Cover-Bild Der Abstinent
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23,00
inkl. MwSt
  • Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 336
  • Ersterscheinung: 23.04.2021
  • ISBN: 9783423282727
Ian McGuire

Der Abstinent

Roman | »Dickens für das 21. Jahrhundert.« The New York Times
Jan Schönherr (Übersetzer)

»Ein literarischer Noir, dicht und spannend.« Richard Ford

Manchester, 1867. Im Morgengrauen hängen die Rebellen. Die englische Polizei wirft ihnen vor, die ›Fenians‹, irische Unabhängigkeitskämpfer, zu unterstützen. Eine gefährliche Machtgeste seines Vorgesetzten, findet Constable James O’Connor, der gerade aus Dublin nach Manchester versetzt wurde. Einst hieß es, er sei der klügste Mann der Stadt gewesen. Das war, bevor er seine Frau verlor, bevor er sich dem Whiskey hingab. Mittlerweile rührt er keinen Tropfen mehr an. Doch jetzt sinnen die ›Fenians‹ nach Rache. Der Kriegsveteran Stephen Doyle, amerikanischer Ire und vom Kämpfen besessen, heftet sich an O’Connors Fersen. Ein Kampf beginnt, der O’Connor tief hineinzieht in einen Strudel aus Verrat, Schuld und Gewalt.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.04.2021

Irisches Duell

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Das Erscheinen der deutschen Übersetzung "Der Abstinent" von Ian McGuires neuestem Roman trifft zeitlich mit beängstigenden Nachrichten über Unruhen in Nordirland zusammen. Seit dem Karfreitagsabkommen ...

Das Erscheinen der deutschen Übersetzung "Der Abstinent" von Ian McGuires neuestem Roman trifft zeitlich mit beängstigenden Nachrichten über Unruhen in Nordirland zusammen. Seit dem Karfreitagsabkommen vom 10. April 1998 einigermaßen befriedet, werden sie nun, exakt 23 Jahre später, von militanten protestantisch-loyalistischen Gruppierungen erneut angeheizt. Aktuelle Gründe sind die Unzufriedenheit über den Bexit-Sonderstatus Nordirlands und eine Nicht-Ahndung von Corona-Verstößen während der Beisetzung eines ehemaligen IRA-Terroristen durch Politiker der katholisch-republikanische Sinn-Fein-Partei.

Nationalismus und Terrorismus
Viel weiter in die Geschichte des Konflikts zurück reicht Ian McGuires düsterer historischer (Kriminal-)Roman. Er beginnt nach der großen irischen Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts und unmittelbar nach dem Scheitern des Aufstands von 1867 unter Federführung der Fenians, einer geheimen Bruderschaft im Kampf für die irische Unabhängigkeit und Vorgängerorganisation der IRA. Ausgangspunkt für die fiktive Handlung ist ein historisch verbürgtes Ereignis vom 22.11.1867: die Hinrichtung der drei sogenannten "Manchester Martyrs", Mitglieder der Fenians, für den Mord an einem Polizisten.

Zwei Iren auf verschiedenen Seiten
James O’Connor, 34-jähriger Ire, Polizist aus Dublin, arbeitet seit neun Monaten als Constable in Manchester, vorrangig als Kontaktmann für Fenian-Spitzel. Nach dem Tod seines Sohnes, dann vor etwa eineinhalb Jahren seiner Frau, war er dem Alkohol verfallen, lebt nun aber abstinent und nutzt in Manchester seine letzte Chance. Als Ire ist er dem Spott der neuen Kollegen ausgesetzt, sie sticheln, provozieren und misstrauen ihm. Er sitzt zwischen allen Stühlen. Seine Warnung vor einer öffentlichen Hinrichtung stößt bei seinen Vorgesetzten auf Ablehnung:

"Die Soldaten zu holen, war ein Fehler, denkt O’Connor. Gewalt wird das Problem mit den Fenians nicht lösen, und der Anblick der Truppen lässt die Leute glauben, wir befänden uns im Krieg. Solche Machtdemonstrationen führen zu nichts Gutem, man gießt nur Öl ins Feuer. Akribische Ermittlungen und Fingerspitzengefühl, das wird diesen Kampf entscheiden, nicht protzig zur Schau gestellte Grausamkeit. Doch Protz und Grausamkeit sind den Engländern nun mal am liebsten." (S. 15/16)

