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Veröffentlicht am 23.05.2017

Konnte mich leider nicht recht mitreißen

Vier Farben der Magie
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Kell setzte die Schneide auf die Außenseite seines Unterarms. Einen Schnitt hatte er sich heute bereits zugefügt, um die Tür zu öffnen, durch die er vorher getreten war. Nun zog er die Klinge ein zweites ...

Kell setzte die Schneide auf die Außenseite seines Unterarms. Einen Schnitt hatte er sich heute bereits zugefügt, um die Tür zu öffnen, durch die er vorher getreten war. Nun zog er die Klinge ein zweites Mal über den Arm, woraufhin rubinrotes Blut aus der Wunde quoll. Er steckte das Messer zurück in die Scheide, berührte den Schnitt mit den Fingern und erneuerte den Kreis und die Linie. Anschließend zog Kell den Ärmel über die Wunde - er würde die Schnitte behandeln, sobald er wieder zu Hause war - und warf einen letzten Blick auf den vor sich hinbrabbelnden König; erst dann legte er seine Hand auf das Zeichen an der Wand.
Ein magisches Summen erklang.
"As Tascen", sagte Kell. Durschreite.
Ein Beben durchlief die gemusterte Tapete, dann gab sie unter seiner Berührung nach. Kell machte einen Schritt und trat durch die Wand.
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INHALT:
Der junge Magier Kell kennt vier verschiedene Welten, die eines gemeinsam haben: Eine Stadt namens London. Doch jedes London ist ganz unterschiedlich. Das, aus dem er stammt, das rote, pulsiert vor Magie und Leben. Das graue London besitzt im Gegensatz dazu beinahe gar keine Magie mehr. Im weißen London herrschen Grausamkeit und Unterdrückung. Und im schwarzen London wurde alles Leben von der Magie vernichtet. Als Antari kann Kell von einer Welt in die andere springen und ist damit einer von wenigen, die die Verbindung zwischen den Städten aufrecht erhalten können. Dann fällt ihm eines Tages ein Gegenstand aus dem schwarzen London in die Hände, und ohne sich der Gefahr bewusst zu sein, nimmt er ihn mit ins rote London. Und setzt damit eine Kettenreaktion in Gang, die seinen Heimatort ins Verderben zu stürzen droht...

MEINE MEINUNG:
Victoria Schwabs hochgelobte Trilogie um die vier verschiedenen magischen Londons ist mit "Vier Farben der Magie" nun auch in Deutschland angekommen. Ihre geschaffenen Welten sind besonders, keine Frage, und die Idee weiß von Anfang an zu faszinieren. Es dauert jedoch seine Zeit, bevor die eigentliche Geschichte Fahrt aufnimmt. Bis dahin ist Kell mit lauter kleinen Botengängen beschäftigt, die einem wohl die verschiedenen Londons vorstellen sollen, sich aber auch ziemlich in die Länge ziehen. Der Schreibstil ist bildlich, wirkt aber auch teilweise sehr distanziert, wenn es um die Emotionen der Figuren geht.

Kell ist abgesehen von seinen magischen Fähigkeiten kein allzu spannender Protagonist. Er ist von sich selbst überzeugt, aber oft unvorsichtig, und seine Motivation sind hauptsächlich seine Vergangenheit und sein Ziehbruder Rhy. Die junge Diebin Lila, von der er eines Tages im Grauen London bestohlen wird, besitzt da schon mehr Charakter, auch wenn ihre Handlungen nicht immer komplett nachzuvollziehen sind. Sie ist verständlicherweise neugierig auf die Welt der Magie und stößt andere Menschen, geprägt von ihrem Leben auf der Straße, oft zurück. Mit der Zeit beginnt sie aber auch teilweise sich zu öffnen. Leider hat die Autorin die Angewohnheit, die spannendsten Nebenfiguren mit großem Potenzial zu töten, sodass das Spektrum an Charakteren bald sehr ausgedünnt erscheint.

