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Veröffentlicht am 21.03.2017

Strom

Strom
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Über die Autorin

Hannah Dübgen wurde 1977 geboren. Sie studierte Philosophie, Literatur- und Musikwissenschaft in Oxford, Paris und Berlin. Sie arbeitete für Theater und Oper, schrieb das Schauspiel ...

Über die Autorin

Hannah Dübgen wurde 1977 geboren. Sie studierte Philosophie, Literatur- und Musikwissenschaft in Oxford, Paris und Berlin. Sie arbeitete für Theater und Oper, schrieb das Schauspiel ›Gegenlicht‹ und die Libretti für mehrere Opern, u.a. ›Matsukaze‹ in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Toshio Hosokawa. ›Strom‹ ist ihr erster Roman.

Zum Inhalt:

"Vier Menschen in vier Ländern: Ada aus Berlin hat mit ihrer Freundin Judith einen Dokumentarfilm über das Leben im Gazastreifen gedreht. Judith aber stirbt kurz nach Fertigstellung des Films. Die junge japanische Pianistin Makiko ist nach Paris gezogen und gibt in ganz Europa Konzerte. Als sie erfährt, dass sie ein Kind erwartet, ist sie schockiert. Jason arbeitet für eine amerikanische Investmentfirma. In Tokio soll er den Kauf eines japanischen Traditionsunternehmens organisieren. Der Zoologe Luiz, der in Brasilien aufwuchs, lebt mit seiner jüdischen Frau und den zwei gemeinsamen Kindern in Tel Aviv, will aber weg aus Israel, weil er den politischen Wahnsinn im Land nicht mehr erträgt. Ein Roman in vier miteinander verwobenen Geschichten. Über unsere Gegenwart, über Menschen, die zwischen Kulturen wandeln. Sie alle lieben, trauern, arbeiten, kämpfen wach und voller Sehnsucht um ihr Leben, ihre Zukunft. Hannah Dübgen erzählt bewegend und mit immenser Kraft von Nähe und Ferne, von Fremde, von alten und neuen Grenzen, von dem Strom, der unsere Zeit ist."



Mein Fazit:

"Strom" ist ein Buch über das Leben in einer globalisierten Welt. Wird nicht genau das heute gefordert - Auslandserfahrung, Praktika, Weltbürgertum ?

Die Autorin beschreibt, dass wir eigentlich alle irgendwo "Ausländer" sind; zugleich zeigt sie auf, dass nationale Zuschreibungen in Zeiten der weltweiten Vernetzung eigentlich redundant geworden sind. Mittels einer präzisen, fast nüchternen Sprache treibt sie ihre Geschichte voran und verzichtet dabei auf Exotismusklischees und Kitsch.

Jeder, der sich mit Interkulturalität und Kosmopolitismus beschäftigt, gar selbst glaubt, eine hybride Identität zu besitzen, kommt an "Strom" nicht vorbei.

Veröffentlicht am 21.03.2017

It's a man's world

Inventurdifferenz
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Mein Resümee:

Dieser Roman hat mich aus meinem Lesetrott gerissen. Sprachlich und stilistisch erste Sahne.

Man wird als Leser herausgefordert & zum Nachdenken angeregt.


Klappentext:

Marlies Wolf, ...

Mein Resümee:

Dieser Roman hat mich aus meinem Lesetrott gerissen. Sprachlich und stilistisch erste Sahne.

Man wird als Leser herausgefordert & zum Nachdenken angeregt.


Klappentext:

Marlies Wolf, wehrhafte Mitarbeiterin einer Security-Firma in Wien, möchte unbedingt im Personenschutz arbeiten, doch zunächst muss sie in einem Baumarkt nach Ladendieben jagen. Allein mit sich und ihrer Wut auf die Welt trifft sie zufällig ihre frühere Freundin Valerie wieder, um die sie und Alex, eine weitere Figur aus ihrer Kindheit, sich nun bemühen. Durch Alex wird Valerie in die Machenschaften von Mädchenhändlern verwickelt und fällt nach einer brutalen Attacke, bei der sie als Zeugin beseitigt werden soll, ins Koma. Außer sich vor Hass greift Marlies zur Selbstjustiz. Dieser Thriller aus Österreich erzählt die Geschichte einer Frau, die an ihre Grenzen geht - und darüber hinaus.