Kurz nach der Hinrichtung trifft der junge amerikanische Bürgerkriegsveteran Stephen Doyle in Manchester ein. Er ist gebürtiger Ire wie O’Connor, hat wie dieser Armut, Verlust und Gewalt erlebt, und soll im Auftrag einflussreicher amerikanischer Iren die Bruderschaft unterstützen. Sein vorrangiges Ziel ist das Aufspüren und Liquidieren von Verrätern, aber auch ein denkwürdiger Anschlag ist geplant. James O’Connor und Stephen Doyle werden zu Kontrahenten auf Leben und Tod.

Sehr lesenswert
"Der Abstinent" ist der dritte Roman des 1964 geborenen britischen Literaturwissenschaftlers und Autors Ian McGuire und folgt auf "Nordwasser", 2016 für den Man Booker Prize nominiert. Beide Romane sind geprägt von kompromissloser Brutalität und Gewalt, "Nordwasser" noch deutlich mehr, aber nie um ihrer selbst oder um der Spannung Willen. Das scharf beobachtete, sparsam im Präsens beschriebene, überaus packende Duell der beiden Männer vor der rußigen und schmutzigen, lauten und übelriechenden Kulisse einer frühindustriellen Stadt hat mich gepackt und begeistert. Bis nach Pennsylvania führt der mörderische Kampf und findet einen äußerst ungewöhnlich erzählten Ausgang.

Überrascht hat mich eine editorische Notiz im Impressum: „Auf Seite 313 beleidigt Stephen Doyle einen Schwarzen rassistisch.“ Wenn solche Hinweise üblich werden – welches Buch, vor allem welcher Klassiker, kann dann zukünftig noch ohne Warnhinweis erscheinen?

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Veröffentlicht am 13.04.2021

Ein Krimi wird zum Lonely Man und das Happy End ist ganz anders

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Das Manchester um 1867, auch hier ist der Konflikt zwischen dem nach Unabhängigkeit strebenden Irland und der britischen Krone täglich zu spüren und nach dem eher versehentlich durch einige Fenians verursachten ...

Das Manchester um 1867, auch hier ist der Konflikt zwischen dem nach Unabhängigkeit strebenden Irland und der britischen Krone täglich zu spüren und nach dem eher versehentlich durch einige Fenians verursachten Tod eines Polizisten wird ein Exempel statuiert und drei Iren hängen. Mit aller Kraft versucht die englische Polizei, unter ihnen auch der aus Dublin stammende O'Connor, eine weitere Eskalation zu verhindern, aber trotz ihres redlichen Bemühens gibt es weitere Tote, und das Motiv ist, wie so oft, Rache und Vergeltung. Gerade O'Connor hat geradezu dafür gelebt, die Balance zu halten und Schlimmeres zu verhindern, aber jetzt empfindet er sich als auf ganzer Linie gescheitert und als man einen Sündenbock für die Geschehnisse braucht, ist auch er mit dabei. Er hält es aus, was man mit ihm macht, denn nun ist auch sein Ziel, Rache zu nehmen und danach ist sowieso alles egal.
Dieses Buch ist ein spannender Krimi seiner Zeit, präzise, authentisch und ein bisschen dunkel auch. Und die Menschen darin bekommen durchaus Raum, um sie wirklich zu sehen und zu verstehen. Da ist erstaunlich viel Redlichkeit und Anstand, gerade bei einem Teil der Polizei und auch die andere Seite, sie kann eben einfach nicht anders, aus durchaus nachvollziehbaren Motiven. Und dann, dann bekommt die Hauptperson, nämlich dieser besagte O'Connor, einen 'Durchhänger' und die Geschichte damit auch. Denkt man, doch daraus wird dann etwas ganz anders. Und es dauert etwas, bis man sich als Leser damit arrangiert. Aber es funktioniert.
Wohlfühlunterhaltung ist diese Geschichte nur sehr bedingt und da ist man noch nicht am Ende angekommen. Denn wenn einem der Autor wenige Seiten vor Schluss (vielleicht) auch noch das 'kleine Happy End' wegnehmen will, da ist tief durchatmen angesagt. Aber da muss man dann einfach durch, denn das ist wohl das echte Leben.
Ein forderndes besonders Buch und auf jeden Fall zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 10.04.2021

Ein starker Autor

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Meinung:
Bereits der Debütroman des autors war ein außergewöhnliches und einprägsamen Werk, welches zu einen meiner liebsten Bücher gehörte und auch mit seinem zweiten Roman könnte er mich Mal nieder zu ...