Obwohl die Geschichte an vielen Stellen außergewöhnlich ist und die neuartigen Ideen zu begeistern wissen, hat mich das Ganze doch nicht mitgenommen und ich kann nicht einmal den Finger darauf legen, was genau an der Atmosphäre das Problem war. Inhaltlich jedenfalls hatte ich mehr erwartet. Die Storyline ist, schaut man hinter den Schleier, letztendlich doch eher altbekannt und vor allem schnell durchschaut. Die Strippenzieher sind durch und durch böse, der andere, extrem undurchschaubare Antari kommt viel zu wenig vor. Die Kämpfe, die Kell und Lila bestreiten müssen, sind spannend, blutig und großartig geschrieben, aber sie täuschen nicht über die teilweise doch schwache Story hinweg. Zum Ende hin wird es allerdings dafür richtig fesselnd und einige wichtige Fragen werden beantwortet. Zwar bleiben noch einige für den Folgeband ungeklärt, dennoch scheint die Reihe fast schon episodisch aufgebaut zu sein, weil sich in Teil 2 offensichtlich ein neues Problem heraus kristallisieren muss. Wie das funktionieren kann, wird sich zeigen.

FAZIT:
"Vier Farben der Magie" hat mich leider nicht so begeistert wie viele andere Leser. Irgendwie konnten mich die Figuren nicht recht mitnehmen auf ihre Reise, die originell wirkte, aber an vielen Stellen nicht wirklich überraschen konnte. Eventuell versuche ich in Band 2 noch einmal, den Zauber zu finden. 3 Punkte.

Veröffentlicht am 27.04.2017

Böse und makaber, teilweise auch überzogen

Dark Side
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Der Reporter mit dem unwahrscheinlichen Namen Nat U. Rally trägt einen zerknitterten Hut und eine fadenscheinige Jacke mit Flicken an den Ellbogen. Er kaut Kaugummi und macht sich mit einem Stift Notizen ...

Der Reporter mit dem unwahrscheinlichen Namen Nat U. Rally trägt einen zerknitterten Hut und eine fadenscheinige Jacke mit Flicken an den Ellbogen. Er kaut Kaugummi und macht sich mit einem Stift Notizen auf einem winzigen Schreibblock. Aber immerhin hat er genug Anstand, so zu tun, als sei er befangen.
"So ist das hier in Purgatory", sagt er. "Alles ziemlich Retro."
"Das habe ich bemerkt."
"Wir arbeiten beim Tablet immer noch mit Druckwalzen, wussten Sie das?"
"Es überrascht mich nicht mehr", sagt Justus.
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INHALT:
Auf der dunklen Seite des Mondes befindet sich Purgatory, eine vom Millionär und Verbrecher Fletcher Brass gegründete Kolonie. An diesem Ort tummeln sich die schlimmsten Verbrecher, denn die Gesetze der Erde gelten dort nicht. Ehrbare, vertrauenswürdige Menschen sind schwer zu finden, bis Polizist Damien Justus auf den Mond flüchtet, um seine Familie zu beschützen. Direkt nach seiner Ankunft geschieht ein Attentat und er scheint der einzige zu sein, der wirklich an der Lösung des Falles interessiert ist. Doch dass sich ihm die Behörden und Obrigkeiten in den Weg stellen, ist nicht sein einziges Problem: Hunderte Kilometer entfernt startet ein Androide einen mörderischen Feldzug und sein Ziel ist Purgatory...

