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Veröffentlicht am 28.04.2021

Unschuldig aus dem Knast

Meier
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Zehn Jahre musste Meier absitzen. Im Knast. Unschuldig. Bekommen hat er zwölf. Im Knast hört er zu. Und lernt. Lernt, was er nicht kann. Können will. Für später. Für jetzt. Denn jetzt kommt er raus. Und ...

Zehn Jahre musste Meier absitzen. Im Knast. Unschuldig. Bekommen hat er zwölf. Im Knast hört er zu. Und lernt. Lernt, was er nicht kann. Können will. Für später. Für jetzt. Denn jetzt kommt er raus. Und will sich rächen. An denen, die ihn reingebracht haben. Denn Meier ist unschuldig. War er immer schon. Jetzt die Freiheit. Los gehts. Das Leben. Aber die Freiheit ist schwieriger zu meistern als gedacht. Und das ist unterhaltsam. Unterhaltsamer sogar, als ihr euch vorstellen könnt.

Man kann oben schon wahrscheinlich herauslesen, wie begeistert ich vom Schreibstil bin. Was Tommie Goerz da vorgelegt hat, hat mich mitgenommen, mich begeistert, mich so unfassbar gut unterhalten, dass ich lediglich darüber meckern will, dass es viel zu kurz war.

Meier ist wortkarg, ein Einzelgänger. Er ist klug und schlau, hat studiert. Als er aufgrund eines Indizienprozesses unschuldig verurteilt wird, hilft ihm das aber nicht. Im Knast tut er alles, um nicht aufzufallen. Aber er lernt dazu und will dieses Wissen dazu benutzen, diejenigen, die Schuld daran tragen, dass er im Knast gelandet ist, ausfindig zu machen und zu bestrafen.

In kurzen , fast schon spärlichen Sätzen, manchmal nur einzelnen Worten, schildert der Autor, wie Meier vorgeht. Das ist so unglaublich genial und spannend, das ist wahnsinnig raffiniert. Trotz der geringen Seitenzahl ist alles erzählt, kein Wort zu viel. Und ich habe das Gefühl, Wochen mit Meier verbracht zu haben. Ich mag ihn, den Meier. Ich würde ihn gerne wieder treffen. Irgendwann. Denn für mich ist seine Geschichte noch nicht auserzählt.

Von mir gibt es 5 Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 16.04.2021

Kriminalroman erfrischend anders

Kalmann
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Kalmann ist anders. Sagt er selbst, weiß er selbst und alle anderen im Dorf wissen das auch. Er ist 33 und Isländer, obwohl sein Vater Amerikaner war. Kalmann trägt einen Cowboyhut und einen Sheriffstern, ...

Kalmann ist anders. Sagt er selbst, weiß er selbst und alle anderen im Dorf wissen das auch. Er ist 33 und Isländer, obwohl sein Vater Amerikaner war. Kalmann trägt einen Cowboyhut und einen Sheriffstern, außerdem einen Pistolengürtel um die Hüfte mit einer Pistole drin, denn Kalmann ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn. Im Ernst. Und auch wieder nicht.

„Denn es war noch nie richtig vorwärtsgegangen mit mir. Man vermutete, dass die Räder in meinem Kopf rückwärtslaufen. Kam vor. Oder dass ich auf der Stufe eines Erstklässlers stehengeblieben sei. Ist doch mir egal.“ (Seite 11)

Seit sein Großvater, bei dem er aufgewachsen ist, im Pflegeheim ist, lebt Kalmann allein. Das funktioniert auch gut, Kalmann ist sich selbst genug. Als er eines Tages auf der Jagd eine große Blutlache findet, ist ihm sofort klar, dass etwas passiert sein muss. Nachdem er dies gemeldet hat, ist sein beschauliches Leben im Dorf erstmal vorbei. Der fast ausgestorbene Küstenort wird zum Schauplatz von Ermittlungen und von Polizei sowie zahlreichen Journalisten überschwemmt. Und was hat eigentlich die litauische Mafia mit der ganzen Sache zu tun?

Kalmann selbst ist es, der berichtet. Er erzählt uns, wer er ist und wie sein Leben normalerweise verläuft, klärt uns darüber auf, wie es so in seinem Dorf läuft für ihn, der so anders als seine Bewohner, aber trotzdem in vielem gleich ist. Das ist unglaublich skurril und lustig, ohne dabei ins lächerliche zu rutschen. Wie Joachim B. Schmidt es geschafft hat, den Charakter zu zeichnen, ihm trotz seines Handicaps seine Würde zu lassen, ist grandios! Die Story selbst ist total abgedreht, was durch die Erzählweise verstärkt wird, denn Kalmann hat eine ganz eigene Sicht auf die Dinge und diese teilt er uns durchgehend mit. Welche Wendung die Geschichte letztendlich nimmt, habe ich so überhaupt nicht kommen sehen. Meine Vermutung war so weit von der tatsächlich Lösung entfernt wie der Nordpol von Köln.