Meinung:
Bereits der Debütroman des autors war ein außergewöhnliches und einprägsamen Werk, welches zu einen meiner liebsten Bücher gehörte und auch mit seinem zweiten Roman könnte er mich Mal nieder zu 100% überzeugen, wenn er auch wieder ganz anders war. Zum einen ist der Schreibstil des irdischen Autors einer der eindrücklichsten und literarisch interessantesten, welche ich in den letzten Jahren lesen dürfte. Er schafft es in einer sehr zurückgenommenen und starken Sprache seine Leser in den Bann zu ziehen und dabei eine solche Kraft und Spannung zu entwickeln, dass man alles bildlich vor sich sieht und das Buch kaum mehr aus der Hand legen kann.

Seine Charaktere und seine Szenerie sind ebenso stark und eindrucksvoll gezeichnet, sodass ich keinen einzigen Kritikpunkt aufbringen kann. Sondern nur reine Begeisterung für eine Autor, der talentiert und erzählerisch auf höchstem Niveau ist !!

Veröffentlicht am 06.04.2021

O'Connor vs Doyle

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„Neun Monate sind inzwischen vergangen, seit er aus Dublin hierher versetzt wurde, und er hat sich an die Sitten seiner englischen Kollegen gewöhnt. Ständig machen sie ihre Witze, sticheln, lassen nichts ...


„Neun Monate sind inzwischen vergangen, seit er aus Dublin hierher versetzt wurde, und er hat sich an die Sitten seiner englischen Kollegen gewöhnt. Ständig machen sie ihre Witze, sticheln, lassen nichts unversucht, um ihn zu provozieren. Oberflächlich sind sie freundlich, aber hinter dem Grinsen und Gelächter spürt er Misstrauen. “

1867, Manchester:
Ein Polizist wird ermordet- es werden drei irische Rebellen hingerichtet, deren Ziel es war, der englischen Fremdherrschaft den Garaus zu machen. Der britisch – irische Konflikt hat spätestens seit der katastrophalen „Great Famine“ seinen Höhepunkt erreicht. Die Briten fürchten die Rache der Fenier. Constable James O’Connor aus Dublin soll als Kenner der Szene Licht in’s Dunkel von Manchester bringen. Seit dem Tod seiner Frau ist er trockener Alkoholiker, doch er ist stark rückfallgefährdet. Die Bigotterie der Engländer überrascht ihn nicht wirklich, doch nie hätte er damit gerechnet, dass ausgerechnet der amerikanische Ire (und Kriegsveteran) Stephen Doyle sein ärgster Feind werden würde…

„Der Abstinent“ ist ein unheimlich spannender historischer Roman; die Beschreibungen des Autors sind plastisch und eindringlich, er beschwört den Dreck & den Gestank einer Industriestadt im neunzehnten Jahrhundert herauf. „Noir“ in Reinform! Die Erzählweise ist ruhig und reduziert, und doch gelingt es McGuire, in wenigen Worten eine beklemmende und düstere Atmosphäre zu evozieren. Obwohl er mit seinem Krimi keine akkurate Chronik der „Troubles“ präsentiert, gelingt es ihm, die kriegsähnlichen Zustände präzise abzubilden, ohne in Schwarzweißmalerei zu verfallen. O`Connor setzt Spitzel ein, um die irische Community auszuhorchen, er möchte für Recht und Ordnung sorgen, glaubt er an die Gültigkeit von Gesetzen?
Strebt Stephen Doyle wirklich nach Gerechtigkeit, oder ist das Töten seit seiner Teilnahme am Amerikanischen Bürgerkrieg schlicht eine Selbstverständlichkeit für ihn?
Loyalität und Verrat, Armut, Perspektivlosigkeit, toxische Männlichkeit, Schuld & Sühne: Ian McGuires Roman ist kein “Stoff“ für Zwischendurch und erst recht keine Wohlfühllektüre.
Der Autor präsentiert mit „Der Abstinent“ ein packendes Psychogramm und einen lesenswerten historischen Thriller mit einem überraschenden Ende. Trotz gewisser Längen in der Erzählung habe ich den Krimi regelrecht „verschlungen“.

