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Veröffentlicht am 11.04.2021

"Essen ist ein Bedürfnis, Genießen eine Kunst." (La Rochfoucauld)

Zu Tisch mit Freunden
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Als leidenschaftliche Hobbyköche, die nicht nur die Familie verköstigen, sondern auch gern als Gastgeber für den Freundes- und Verwandtenkreis fungieren, suchen wir immer wieder nach ganz besonderen Kochbüchern, ...

Als leidenschaftliche Hobbyköche, die nicht nur die Familie verköstigen, sondern auch gern als Gastgeber für den Freundes- und Verwandtenkreis fungieren, suchen wir immer wieder nach ganz besonderen Kochbüchern, deren Rezepte uns nicht nur herausfordern, vor allem aber hundertprozentig überzeugen.
Mit dem Buch „Zu Tisch mit Freunden“ von Skye McAlpine haben wir das Glück, wieder einmal eine ganz besondere Rezeptsammlung von italienischen Speisen in den Händen halten zu dürfen. Nicht nur die Aufmachung des Buches überzeugt mit einem samtweichen, griffigen Einband, auch die anrührende Widmung des Autors legt bereits nahe, dass es in diesem Buch um das besondere Verwöhnen geht. Ebenso überzeugt neben den gekonnt in Szene gesetzten und appetitanregenden Fotos neben jedem Rezept die Aufteilung des Buches, denn neben den Kapiteln
- Warum ich koche
- Ein Menü planen
- Der passende Rahmen
- Stars
- Beilagen
- Süsses
- Extras
- Kochen nach Jahreszeit
- Kochen nach Personenzahl
- Kochen nach Zeitaufwand
gibt es auch ein gut sortiertes alphabetisches Register, um besondere Highlights und Leibspeisen schnell wiederzufinden. Neben einer ausführlichen Einführung des Autors und seiner Vorliebe, Gäste zu empfangen und zu bewirten, wird auch seine Aufmerksamkeit auf Tischkultur und das perfekte Ausrichten der Tafel in den Fokus gerückt.
Nachdem wir uns nun knapp 10 Tage durch einige der über 100 Gerichte gekocht haben, möchten wir gern einige besonders herausstellen, die auch Laien anhand der gut beschriebenen Anleitungen sehr gut hinbekommen. Ob das Feigencarpaccio mit Lardo, Honig & Rosmarin, Mandelsuppe, winterlicher Safran-Couscous, Tagliatelle mit Gorgonzola, Birne und Walnüssen, Buttriges Zitronenhähnchen, Blutorangen-Zwiebel-Salat mit schwarzen Oliven und Basilikum, Fenchelpüree mit Parmesan, gefüllte Tomaten, Zucchini-Timabllo, Schokoladen-Maronen-Tarte mit Baiserhaube, salziges Honigeis, Mascarpone-Cheesecake mit Pistazien und Salzkaramell, Rhabarber-Prosecco-Götterspeise, Pistazienkuchen mit Marzipancreme, mehlfreier Schoko-Maronen-Kuchen mit Rosmarin, Walnussbrot, selbstgemachte Mayonnaise sowie die Salzkaramell-Sauce, um nur einige Favoriten herauszustellen – alles ist geschmacklich einfach zum Niederknien und wird immer wieder einen Platz in unserem Speiseplan finden. Die Vorbereitungen sowie Zubereitungen der Gerichte sind sehr ausführlich und mit Zeitangaben aufgelistet, so dass man dies bei größeren Menüfolgen gut einplanen kann.
Wer ein gutes Kochbuch mit italienischen Gerichten sucht, sollte in Skye McAlpines „Zu Tisch mit Freunden“ investieren, denn hier nicht nur alle Sinne angesprochen, sondern man findeet neben leckeren Pastagerichten auch viele außergewöhnliche Speisen, die jede Mühe wert sind, um dann die Geschmacksknospen explodieren zu lassen. Absolute Empfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.04.2021

„Der ist in tiefster Seele treu, wer die Heimat liebt wie du.“ (Theodor Fontane)

Die vergessene Heimat
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Für die schleichende geistige Verwirrung ihres 79-jährigen Vaters Ernst findet die Kochbuchautorin Britta Hofmeister eine ganze Weile genügend Ausreden. Doch sein Zustand verschlechtert sich immer mehr, ...

