Man kann alles schaffen!
Was würden Sie sagen, wenn Ihnen eine neunzigjährige Frau erzählen würde, dass sie mit ihrem Papagei die Berge überwinden will, um einen alten Freund wiederzusehen? Das gibt’s doch nicht und das klappt ...
Was würden Sie sagen, wenn Ihnen eine neunzigjährige Frau erzählen würde, dass sie mit ihrem Papagei die Berge überwinden will, um einen alten Freund wiederzusehen? Das gibt’s doch nicht und das klappt niemals! So oder so ähnlich würden wahrscheinlich die allermeisten Menschen reagieren. Doch genau um eine solche Reise und deren Hintergründe geht es in dem Roman „als wir uns die Welt versprachen“ von Romina Casagrande.
Edna und ihr Papagei Emil leben im beschaulichen Örtchen Castelbello ihr ruhiges Leben im eigenen Häuschen und mit dem eigenen Blumengarten. Regelmäßigen Besuch bekommen die beiden von Adele, die im gleichen Ort lebt, und mit Edna schon lange Jahre befreundet ist, obwohl Adele um einiges jünger ist. Doch Adele besucht die beiden nicht nur, sondern geht ihnen auch mit den Besorgungen zur Hand – hat sie doch ihren eigenen kleinen Lebensmittelladen – und bringt Edna dabei regelmäßig die Zeitschrift „Stern“ mit. So ist es auch zu Beginn dieser Geschichte, nur, dass Edna in dieser Ausgabe ihren alten Freund Jacob wiederentdeckt, und wild entschlossen ist, ihn wiederzutreffen. Und so beginnt Ednas aufregende Reise.
Die Reise soll Edna von Castelbello nach Ravensburg führen – genau den gleichen Weg über die Berge, den Edna damals schon als kleines Mädchen gemacht hat. Denn Edna war ein Schwabenkind und wurde damals von ihren Eltern auf den Weg nach Deutschland geschickt, um dort auf einem Hof Geld zu verdienen und zu arbeiten. Ihr Leben unter härtesten Bedingungen, mit viel Leid und noch mehr harter Arbeit konnte sie damals nur mit ihrem Freund Jacob durchstehen. Jedoch haben sich ihre Wege damals auf der Flucht weg von diesem schrecklichen Hof getrennt. Nun aber hat Edna durch den Zeitschriften-Artikel einen Anhaltspunkt, wie sie Jacob wiederfinden kann und macht sich auf die beschwerliche Reise, wobei sie allen Zweiflern trotzt und über ihre Grenzen hinauswächst.
Während dieser Reise erfährt der Leser nicht nur viel über die liebenswürdige Edna, die sich ihre positive, kindliche Sicht auf die Dinge bewahrt hat, sondern auch über deren Vergangenheit und wie es den Schwabenkindern damals ergangen ist. Unterstützung erhält die alte Edna von den unterschiedlichsten Menschen, denen sie auf der Alpenüberquerung begegnet und die nicht weniger skurril sind als sie selbst. Manche von ihnen wirken sogar auf Edna etwas merkwürdig, doch obwohl Edna durchaus auch Vorurteile verspürt, tritt sie allen offen gegenüber und als Leser gewinnt man den Eindruck, dass es sich lohnt, etwas mehr wie Edna zu sein: Mutig und weltoffen. Die Charaktere sind dabei von Romina Casagrande tiefgründig und facettenreich beschrieben und man ertappt sich nicht selten dabei, dass man seine Vorurteile nach dem Kennenlernen der Personen selbst über Bord wirft. Die Geschichte regt zum Schmunzeln an, ist luftig-leicht und doch im nächsten Moment auch wieder sehr emotional und beklemmend. Mich hat Ednas Reise auf jeden Fall sehr gepackt und auch mit etwas Abstand zum Buch denke ich noch oft darüber nach.
Wer gerne Romane mit historischen Elementen liest, sollte diese gefühlvolle Reise von Edna nicht verpassen. Außerdem ist das Schicksal der Schwabenkinder so erschreckend, dass man ihm Gehör verschaffen muss und das schafft dieser Roman auf eine sehr berührende Art und Weise!