MEINE MEINUNG:
"Dark Side" ist, ganz wie der Titel vermuten lässt, Science Fiction der düsteren Sorte. In der Zukunft, in einem nicht näher benannten Jahr, wurde der Mond kolonisiert und ist mittlerweile bewohnt. Er ist aber auch unterteilt ins zwei Seiten: Die der erdnahen Umlaufbahn, die zum Urlaub einlädt - und die dunkle Seite, die Purgatory beherbergt. Anthony O'Neills Grundidee rund um die Erschließung des Mondes ist prinzipiell nicht neu, die vielen wissenschaftlichen und technischen Details lassen die Geschichte aber sehr real wirken. Da nie eine aktuelle Jahreszahl erwähnt und stattdessen des Öfteren auf Ereignisse aus dem 19. und 20. Jahrhundert Bezug genommen wird, muss man sich allerdings fragen, ob der Autor hier eine alternative Realität geschaffen hat, was ein wenig verwirrend ist.

Alle agierenden Figuren sind stark überzogen und verhalten sich selten gemäßigt: Der machthungrige, vor nichts zurückschreckende Herrscher Fletcher Brass; seine intrigante Tochter QT; der permanent essende und dementsprechend stark übergewichtige Chief der Polizei - sie alle besitzen schlechte Eigenschaften in so ausgeprägter Art, dass sie teilweise wie Karikaturen wirken, gleichzeitig sind sie aber auch schwer zu durchschauen. Auch Damien Justus, Protagonist und Polizist, macht da keine wirkliche Ausnahme. Er ist so rechtschaffen und über alle Korruption erhaben, dass es schon wieder unrealistisch ist. Erst zum Ende hin verliert er auch mal die Beherrschung, bis dahin hat er sich aber schon fast als Übermensch etabliert. Die vielen unterschiedlichen, fast ausnahmslos ziemlich irren Personen sind interessant, aber weil viele für ein Kapitel ausführlich eingeführt werden, um dann ziemlich plötzlich zu sterben, wirkt diese Art der Erzählung auch teilweise ziellos. Am spannendsten ist zumindest zu Anfang der durchgedrehte Androide, der, getrieben von einem gefährlichen Kodex, jeden niedermetzelt, der sich ihm in den Weg stellt. Da er als Roboter aber logischerweise keine Entwicklung durchmacht, hätte durchaus auch etwas weniger Augenmerk auf seinen Taten liegen können.

Obwohl sich die Action in Grenzen hält, wird es durch die vielen Ideen des Autors und die brutale Welt, in der sich die Figuren befinden, dennoch nur selten langweilig. Intrigen, Verrat und kriminelle Aktionen stehen auf der Tagesordnung, sind Normalität - eine Tatsache, an die man sich als Leser erst gewöhnen muss. Weil Purgatory eine Brutstätte des Bösen ist, sogar stolz mit dem eigenen Ruf wirbt, begleitet man größtenteils unausstehliche, selbstsüchtige Figuren - die allerdings, so wirkt es, zumeist dazu da sind, dem Androiden zufällig und ungewollt auf seiner Reise zu helfen (was sie nicht selten mit dem Tod bezahlen). Nachdem der Handlungsstrang um Justus' Ermittlungen und der um den mordenden Androiden beinahe die ganze Zeit getrennt voneinander verlaufen, werden sie letztendlich gut und sinnvoll, wenn auch nicht sonderlich überraschend, miteinander verbunden. Mit dem abgeschlossenen Ende wird der Roman wohl ein Einzelband bleiben, was gefällt - auch wenn der Mond sicherlich noch die ein oder andere dunkle Ecke bieten könnte, ist die Geschichte von Damien Justus doch erzählt.

FAZIT:
Auch wenn die Idee selbst erst einmal konventionell erscheint, bringt Anthony O'Neill in "Dark Side" so viele böse, makabre und originelle Ideen unter, dass einem das bekannte Grundgerüst kaum noch auffällt. Die Figuren sind aber an vielen Stellen so überzeichnet, dass sie teilweise an Glaubwürdigkeit verlieren, und Überraschungen gibt es weniger als erwartet. Aufgrund der spannenden Herangehensweise an die Abgründe der Menschheit aber definitiv einen Blick wert. 3,5 Punkte!