Für die schleichende geistige Verwirrung ihres 79-jährigen Vaters Ernst findet die Kochbuchautorin Britta Hofmeister eine ganze Weile genügend Ausreden. Doch sein Zustand verschlechtert sich immer mehr, was auf eine Demenz schließen lässt und der Familie einen Schreck versetzt. Britta wusste schon immer, dass ihre Eltern aus der DDR stammten, doch bisher wurde nie darüber geredet. Umso erstaunter ist sie, als Ernst immer wieder in die Vergangenheit abtaucht und dabei unbewusst mit immer mehr Details seiner Flucht mit Mutter Leni aus Ostberlin in den Westen im Sommer 1961 herausrückt...
Deana Zinßmeister hat mit „Die vergessene Heimat“ einen sehr spannenden Roman vorgelegt, in dem sie ihre ganz persönliche Familiengeschichte verarbeitet hat und dem Leser damit gleichzeitig ein besonderes Zeitzeugnis präsentiert. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Schreibstil lässt den Leser zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her wandern, wo er zum einen Britta und ihre Familienangehörigen kennenlernt und die fortschreitende Demenz des Vaters mitbeobachtet, zum anderen Ernst und Leni im Jahr 1961 bei der Planung und Flucht begleitet. Während Zinßmeister langsam einen Teil ihrer Familiengeschichte aufrollt, hat man als Leser das Gefühl, hautnah mit dabei zu sein. Gleich einem Kinofilm erlebt man die Aufrichtung des Stacheldrahts unmittelbar vor der Haustür als Vorbote für die später folgende Mauer ebenso mit wie die im Geheimen geschmiedeten Fluchtpläne und wird dabei durch eine Achterbahn der Gefühle gejagt, so plastisch und spannend beschreibt die Autorin die Vorgänge. Schon als Grenzgänger erfährt Ernst am Beispiel eines Kollegen, wie schnell es sich rächt, offen seine Meinung zu sagen. Das wachsende Misstrauen gegenüber allem und jeden aufgrund der Tyrannei durch das Regime und der Stasi wird beklemmend dargestellt und lässt den Wunsch nach Freiheit immer mehr wachsen, schürt aber auch gleichzeitig die Angst vor Entdeckung. Dass die Geflüchteten noch Jahre später nach der gelungenen Flucht Furcht vor der Verfolgung der Stasi hatten, ist verständlich. Neben der Vergangenheitsgeschichte stellt die Autorin empathisch, aber ungeschönt, die Demenzerkrankung ihres Vaters im Gegenwartsteil heraus und lässt den Leser mit der Familie gemeinsam unter den gravierenden Auswirkungen leiden.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt, bestechen durch glaubwürdige menschliche Ecken und Kanten und wirken auf den Leser sehr authentisch und wirklichkeitsgetreu. Gespannt mischt er sich unter sie, um sie bei ihrem Lebensweg ein Stück zu begleiten und mit ihnen zu fiebern. Britta ist eine gestresste Kochbuchautorin, die ihrer Mutter hilfsbereit unter die Arme greift. Lange verdrängt sie die Anzeichen bei ihrem Vater, doch kann sie es irgendwann nicht mehr ignorieren. Sie muss sich nicht nur mit der Krankheit ihres Vaters auseinandersetzen, sondern wird in dieser Zeit auch mit der Vergangenheit ihrer Familie konfrontiert. Ernst ist in jungen Jahren ein Macher mit dem Wunsch nach Freiheit und Gerechtigkeit. Krank im Alter ist er unwirsch, manchmal sogar regelrecht aggressiv, dann wieder teilnahmslos und in Gedanken versunken. Leni hängt sehr an ihrer Familie und will diese nicht verlassen, aber ein Leben ohne ihre große Liebe Ernst kann sie sich auch nicht vorstellen. Als gealterte Frau wirkt Leni ängstlich und gleichzeitig fordernd gegenüber ihren Kindern. Brittas Geschwister spielen ebenfalls untergeordnete Rollen sowie einige andere Protagonisten.
„Die vergessene Heimat“ ist eine berührende, spannende und sehr offen dargebotene Familiengeschichte, die nicht nur die letzten Tage vor dem Mauerbau der DDR und die Flucht sehr plastisch beschreibt, sondern auch die Gegenwart mit den Folgen einer Demenzerkrankung ungeschönt offenbart. Der aussagekräftige Titel ist praktisch Programm. Ein besonderer Dank gilt hierbei der Autorin für ihre Offenheit! Absolute Leseempfehlung für eine einfühlsame und doch realistische Darstellung der jeweiligen Ereignisse!

