Nicht nur für Hundefreunde
Bonnie PropellerGroße Romane mit vielen Seiten oder sogar Zyklen sind en vogue, aber manchmal sind kleine Bücher wie "Warten auf Bojangles" von Olivier Bourdeaut besondere Perlen. In diese Kategorie zählt für mich auch ...
Große Romane mit vielen Seiten oder sogar Zyklen sind en vogue, aber manchmal sind kleine Bücher wie "Warten auf Bojangles" von Olivier Bourdeaut besondere Perlen. In diese Kategorie zählt für mich auch die während der aktuellen Corona-Pandemie spielenden, autofiktionale Novelle "Bonnie Propeller" von Monika Maron, in der es um eine alte Frau geht, die sich nach dem Tod ihres Hundes einen neuen anschafft, und die nur 64 Seiten umfasst.
Worum es geht
Die mittlerweile fast 80jährige Ich-Erzählerin hat in den letzten Jahren schon zwei Hunde besessen: Bruno und nach dessen Tod Momo. Die beiden stattlichen Rüden halfen ihr oft über das Gefühl der Einsamkeit hinweg. Daher möchte sie, nachdem auch das zweite Tier gestorben ist, einen neuen Hund. Auf Umwegen kommt sie an die Mischlingshündin Propeller, die aus einem Tierheim in Ungarn stammt. Der merkwürdige Name erschließt sich zuerst niemandem und so bekommt sie den Beinamen Bonnie. Bonnie Propeller erfüllt jedoch die Erwartung ihrer Besitzerin in keiner Weise, zumal sie das Tier hässlich findet. Das Tier ist ihr peinlich, sie sagt Freunden und Passanten, sie werde es wieder abgegeben. Nur langsam kann die freundliche Hündin ihre Sympathie gewinnen.
Kritik
Die unaufgeregte Erzählung hat irgendwie einen vorweihnachtlichen, besinnlichen Touch. Und auch wenn das Ende − das vermeintlich Abstoßende entpuppt sich als besonderer Schatz − vorhersehbar ist, trifft das Thema der inneren Einkehr, die Beschäftigung mit sich sich selbst in einer Situation, in der man gezwungen ist, weitgehend zu Hause zu bleiben, den Zeitgeist.
Glücklicherweise vermeidet es Monika Maron, in eine kitschige Mensch-Tier-Liebesgeschichte abzurutschen. Ihr Stil ist lakonisch, manchmal zynisch und wirkt authentisch. Ihre Hauptfigur ist einem auf den ersten Blick eher unsympathisch; sie ist eine Pragmatikerin, die den Leser an ihren Macken und Sturheiten teilhaben lässt. Nur wenige Tage nach dem Verlust ihres Haustiers, wenn das tägliche Füttern und Spazierengehen nicht mehr erforderlich sind, entgleitet ihr jegliche Alltags-Struktur und sie schlurft antriebslos bis mittags unangezogen durch ihre Wohnung. Daher ist ihr ganz unromantisch schnell klar, dass ein Ersatz her muss. Leider ist der neue Hund, den sie über das Internet gefunden hat, nicht so perfekt, wie es es gewohnt ist.
Schonungslos hält die Autorin uns einen Spiegel vor: Die Protagonistin ist zunächst oberflächlich nur auf Äußerlichkeiten bedacht, der Hund ein Statussymbol. Was danach geschildert wird, ist die langsame Annäherung zwischen Mensch und Tier. Bonnie zeigt ihre sensible Intelligenz und entwickel Stück für Stück eine eigene Identität, mit der sie sich gegen die emotionalen Erinnerungen an ihre Vorgänger etabliert.
Fazit
Die Grundaussage, nicht nur nach dem Äußeren sondern nach dem Charakter und den Handlungen eines Wesens zu urteilen, ist nicht neu. Doch die herzerwärmende, aber trotzdem unsentimentale und humorvolle Geschichte wird nicht nur Hundefreunden gefallen. Störend ist allenfalls der hohe Preis für ein so dünnes Buch.
Mein Dank gilt NetGalley für das Rezensionsexemplar.