Einblick in den Text:

" ' Ich kenne mich ja mit der Universität nicht aus', sagte Dragica zu mir, 'aber ich weiß, dass es ein Fehler ist, aus Eigensinn alles hinzuwerfen'. Sie redete Hanna zu, sich die Sache zu überlegen. Doch Hanna blieb stur.

' Dann gehen Sie eben an eine andere Universität', sagte Dragica. Hanna lachte sie aus. Im akademischen Betrieb sei sie erledigt, sagte sie. Dafür sorgte das Netzwerk der alten Männer. [...]"

(S. 302)

Mein Fazit:

Ein starkes Stück Literatur.

Wirklich originell (obwohl man bei der Figur Marlies zuerst an Lisbeth Salander denkt), tiefsinnig und vor allem sprachlich grosse Klasse. Tolle Bilder und Metaphern, und die Austriazismen (Tschick, Trafik, Maturanten ...) machen das Ganze glaubwürdig und lebensnah.

Auch die Figuren bleiben nicht blaß - die Protagonistinnen Hanna und Marlies sind "rund" und gut ausgearbeitet, aber auch die Nebenfiguren (wie etwa Kneipenwirtin Dragica) konnten mich überzeugen.

Die message ist eine, die Gendergerechtigkeit einfordert, manche
Leser würden es wohl als "Feminismus" klassifizieren. Die männlichen Figuren im Roman sind zumeist negativ konnotiert.

Die Autorin zeigt dabei Mechanismen von Unterdrückung und Gewalt auf, die durch Marlies Wolf quasi personifiziert werden.
Leider ist sie durch ihre Vorgeschichte zur anti-sozialen Figur mutiert, die keinerlei Liebe erhält, die in Hanna so etwas wie ihre Mentorin erblickt.

Wer hier auf subtile Andeutungen hofft, der wird enttäuscht werden.
Konsequenterweise kommt es zum Gewaltexzess, was aber, wenn man der Geschichte folgt, nur eine logische Folge ist.

Das Spannungsniveau variiert, und ein "psychologischer Thriller mit Gänsehauteffekt" (Buchrücken) ist es nicht, da vieles offensichtlich und nicht verborgen ist.
Wer Angst vor einer feministischen Lehrschrift hat, der sei beruhigt - der Feminismus beschränkt sich auf Phrasen, Schlagworte, die bekannte Wahrhol - Attentäterin & Sartres Partnerin und schrammt zuweilen haarscharf am Klischee vorbei.

Über wirklich gute Bücher denkt man nach, man "reibt" sich am Gelesenen.

Die Farbe Orange steigt dabei in den Rang eines Leitmotivs auf, mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.

"Inventurdifferenz" ist sicher ein Roman, der polarisiert. Trotzdem (oder gerade deswegen) ist es ein absolut lesenswertes Buch.

Veröffentlicht am 21.03.2017

Freiheit, Pflicht und Identität

Hier bin ich
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In „HIER BIN ICH “ widmet sich Foer diversen Themen. Im Zentrum steht eine jüdische Familie, die in den USA lebt. Das Ehepaar Bloch hat drei Söhne, für einen steht die Bar Mitzwa an – der Tag der Übernahme ...

In „HIER BIN ICH “ widmet sich Foer diversen Themen. Im Zentrum steht eine jüdische Familie, die in den USA lebt. Das Ehepaar Bloch hat drei Söhne, für einen steht die Bar Mitzwa an – der Tag der Übernahme der Pflicht. Überhaupt kreist der Roman um Freiheit und Pflicht.