Veröffentlicht am 30.03.2017

Frostig und rau

Sweetgirl
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Der Schnee blieb jetzt schon auf der Motorhaube liegen. Sie unterbrachen die Radiosendung für eine Unwetterwarnung, und nach dem Sirenenton meldete sich Lester Hoffstead, der beliebteste Wettermann im ...

Der Schnee blieb jetzt schon auf der Motorhaube liegen. Sie unterbrachen die Radiosendung für eine Unwetterwarnung, und nach dem Sirenenton meldete sich Lester Hoffstead, der beliebteste Wettermann im Norden Michigans. Aufgeregt ratterte er die düsteren Prognosen herunter, die er von seinem Doppler-Radar ablas, bis ich mit einer heftigen Bewegung das Radio ausschaltete. Nichts für ungut, Lester, aber dass ein verdammter Blizzard unterwegs war, merkte ich selbst.
Ich stemmte die Tür auf und spürte den Ansturm der Kälte. Ich zog die Schnur meiner Kapuze zu und und lief los, suchte Deckung unter den Bäumen.
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INHALT:
Mal wieder ist die 16-jährige Percy auf der Suche nach ihrer drogensüchtigen Mutter. Seit diese sich wieder den Rauschmitteln zugewandt hat, ist die Schülerin so etwas wie die Erwachsene im Haus. Doch dieses Mal tobt ein Schneesturm, als sie sich auf die Suche begibt, was die Sache deutlich erschwert. Ihre erste Anlaufstelle ist der gefährliche Dealer Shelton, der nicht nur einen der Abstürze ihrer Mutter verursacht hat. Doch stattdessen findet Percy in seinem Haus ein halb erfrorenes Baby. Sie kann das kleine Mädchen nicht einfach dort liegen lassen, also nimmt sie es mit. Und wird fortan von Shelton durch Schnee und Eis gejagt, denn er scheint zu allem bereit.

MEINE MEINUNG:
Ein rauer, kalter Winter in Michigan und eine Suche, aus der eine Flucht wird, das sind die Ausgangspunkte von Travis Mulhausers Roman "Sweetgirl". Ein ehrlicher, schnörkelloser Roman um ein junges Mädchen, das viel zu früh erwachsen werden musste, und einen brutalen Kriminellen, der seine eigenen Taten auch noch für richtig hält. Abwechselnd wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive von Percy und der personalen Perspektive von Shelton erzählt. Der Stil wird in seinen Kapiteln deutlich einfacher und dreckiger, was die beiden Stimmen gut voneinander abgrenzt.

Percy ist eine absolut toughe Protagonistin: Früh hat sie lernen müssen, auf sich selbst und zusätzlich ihre Mutter aufzupassen, weshalb sie es sich nicht leisten kann, lange zu überlegen. Sie handelt sicherlich etwas überstürzt, aber sie ist auch erst 16 Jahre alt und zeigt dafür einiges an Mut und Weitsicht. Ihre intelligente, emphatische Art lässt sie nur noch sympathischer werden. Shelton wirkt anfangs wie im Klappentext angekündigt: Unterbelichtet und brutal nimmt er keine Rücksicht auf Verluste. Dass seine Lebensweise größtenteils damit zusammen hängt, dass er schon früh wegen seines Aussehens gehänselt wurde, wird erst später klar. Er macht zwar tatsächlich eine kleine Entwicklung durch, allerdings verbringt er trotzdem seine meiste Zeit mit Drogen, was bald ermüdet. Nebenfiguren gibt es nur wenige: Percys Mutter im Drogenrausch, die selten weiß wo sie ist, oder ihr Stiefvater in spe, der zwar Alkoholiker ist, aber ein gutes Herz besitzt. Sie unterstützen die Geschichte, haben aber nicht so einen großen Stellenwert wie Percy und Shelton.