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Veröffentlicht am 05.04.2021

Kein leichter Tobak

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Dieses Buch hat mir einen bitteren Geschmack hinterlassen. Es ist spannend geschrieben, die grausamsten Szenen werden ausgespart, man erfährt nur hinterher wie die Menschen umgebracht wurden. Die Morde ...

Dieses Buch hat mir einen bitteren Geschmack hinterlassen. Es ist spannend geschrieben, die grausamsten Szenen werden ausgespart, man erfährt nur hinterher wie die Menschen umgebracht wurden. Die Morde werden nicht detailgetreu wiedergegeben. Aber es ist der ganze Hintergrund, der einen voller Bitterkeit zurückblicken lässt. Was heißt hier zurück? Das Grundthema des Buches ist noch lange nicht abgearbeitet und bewältigt. Noch heute sind die Nordiren die Prügelknaben der Engländer. So wie bei uns die Ostfriesenwitze sind in England die Nordirenwitze, nur brutaler, rücksichtsloser. Wenn bei uns die Nordfriesenwitze Humor haben und man sie mit einem Augenzwinkern erzählt, denn wir alle wissen, dass auch die Ostfriesen die Bäume mit dem Grünen nach oben einpflanzen, sind englische Witze über die Nordiren gnadenlos, voll Schadenfreude. Bei uns hat Otto Waalkes die Ostfriesen geadelt und überall willkommen gemacht.
Doch zurück zum Buch. Die Handlung spielt mitten im viktorianischen Zeitalter. Da war die Not der Iren am größten. Zugegeben, den meisten Engländern und anderweitigen Untertanen Ihrer Majestät ging es auch nicht viel besser. Immerhin wütete 1888 in London Jack the Ripper. Aber keine Hungersnot wie die Große Hungersnot in Irland, während der in den Jahren 1845 – 1851 zwei Millionen Menschen an den Folgen starben. Sie starben während Schiffe voller Getreide Irland Richtung England verließen. Die Getreideernte gehörte den englischen Großgrundbesitzern.
Der Roman beginnt 1867 mit der Hinrichtung von drei irischen Rebellen in Manchester. Nach der großen Hungersnot mussten viele Iren auswandern, in die USA, Australien, Kanada, aber auch nach England. Zu dieser Zeit werden alle Iren von den Engländern pauschal als Aufständische, Rebellen, nutzlose Taugenichtse abgestuft. Sie werden alle über einen Kamm geschert, egal ob sie Mitglieder der Fenian Brotherhood sind oder nicht. Allein ihre Abstammung macht sie schuldig. Ein irischer Polizist wird nach Manchester versetzt, um die hiesige Polizei zu unterstützen. Doch keiner hört auf ihn, im Gegenteil, er ist ständig den bösen Zungen der Kollegen ausgesetzt, man blickt auf ihn herab, sein Wort gilt nichts. Die Überheblichkeit der Engländer kennt keine Grenzen. Nach einer mehrere Monate dauernden Einkerkerung die James O’Connor unschuldig erleiden muss, entschließt er sich auszuwandern, er geht nach Amerika, um den Mörder seines Neffen zu suchen. Doch nicht einmal hier, in der „freien Welt“ greift irgendeine ausgleichende Gerechtigkeit ein. Gerade als er beschlossen hat, den Mörder den er gefunden hat, nicht aufzusuchen und ihn zur Rechenschaft zu ziehen, weil all das Töten und die Gedanken der Rache ein Ende haben müssen, gerade als er den Rückweg angetreten hat und ein Lied singt, da findet der Mörder ihn. Ein Ire. Denn die Engländer verstehen es meisterhaft, die Iren zu entzweien, um sie besser beherrschen zu können. Auch hier, im entfernten Amerika, weit weg von England und Irland wirken die alten Strukturen noch fort. Ein Entkomme ist unmöglich. Wie in einer antiken Tragödie nimmt das Schicksal seinen Lauf. Und hinterlässt beim Leser einen bitteren Geschmack. Wenigstens ist James O’Connor nicht als Mörder gestorben.

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