Veröffentlicht am 09.04.2021

“Das Leben wird vorwärts gelebt,. aber rückwärts begriffen”. (Sören Kierkegaard)

Das Haus des Leuchtturmwärters
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1992 Lützow/Mecklenburg-Vorpommern. Die Thrillerautorin Franzi möchte ihrer Schreibblockade entfliehen und reist dafür an den geliebten Ort ihrer Kindheit, dem ehemaligen Haus ihres Vaters direkt auf dem ...

1992 Lützow/Mecklenburg-Vorpommern. Die Thrillerautorin Franzi möchte ihrer Schreibblockade entfliehen und reist dafür an den geliebten Ort ihrer Kindheit, dem ehemaligen Haus ihres Vaters direkt auf dem Hügel am Leuchtturm. Dort hofft sie, ihre Gedanken wieder in die Spur zu bringen und ihrer Kreativität auf die Sprünge zu helfen, um den Abgabetermin für ihr neues Buch vielleicht doch noch einhalten zu können. Doch all dies gerät in den Hintergrund, als Franzi in ihrem ehemaligen Kinderzimmer unter einer Bodendiele ein Tagebuch findet, dass sie mit seinem Inhalt in die Welt von Else mitnimmt, die 30 Jahre zuvor dort allein mit ihrem Vater gelebt hat…
Kathleen Freitag hat mit „Das Haus des Leuchtturmwärters“ einen wunderschönen Roman vorgelegt, der sich über zwei Zeitebenen erstreckt, die geschickt miteinander verwebt wurden und anhand der deutsch-deutschen Vergangenheit und ihrer Protagonisten zwei Seiten einer Medaille zeigen. Der flüssige, bildgewaltige und empathische Erzählstil lässt den Leser mal an die Seite von Franzi im Jahr 1992 gleiten, mal an die von Elsa, Lulu und Otto im Jahr 1962. Über wechselnde Perspektiven wird ihm dabei nicht nur eine interessante und spannende Spurensuche in der vermeintlichen Gegenwart geboten, sondern er taucht auch in der Vergangenheit in ein politisches Regime ab, dass seine Bürger bis ins kleinste Detail gängelte, bespitzelte und regelrecht in Geiselhaft hielt. Else, Lulu und Otto, die in der DDR aufgewachsen sind und sich innerlich immer mehr von dieser Regierung und seiner Ideologie entfernen, wollen unbedingt raus aus diesem Staat und ihr Leben in Freiheit genießen. Doch dafür müssen sie 40 Kilometer Ostsee überwinden. Allein den Dreien über die Schulter zu schauen, wie sie ihre aberwitzige Flucht planen, jagt den Leser durch eine wahre Gefühlsachterbahn aufgrund der Tatsache, was alles schiefgehen kann und was den jungen Leuten wohl widerfährt, sollten sie erwischt werden. Die dabei von der Autorin erschaffene atmosphärische Stimmung vermittelt auch dem Leser während der Lektüre das ständige Gefühl der Verfolgung und Überwachung und man erwartet regelrecht, im nächsten Moment aufzufliegen. Zusätzlich lässt Freitag den Leser teilhaben an Franzis Recherchen, was wohl aus den drei Fluchtschmiedenden geworden ist und dabei eigene Erinnerungsfetzen aus ihrer Kindheit sowie Dinge in den Unterlagen ihres Vaters hervorkramt, die ihr Rätsel aufgeben. Die Autorin baut ihre exzellente Hintergrundrecherche in die Geschichte mit ein, spielt mit der Aufmerksamkeit des Lesers, schraubt die Spannung immer weiter in die Höhe und gibt ihm das Gefühl, auf beiden Handlungssträngen hautnah dabei zu sein, während er atemlos durch die Seiten fegt.
Glaubwürdig und lebendig gestaltete Charaktere mit sehr menschlichen Zügen nehmen den Leser mit ihrer Authentizität sofort für sich ein, der sich ihnen nur zu gern anschließt und gemeinsam mit ihnen das gesamte Spektrum des Gefühlsbarometers durchleben darf. Franzi ist eine Frau am Scheideweg, die Ablenkung und Neubeginn sucht und die Vergangenheit findet. Elsa ist die Zurückhaltende, Pragmatische, die die Dinge von allen Seiten beleuchtet, bevor sie eine Entscheidung trifft. Sie leidet unter dem eher kühlen Verhältnis zu ihrem Vater, wünscht sich Weite und ein Leben in Freiheit. Ihre Freundin Lulu ist impulsiv und trägt ihr Herz auf der Zunge, was manchmal ganz schön gefährlich werden kann. Otto ist ein talentierter Musiker, der Lulu sein Herz zu Füßen gelegt hat und alles für sie tun würde. Aber gleichzeitig lässt er niemanden hinter die Fassade blicken.
„Das Haus des Leuchtturmwärters“ beschert dem Leser eine feinfühlige, atemberaubende Zeitreise, die neben Liebe, Freundschaft, Familie und Verrat auch einen akribisch recherchierten historischen Hintergrund bietet, der so lebhaft und aussagekräftig strahlt, dass die Lektüre für dauerhafte Gänsehautmomente sorgt. Einfach wunderbar, absolute Leseempfehlung! Chapeau – besser geht es nicht!