Das Ehepaar wird durch einen Betrug einer großen Belastungsprobe ausgesetzt. Die Kinder suchen ihr wahres Ich; übergeordnet dreht sich alles um Identität. Wie kann jüdisches Leben in der säkularen Welt aufrecht erhalten werden, wie rettet man die altehrwürdigen Traditionen in die (Post) Moderne? Wie gestaltet sich das Verhältnis der jüdischen Diaspora zum Mutterland Israel, und kann die israelische Frage überhaupt je ausgeblendet werden?

Foer exerziert diese existenziellen Fragen auch anhand einer fiktiven Katastrophe durch und entwirft ein teilweise erschreckendes Szenario.

„HIER BIN ICH“ ist ein Roman mit Tiefgang und eine eher anspruchsvolle Lektüre, aber ich habe das Buch gern gelesen, da bei aller Schwere auch Geistreiches vorhanden ist. Ein Schmöker für Zwischendurch ist dieses umfangreiche Buch sicher nicht. Es gibt gewisse Längen in der Erzählung, aber es lohnt sich, diesen Roman zu lesen! Der Stil ist eher gehoben und recht Dialoglastig, was vielleicht nicht jedermanns Sache ist.

Foer legt den Fokus auf innere Prozesse und Entwicklungen. Eine abwechslungsreiche, dynamische Handlung steht daher nicht im Vordergrund, man sollte also keinen „Actionkracher“ erwarten. Sehr gut gefielen mir die Bezüge zum Alten Testament und zur Bibel - bereits der Titel bezieht sich auf die Prüfung Abrahams durch Gott.



Fazit: „HIER BIN ICH“ ist ein anspruchsvolles, kluges Stück Literatur, welches man sich als Leser teilweise erarbeiten muss.

Aber es lohnt sich!

Für den Roman vergebe ich vier von insgesamt fünf möglichen Sternen.

Veröffentlicht am 21.03.2017

Lieber Mischa!

Lieber Mischa
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"Lieber Mischa - Du bist ein Jude" von Lena Gorelik ist ein Büchlein über das Judentum und das Jüdisch- Sein. Adressat ist vordergründig der Sohn der Autorin, Mischa. Antisemiten, Philosemiten, coole Juden ...

"Lieber Mischa - Du bist ein Jude" von Lena Gorelik ist ein Büchlein über das Judentum und das Jüdisch- Sein. Adressat ist vordergründig der Sohn der Autorin, Mischa. Antisemiten, Philosemiten, coole Juden und uncoole Klischees - kaum ein Thema, das Gorelik nicht anschneidet.
Sie enthüllt dabei auch viel Persönliches (Rebellion in der Jugend, Schmähungen wie "Schidowka", welche sie selbst, da in der UDSSR noch unwissend, aussprach, Mütter, die zu sehr lieben etc.) das mich berührt und "erreicht" hat.
Und Goreliks Ansatz ist erfrischend. Nur konnte ich mit der äusseren Form des Buches nicht so viel anfangen - es wirkte wie ein Thesaurus, und ich hatte eine Geschichte erwartet. Aber gut, für meine Erwartung kann die Autorin nichts.
Was mir wirklich, wirklich gut gefallen hat: Lena kann schreiben! Wunderbare Formulierungen, Ironie, Sarkasmus und Ernsthaftigkeit trotz Humor. Daher kann ich den Roman nur empfehlen.

Veröffentlicht am 21.03.2017

Die Wildrose

Die Wildrose
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"Die Wildrose" ist ein dicker Schmöker, an dem ich relativ lange gelesen habe. Das Richtige für lange Winterabende. Die Handlung ist um die Zeit des Ersten Weltkrieges (1914 - 1918) und danach angesiedelt. ...