Dieses Buch hat mich begeistert, ich wollte Kalmann ungerne gehen lassen. Er ist nicht immer einfach, der Kalmann, aber ich habe ihn wirklich ins Herz geschlossen. Hoffentlich wartet irgendwo noch ein weiteres Abenteuer auf ihn, ich wäre sehr gerne dabei! Von mir gibt es 5 Sterne und eine unbedingte (!) Leseempfehlung. Lernt Kalmann kennen, ihr werdet ihn lieben. Mit Sicherheit!

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Veröffentlicht am 12.04.2021

Liebe und Leid liegen nah beieinander

Marianengraben
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Paula liebt ihren Bruder über alles. Sie ist überzeugt davon, dass er sie zu einem besseren Menschen macht. Paula ist eher menschenscheu, ihr kleiner Bruder Tim das genaue Gegenteil von ihr. Neugierig, ...

Paula liebt ihren Bruder über alles. Sie ist überzeugt davon, dass er sie zu einem besseren Menschen macht. Paula ist eher menschenscheu, ihr kleiner Bruder Tim das genaue Gegenteil von ihr. Neugierig, aufgeweckt und überaus wissbegierig ist Tim. Er liebt alle Tiere, besonders aber das Meer und die Meeresbewohner, da trifft es sich gut, dass die große Schwester Biologin ist und die Tiefsee erforschen will. Als ein schrecklicher Unfall passiert, erfährt Paula am Telefon davon. Danach ist nichts mehr so, wie es vorher war.

„An meinem Kühlschrank hängt bis heute ein Graph, auf dem man sieht, wie ein menschliches Herz zerbricht.“ (Seite 20)

Paula wird mit dem Tod ihres Bruders nicht fertig. Sie zieht sich zurück, wird depressiv, verzweifelt am Leben. Als sie bei einem nächtlichen Besuch auf dem Friedhof Helmut, einen über 80jährigen, schrulligen alten Herren trifft, ist dies der Beginn eines außergewöhnlichen Trips, der beider Leben, insbesondere aber das von Paula, verändert.

Paula wendet sich in diesem Buch nicht an uns, sondern an Tim, ihren Bruder. Während sie ihre abenteuerliche Reise mit Helmut schildert, erinnert sie sich an Situationen mit ihm, an seine Fragen, seine Ängste, seine Eigenheiten. Dieses Buch handelt vom Sterben und vom Neuanfang. Vom Leben und vom Tod. Es ist traurig, es ist herzzerreißend, gleichzeitig aber auch lustig und erfrischend. Diesen Spagat zu schaffen, ist eine Kunst, und diese beherrscht Jasmin Schreiber wunderbar.

Lange habe ich mich gesträubt, dieses Buch zu lesen. Ich hatte Angst, dass es mich zu traurig macht. Meine beste Freundin hat mir vor vielen Jahren gesagt, solange ich keinen echten Verlust erleiden würde, wüsste ich gar nicht, was Trauer ist. Sie war sehr klug, meine Freundin, und sie war in ihrem Leben auf viel zu vielen Beerdigungen. Ich nicht. Als sie selbst vor ein paar Jahren unerwartet und viel zu jung aus dem Leben gerissen wurde, verstand ich, was sie meint. Auf grausame Weise wurde mir klargemacht, was es heißt, einen geliebten Menschen zu verlieren. Ich konnte monatelang nicht über sie sprechen, ohne in Tränen auszubrechen. Das ist heute, viele Jahre später, manchmal immer noch so. Sie fehlt mir.

Dieses kleine Buch ließ mich schmunzeln, weinen und lachen. Manche Sätze hätte ich mir am liebsten angestrichen, ausgedruckt und aufgehängt. Die beiden Charaktere sind so wunderbar, so außergewöhnlich gut gezeichnet, dass ich mir gewünscht hätte, die Reise dauert länger. Von mir gibt es 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Triggerwarnung: Tod, Depression, suizidale Gedanken.

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Veröffentlicht am 08.04.2021

Recht, Gesetz, Schuld und Gewissen

Die Wahrheit der Dinge
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Strafprozess. Richter. Staatsanwalt. Verteidiger. Angeklagter. Nebenklägerin. Letzter Prozesstag. Der Angeklagte hat das letzte Wort, bevor das Urteil gesprochen wird. Plötzlich zieht die Nebenklägerin ...