Egal zu welcher Jahreszeit man den Roman liest, die Kälte Michigans, die verschneiten Berge und der eisige Wind greifen auf einen über. Die Beschreibungen sind realistisch, atmosphärisch und prägnant, manchmal aber auch regelrecht poetisch. Percys Flucht verläuft jedoch anders als ich mir das vorgestellt hatte: Der Feind ist weniger der bedrohliche Shelton als viel mehr der Winter, der sich ihr immer wieder in den Weg stellt. Das Ganze hätte mir deutlich besser gefallen ohne die Kapitel aus Sheltons Sicht, die bereits nach kurzer Zeit sehr eintönig wirkten. Er geht in den Wald, um das Kind zu suchen, atmet Lachgas ein, geht in seine Hütte zurück, raucht einen Joint, geht wieder raus, und so weiter und so fort. Teilweise sind die Geschehnisse durchaus skurril, vor allem die Art und Weise wie irgendwann Leichen den Weg säumen, aber witzig ist hier nichts. Schwarzer Humor hin oder her, es geht ums nackte Überleben, da kann man wenig lustig finden. Leider lässt die Spannung auf den letzten 50 Seiten enorm nach, weil das Ganze doch schneller vorbei ist als gedacht. Der Schluss stellt zufrieden, weil er einen positiven Ausblick gibt - aber irgendwie hatte ich mir mehr erwartet.

FAZIT:
Travis Mulhauser fängt die klirrende Kälte Michigans in "Sweetgirl" wunderbar ein, wodurch die Flucht durch die Berge noch dramatischer wird. Allerdings lässt die Spannung durch häufige Wiederholungen in den Kapiteln des Dealers immer wieder nach und das große Etwas fehlt. Für verschneite Winterabende (oder zur Abkühlung im Sommer) aber sicherlich das Richtige. Gute 3 Punkte.

Veröffentlicht am 21.03.2017

Wunderschön geschrieben, aber mit problematischer Botschaft

Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen
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"Ich...wollte dir eine Stelle vorlesen, aber jetzt kann ich mich nicht entscheiden."
"Lies auf der Seite, auf der du gerade bist."
"shall we
say years?
O let us say it, girl
to boy smiling while the moments ...

"Ich...wollte dir eine Stelle vorlesen, aber jetzt kann ich mich nicht entscheiden."
"Lies auf der Seite, auf der du gerade bist."
"shall we
say years?
O let us say it, girl
to boy smiling while the moments kill
us gently and infinitely."
Die Momente töteten uns sanft und unendlich.
Ich ließ die Zeilen in der Luft hängen, bis sie im Zirpen der Heuschrecken zerfielen, und sagte: "Das ist wahr, oder?"
"Solche Sätze lassen mich daran glauben, dass die Menschen nicht komplett verrückt sind", sagte Ben.
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INHALT:
Hanna und Ben sind schon so lange beste Freunde, dass sie sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen kann, ohne seine Geschichten, seine Graffitis und seine Undurchschaubarkeit. Als er sie darum bittet, fährt sie nach dem Abitur spontan mit ihm ans Meer, einfach nur so. Dort schlagen sie ihr Zelt auf, genießen die Landschaft, das Wetter und ihre Zweisamkeit. Bis sie Chloé kennen lernen, die ihnen eine schaurige Legende erzählt. Eine Legende, die sich immer mehr zu bewahrheiten scheint...

MEINE MEINUNG:
Autorin Ulla Scheeler erzählt in ihrem ersten Roman von einer tiefen Freundschaft, einer ebenso tiefen Liebe, Missverständnissen und Schuldgefühlen. "Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen" lässt Hanna aus der Ich-Perspektive ihren Ausflug mit Ben erzählen und sie so zur guten Identifikationsfigur für den Leser werden. Der Schreibstil ist bildschön, voller Metaphern, ohne allzu stark zu übertreiben, und unglaublich atmosphärisch. Wäre die zweite Hälfte nicht gewesen - ich hätte das Buch lieben können.