"Die Wildrose" ist ein dicker Schmöker, an dem ich relativ lange gelesen habe. Das Richtige für lange Winterabende. Die Handlung ist um die Zeit des Ersten Weltkrieges (1914 - 1918) und danach angesiedelt. Es gibt alternierende Schauplätze - GB, den Himalaya, die Wüste. Diese Aspekte gefielen mir recht gut, und auch die durchaus angenehmen Nebenfiguren - Sid, Fiona, Eddie, und wie sie alle heissen. Es handelt sich formal gesehen um eine Trilogie ( der vorliegende Band kennzeichnet dabei den Abschluss der Saga). Und hier kommen wir zu einem Problem - die Autorin muss alle Handlungsfäden zusammenführen, was dazu führt, das jedes Kapitel ( oder fast jedes) ein anderes setting behandelt.
Diese ständigen Wechsel behindern den Lesefluss etwas. Ich finde, dass die Sprache, welche den Figuren in den Mund gelegt wird, für den beschriebenen Zeitraum fast "zu modern" ist, und der heutigen Sprache sehr ähnelt. Ein verbreitetes Problem bei historisierenden Romanen. Wer sich für Geschichte interessiert, bekommt im Roman zwar einen Einblick, aber keine scharfsinnige Analyse geboten. Allgemeinplätze werden wiedergegeben (Das Attentat von Sarajevo sei zwar der Auslöser, nicht aber der eigentliche Anlass des WK I gewesen, die Interessen des dt. Kaisers, Wettrüsten und Hurrapatriotismus).
Der Roman wird erst im letzten Drittel richtig spannend und temporeich, was auch daran liegen mag, dass jeder Handlungsstrang für sich Material für einen Roman liefern würde.
Zum Inhalt: Es geht um das Liebespaar Seamie und Willa, die nicht miteinander und nicht ohne einander sein können.
Sie sind passionierte Bergsteiger. Willa verlor nach einem Absturz ihr Bein und beendete daraufhin die Beziehung zu Seamie.
Willas Handicap wirkt dabei nicht glaubwürdig, die Autorin vergisst es zuweilen selbst - Willa "schoss nach vorn wie ein Rennpferd aus seiner Box", Willa " reist mit 2 grossen Koffern" und "rennt".
Leider gelingt es der Autorin auch nicht, die Gefühle und Gedanken der Figuren glaubhaft zu vermitteln, sodass die amour fou dem Leser zwar beschrieben, nicht aber plausibel gemacht wird. Willa leidet zwar so sehr, dass sie zur Opium - und Morphiumsüchtigen wird, aber dies wirkt leider eher wie ein Klischee.
Meine Fragestellung für die Lektüre des Romans lautete: Gelingt es der Autorin, die Beziehungskrise und Willas Handicap glaubhaft & klischeefrei zu erörtern?
Leider nein. Stellenweise schrammt der Roman sogar haarscharf an der Trivialliteratur vorbei.
Ein weiteres Manko besteht darin, dass Probleme und Konflikte im Roman keinen Raum für eine wahre Entwicklung erhalten. Alles löst sich sogleich in Wohlgefallen auf. Ein traumatisierter Soldat ? Sofort mit einem scheuen Pferd geheilt! Die Figuren sind dabei fast stereotyp gezeichnet - entweder Schurken durch und durch wie der Gangsterboss Billy Madden, oder edelmütig und heldenhaft wie der Beau Seamie. Die Nebenfigur Katie ist ein wahres Superweib - sie studiert, engagiert sich politisch und gibt gar ihre eigene Zeitung heraus.
Dazu passt auch, dass Jennie von der engagierten Lehrerin zur unsicheren Frau wird, die für die Liebe ihres Mannes Seamie alles tut und gegen Ende "praktischerweise " das Zeitliche segnet.
Willa ist selbstredend eine Superfrau, auch als Einbeinige, und wird zur Retterin von Lawrence von Arabien. Da wäre weniger mehr gewesen.
Die Handlung ist leider recht vorhersehbar ; einzig die Tatsache, dass der vermeintlich deutsche Spion Max von Brandt ein Doppelagent ist, ist ein Clou.
Trotz all dieser Schwächen ist "die Wildrose" kein schlechter Roman, denn der Leser wird gut unterhalten.
Viele Elemente wirken leider oberflächlich und konstruiert, mit ein wenig mehr Tiefe hätte es ein fantastischer Roman sein können.
Conclusio: Ein durchaus unterhaltsamer Roman.