junges Paar entdeckt auf der kleinen Insel Bargsand einen Totenschädel, der wie man wenig später zu einem 30 Jahre alten Skelett gehört, das sitzend aufgefunden wird. Zunächst deutet nichts auf Fremdverschulden hin, was sich spätestens bei der nächsten Leiche, die kurz darauf in ähnlicher Stellung gefunden wird, relativiert. Diesmal weiß man allerdings sofort, wer der gefesselt eingegrabene Tote ist. Es ist ein Baulöwe, der durch seine skrupellose Art mehr Feinde als Freund hatte.

Noch kann niemand einen Zusammenhang zwischen den beiden Toten herstellen. Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn tappen im Dunkeln. Die Spuren führen in die Jugendwerkhöfe der ehemaligen DDR und zu vier Jungen, die das Schicksal für immer auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden hat.

Meine Meinung:

Romy Fölck ist wieder eine tolle Fortsetzung gelungen. Besonders interessant sind die Schicksale der vier Jungs, die in den Jugendwerkhöfen zu angepassten Bürgern erzogen werden sollten. Doch statt Fürsorge erleben die Jungen Terror und Sadismus, der auch innerhalb ihrer Gruppe gelebt wird. Puh, ganz schön heftig!

Gut gefällt mir, dass die Krimihandlung und die privaten Seiten der Ermittler ausgewogen sind. Die Leser erfahren einiges aus dem Privatleben von Frida und ihren Eltern. Z.B. wie sie mit Mühe den Bauernhof ihrer Eltern vor dem Bankrott gerettet hat oder von Bjarne und seiner kranken Tochter. Auch das zarte Pflänzchen der Zuneigung zwischen dem Rechtsmediziner Thorsten und Frida ist elegant in die Handlung eingewoben. Die kratzbürstige Frida hat auch ihre empfindliche Seite. Sie kann sich gut in andere hineinversetzen und so findet auch ein ausgerissenes Mädchen Unterschlupf bei den Eltern auf dem Hof. Alle diese Nebenhandlungen sind perfekt in die Krimihandlung eingebettet und tragen zum Fortgang zu den Ermittlungen bei und sind nicht nur Beiwerk.

Das eine oder andere Mal habe ich mich fast auf den Holzweg führen lassen, denn zum einem hätte die eine oder andere Figur hätte wohl das Potenzial zum Täter gehabt, und zum anderen hat die Autorin recht geschickt Fallstricke und Sackgassen in die Story eingebaut.

Fazit:

Wieder eine gelungene Fortsetzung, die durch penible Recherche zu einem unrühmlichen Teil der DDR-Geschichte positiv auffällt. Aufgrund des wohldosierten Lokalkolorits und dem fesselnden Schreibstil, kann ich gerne 5 Stern vergeben.

Veröffentlicht am 03.04.2021

Fesselnd bis zur letzten Seite

Finstere Havel
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Krimiautor Tim Pieper lässt seinen KHK Toni Sanftleben nun zum 5. Mal ermitteln. Gemeinsam mit seinem Team, dem u.a. Phong und Gesa angehören, muss er den unklaren Todesfall einer jungen Frau aufklären, ...

Krimiautor Tim Pieper lässt seinen KHK Toni Sanftleben nun zum 5. Mal ermitteln. Gemeinsam mit seinem Team, dem u.a. Phong und Gesa angehören, muss er den unklaren Todesfall einer jungen Frau aufklären, die in ihrem Auto sitzend aus der Havel geborgen wird. Unfall, Suizid oder doch Mord?

Bei den Recherchen zu Melanie fallen gleich ein paar Ungereimtheiten auf. Der Ex-Ehemann, der nicht kapieren will, dass die gemeinsame Zeit vorbei ist und sich mit Melanie einen Rosenkrieg um die Tochter liefert, der übergriffige Chef und der gewalttätige Nachbar, der Melanie mit Hasspostings eindeckt. Hinzu kommt, dass Melanie durch ihre Hypersensibilität ein wenig verschroben wirkt und ähnlich wie Autisten, Menschen eher meidet.

Zwischen dem polizeilichen Alltag erhalten wir im Rückblick Einblicke in Melanies Leben. Erst nach und nach enthüllt sich die gesamte Tragödie um die junge Frau.

Meine Meinung:

Tim Pieper ist wieder ein großartiger Krimi gelungen, der nicht nur durch den komplexen Plot und die authentisch beschriebenen Charaktere besticht, sondern auch durch die wunderbaren Landschaftsbeschreibungen. So konnte ich mich wieder an meinen Ausflug auf den Potsdamer Telegrafenberg erinnern, den ich 2019 besucht habe, und habe mich gleich wieder zwischen Einstein- und Helmert-Turm zurechtgefunden. Für Nicht-Ortskundige ist das Renaturierungsprojekt der Havel ein interessantes Thema, das nachgelesen werden sollte. Es birgt jede Menge Konflikte, die vermutlich für mehrere Krimis reichen würden.

Der Krimi ist niemals langweilig. Tim Pieper nimmt uns auf eine polizeiliche Ermittlung mit, bei der anfangs nicht klar, was ihn (und die Leser) erwartet. Für gewiefte Krimileser ist Selbstmord oder Unfall natürlich keine Option. Nur, wer war’s? Gemeinsam mit Toni Sanftleben und seinem Team begeben wir uns auf Spurensuche und müssen die eine oder andere Sackgasse hinnehmen. Dabei müssen wir erkennen, das hinter mancher biederer Fassade der Wolf im Schafspelz steckt.

Fazit:

Wer einen penibel recherchierten, sprachlich und stilistisch gut geschriebenen Krimi lesen will, der durch seinen komplexen Plot fesselt, ist hier richtig. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 03.04.2021

Regt zum Nachdenken an

Wir
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„Das WIR gibt es nicht“ - mit diesen provokanten Worten beginnt Judith Kohlenbergers Buch.

Dieses Pronomen führt uns vor Augen, wie schnell es abgrenzt. Das WIR im Gegensatz zu den anderen. Das WIR als ...

„Das WIR gibt es nicht“ - mit diesen provokanten Worten beginnt Judith Kohlenbergers Buch.

Dieses Pronomen führt uns vor Augen, wie schnell es abgrenzt. Das WIR im Gegensatz zu den anderen. Das WIR als eingeschworene Gemeinschaft, die keine Durchlässigkeit duldet. Daher muss das WIR immer im Kontext betrachtet werden.

Sprachlich ausgefeilt und mitreißend zeigt Kohlenberger die Herausforderungen, Probleme und Chancen, die sich aus dem WIR ergeben.

Fazit:

Dieser Essay "Wir" ist eine inspirierende Lektüre, die, ohne belehrenden Finger, zum Nachdenken anregt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.