Hanna ist eine starke Persönlichkeit, zwar oft unsicher und verletzlich, ebenso oft aber auch überraschend mutig und willensstark. Mit ihrer gewitzten Art begleitet man sie gerne, ihre starke Abhängigkeit von Ben und seinen Launen strengt jedoch auch an. Ben ist so ein Charakter, dem ich nicht so wirklich viel abgewinnen konnte: Egoistisch, eifersüchtig und gewollt geheimnisvoll wie er sich gibt, hatte ich oft das Gefühl, dass seine Freundin etwas Besseres verdient hat. Er hat zwar geniale Ideen und immer einen guten Spruch auf Lager, seine Arroganz macht ihn aber nur wenig sympathisch. Da gefielen mir Sam, den Hanna in einer Bar kennen lernt, und Chloé, die ihnen eine geheimnisvolle Legende erzählt, deutlich besser. Beide versuchen sich zu verstellen und scheitern damit, unter den Masken kommen spannende und originelle Persönlichkeiten zum Vorschein, von denen ich gern noch mehr gelesen hätte.

Die erste Hälfte des Romans mochte ich total gerne: Die geheimnisvolle Stimmung am Meer, die witzigen und glaubwürdigen Dialoge, die berauschenden Gefühle zwischen Hanna und Ben. Es passiert nicht wirklich viel, aber aufgrund der Chemie zwischen den beiden und Bens Verschwiegenheit bleibt das Ganze durchgehend spannend. Jedenfalls bis plötzlich das Drama überhand nimmt und eine nicht recht passende Wendung vieles für mich kaputt gemacht hat. Die Handlungen der Personen konnte ich nicht nachvollziehen und auch die Intensität hat schlagartig nachgelassen. Bis zum Schluss bleibt alles seltsam vage, wirkliche Antworten gibt es nicht, die Beweggründe ergeben keinen Sinn und erst recht nicht Hannas Reaktion auf die Geschehnisse. Zwar regt die letzte Szene durchaus zum Nachdenken an - wirklich zufrieden stimmt sie aber nicht.

FAZIT:
Von der ersten Hälfte des Buches her hätte "Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen" eine großartige Lektüre für mich werden können - schon allein aufgrund von Ulla Scheelers atemberaubendem Schreibstil. Aber der Plottwist später hat mich leider gar nicht überzeugen können. Daher reicht es letztendlich nur für gute 3 Punkte.

Veröffentlicht am 24.02.2017

Erste Hälfte schleppend, zweite fulminant

Young Elites (Band 1) - Die Gemeinschaft der Dolche
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Er streift den Handschuh wieder über und der verstörende Anblick weicht dem von schwarzem, blutbeflecktem Leder. Von Macht.
"Trage deine Makel mit Stolz", sagt er sanft. "Es sind Zeichen - dafür, dass ...

Er streift den Handschuh wieder über und der verstörende Anblick weicht dem von schwarzem, blutbeflecktem Leder. Von Macht.
"Trage deine Makel mit Stolz", sagt er sanft. "Es sind Zeichen - dafür, dass du etwas Besonderes bist. Und wenn du eine von uns wirst, werde ich dich lehren, sie einzusetzen wie ein Mörder sein Messer." Seine Augen werden schmal. Sein dünnes Lächeln wirkt plötzlich gefährlich. "So. Und nun sag mir, kleine Wölfin. Willst du all jene, die dich gequält haben, bestrafen oder nicht?"
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INHALT:
Vor einigen Jahren ging das sogenannte Blutfieber unter den Menschen um - und während es die erkrankten Erwachsenen tötete, ließ es Kinder meistens entstellt zurück. Diese werden nun "Malfettos" genannt, gefürchtet und gehasst. Die junge Adelina ist eine von ihnen, was ihr Vater sie jeden Tag wieder spüren lässt. Als er sie eines Tages verkaufen will, flieht sie und gerät der Inquisition in die Hände. Vor dem sicheren Tod rettet sie eine Gruppe junger Malfettos, die mit besonderen Gaben ausgestattet sind und sich "die Dolche" nennen. Sie haben vor, auch ihre Fähigkeiten hervorzubringen. Doch in Adelina schwelt der Hass auf alles und jeden, und so bringt sie nicht nur sich in Gefahr, sondern auch die anderen...