Strafprozess. Richter. Staatsanwalt. Verteidiger. Angeklagter. Nebenklägerin. Letzter Prozesstag. Der Angeklagte hat das letzte Wort, bevor das Urteil gesprochen wird. Plötzlich zieht die Nebenklägerin eine Waffe aus ihrer Tasche und erschießt den Angeklagten. Feuert acht Projektile auf ihn ab. Richtet ihn regelrecht hin. Danach lässt sie sich widerstandslos festnehmen. Warum? Als Jahre später Frank Petersen, der Strafrichter von damals, in seinem Leben vor einem Scherbenhaufen steht, muss er sich damit auseinandersetzen, wo Schuld beginnt und Gerechtigkeit endet. Vor allem aber muss er sich die Frage stellen, ob er weiß, wo die Wahrheit liegt.

In Zeitsprüngen zwischen jetzt und damals entfaltet sich die Geschichte langsam mit großer Wucht. Nach dem dramatischen Vorfall im Gerichtssaal erfahren wir nicht sofort, warum der Angeklagte erschossen wurde und was danach passiert ist. In Rückblenden schildert Markus Thiele uns das Leben der Nebenklägerin, zu deren Figur er vom Rechtsfall Marianne Bachmeier inspiriert worden ist. Gleichzeitig folgen wir im hier und jetzt Frank Petersen, der sich von seiner Frau vorwerfen lassen muss, er sei selbstherrlich und voller Vorurteile, bevor sie ihn verlässt. Frank Petersen sieht seine Integrität als Richter und Ehemann in Frage gestellt.

Worte wie Messer, Sätze wie Fallbeile, eine Sprache, die mich begeistert hat. Ganz fein zeichnet der Autor die Charaktere, deren Zerrissenheit, die Angst und die Wut. Es geht um Vorurteile, Fremdenhass und Selbstjustiz; die Grenzen von Recht und Schuld verwischen, die Suche nach der Wahrheit ist keine einfache.

„Er wollte sich erklären, doch ihm fehlten die Worte. Aus der Unzahl der Wörter und Sätze, die wie ein verknotetes Wollknäuel in seinem Kopf hingen, konnte er keinen klaren Gedanken stricken.“ (Seite 186)

Inspiriert von zwei der spektakulärsten Rechtsfälle der Nachkriegszeit, dem Fall Marianne Bachmeier und dem Fall Amadeu Antonio Kiowa, verbindet Markus Thiele Fiktion und Realität auf wunderbare Weise und schenkt uns ein spannendes und interessantes Werk, das aktueller nicht sein könnte. Danke dafür.

Vor lauter Begeisterung hätte ich fast vergessen, mein Fazit aufzuschreiben. Ich vergebe 5 Sterne mit Sternchen und eine unbedingte Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 03.04.2021

Das Ganze hier ist wohl eine Horrorstory

Später
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Jamie ist zweiundzwanzig und erzählt uns seine Geschichte. Die Geschichte darüber, wie es ist, dass er tote Menschen sehen kann.

„Das war schon immer so, soweit ich mich erinnern kann. Allerdings ist ...

Jamie ist zweiundzwanzig und erzählt uns seine Geschichte. Die Geschichte darüber, wie es ist, dass er tote Menschen sehen kann.

„Das war schon immer so, soweit ich mich erinnern kann. Allerdings ist es nicht so wie in dem einen Film mit Bruce Willis. Manchmal ist es einfach nur interessant, manchmal eher beängstigend...“ (Seite 20)

Jamie kann die Geister von Verstorbenen sehen und diese müssen alle seine Fragen wahrheitsgemäß beantworten. Dass dies gerade für ein Kind äußerst beängstigend sein kann, kann sich wohl jeder vorstellen. Nicht jeder Tote stirbt friedlich in seinem Bett und die Geister sind ein Ebenbild ihrer Leiche. Wie schon in dem Klappentext steht, ist „das Ganze hier (...) wohl eine Horrorstory“.

Nachdem mich das letzte Buch des Autors enttäuscht hat, war ich diesmal ohne große Erwartungen. Und bei 304 Seiten erwartete ich eher eine Kurzgeschichte, als eine spannende Story. Wie habe ich mich getäuscht! Der Meister ist zurück, hoch lebe der Meister! Geister, unerklärliche Phänomene und ein Kind mittendrin. Einmal angefangen, habe ich das Buch in einem Rutsch ausgelesen. Einziger Kritikpunkt: ich fand es viel zu kurz! Es hätte gut und gerne doppelt so lang sein dürfen. Von mir gibt es 5 Sterne und eine große Vorfreude auf das nächste Werk, das im August dieses Jahres erscheinen soll. Diesmal mit angenehmen 720 Seiten. Juhu und Hurra, das wird ein Fest!

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