MEINE MEINUNG:
Marie Lu konnte sich mit ihrer "Legend"-Trilogie eine große Fanbase aufbauen, hatte mich damals aber bereits mit dem 1. Band verloren. Ihre neue Reihe um die "Young Elites" geht nun jedoch in eine völlig andere Richtung: Angesiedelt in einer düsteren und brutalen Welt wartet sie mit einer schwierigen Protagonistin auf - und einem schwachen Worldbuilding, das mir einiges an Lesefreude genommen hat. Da kommt auch der bildliche, oft etwas abgehackte Schreibstil nicht wirklich gegen an - vor allem, weil dieser auch noch durch die erste recht langweilige und ergebnislose Hälfte untergraben wird.

Adelina ist eine Protagonistin, die man so selten in Jugendbüchern finden. Sie ist schon keine Antiheldin mehr, denn eigentlich ist sie nur "anti". Voller Hass und Angst zieht sie ihre Kräfte aus den düstersten Winkeln ihrer Seele, misstraut jedem, schwelgt immer wieder in ihrer Wut. Sie will durchaus Gutes tun, doch ihr Inneres liegt in Scherben, die sie nicht wieder zusammensetzen kann. Leider überrascht sie zwischenzeitlich mit einer absurden Naivität und Dummheit, die so gar nicht zu ihrem sonstigen Wesen passen. Die Dolche, bei denen sie Unterschlupf findet und die sie ihre Gabe lehren wollen, heben sich allerdings gar nicht mal so sehr ab. Auch sie begehen Morde und verbreiten Schrecken, sehen sich selbst aber als Friedensbringer und verurteilen Adelina doch für ihre Art. Das macht sie nicht unbedingt sympathisch. Besonders Love-Interest Enzo fand ich überraschend langweilig in seiner klischeehaften Zwiespältigkeit.

Inhaltlich geht es mindestens so düster zu wie in Adelinas Gedankenwelt, was dem geneigten Leser gefallen kann. Teilweise erinnern die Zustände in dieser italienisch angehauchten High Fantasy-Welt an die im Dritten Reich: Die Ausgrenzungen und Beschimpfungen der Malfettos sind an der Tagesordnung und sogar vor Verbrennungen wird nicht zurückgeschreckt. Die Autorin zeichnet hier ein erschreckendes und bedrückendes Bild. Und auch die Fähigkeiten der Begabten sind gut ausgearbeitet - insbesondere Adelinas Gabe der Illusion ist etwas Besonderes und ihr Lernen, das mit einem Abdriften in noch dunkleres Gefilde verbunden ist, ist toll zu beobachten. Nur leider wirkt der Rest nicht richtig ausgearbeitet, insbesondere die ominösen Schauplätze mit ihren Eigenheiten erscheinen wie hingeworfen. Warum fliegen riesige Rochen am Himmel? Und weshalb in aller Welt gibt es drei Monde? Erklärungen dafür gibt es keine, was ernüchtert. Dafür reißt der Schluss ziemlich vieles wieder raus: Erschreckend, überraschend und erbarmungslos werden hier viele Fortschritte wieder zunichte gemacht, sodass Band 2 spannend beginnen dürfte.

FAZIT:
Ich scheine kein großer Fan mehr von Marie Lus Geschichten zu werden - auch ihre neue Reihe konnte mich beim ersten Band nicht vollständig von sich überzeugen. Die düstere Protagonistin und der geringere Schwerpunkt auf der Liebesgeschichte haben allerdings dazu geführt, dass mir "Die Gemeinschaft der Dolche" besser gefallen hat als "Legend". Eventuell wird da ja im 2. Band auch noch eins draufgesetzt. Knappe 3,5 Punkte.