Veröffentlicht am 08.04.2021

"Let us not take ourselves too seriously." (Queen Elizabeth II)

Die Queen
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Die 95-jährige Queen Elizabeth II ist mit ihren 70 Jahren auf dem Thron des britischen Empire die dienstälteste Monarchin der britischen Geschichte und gleichzeitig hält sie auch den Rekord der längsten ...

Die 95-jährige Queen Elizabeth II ist mit ihren 70 Jahren auf dem Thron des britischen Empire die dienstälteste Monarchin der britischen Geschichte und gleichzeitig hält sie auch den Rekord der längsten Amtszeit aller derzeit lebenden Monarchen.
Die Journalistin Paola Calvetti hat mit ihrem Buch „Die Queen: Elizabeth II – Porträt einer Königin“ eine außergewöhnlich unterhaltsame Biografie vorgelegt, die Elizabeth II nicht nur als Regentin porträtiert, sondern auch sehr menschlich wirken lässt. Die Queen, das bisher privat doch recht unbekannte Wesen, wird hier dem Leser auf eine feine und ansprechende Art präsentiert, die gleichzeitig das Gefühl entstehen lässt, dass man der Souveränin an einem Banketttisch gegenübersitzt und ihrem Geplauder zuhört.
Flüssig, mit unterschwelligem Witz und Charme arbeitet sich Clavetti von der Kindheit bis zur Gegenwart der Queen vor und lässt dem Leser nicht nur einige bisher unbekannte Details der Monarchin zukommen, sondern würzt diese gleichzeitig auch mit Fotografien der jeweiligen Zeitepochen, die von berühmten Fotografen wie Beaton, Leibovitz, Brian Adams, Lord Snowdon (dem Ex-Mann von Elizabeths Schwester Margaret) und vielen mehr stammen. Calvetti hat exzellent recherchiert, der Leser merkt ihr ihre Passion für die Regentin an, während er sich von ihr mit vielen kleinen Details ins Bild setzen lässt.
„Die Queen: Elizabeth II – Porträt einer Königin“ kann man all jenen ans Herz legen, die sich schon immer gern mehr für die Dinge hinter den Kulissen interessiert haben. Aber auch die große Fans der Monarchin kommen bei diesem Buch auf ihre Kosten. Sehr fein und stilvoll in Szene gesetzt, bravo! Absolute Empfehlung!

Veröffentlicht am 08.04.2021

"Das Geheimnis des Glücks besteht darin, nicht zu viel und nicht zu wenig zu wollen." (Giles Lytton Strachey)

Das Bernsteinmädchen
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1938 begegnet der deutsche Matrose Karl Schnitter in Argentinien seiner großen Liebe Helena, die seinetwegen ihren Vater und ihr Heimatland verlässt, um mit Karl in Neu Boltenhagen an der Ostsee auf dem ...

1938 begegnet der deutsche Matrose Karl Schnitter in Argentinien seiner großen Liebe Helena, die seinetwegen ihren Vater und ihr Heimatland verlässt, um mit Karl in Neu Boltenhagen an der Ostsee auf dem Hof seiner Familie zu leben. Doch Karls Familie ist von Helena nicht gerade begeistert, vor allem Karls Schwester Elsa macht ihr das Leben zur Hölle. Als der Zweite Weltkrieg beginnt, wird auch Karl eingezogen. Helena wird von der Familie wie eine Aussätzige behandelt, und als dann die Meldung von Karls Tod kommt, hält Helena und ihren inzwischen geborenen Sohn Robert nichts mehr in Deutschland.
70 Jahre später erhält Robert über einen Anwalt das Erbe seiner Mutter und wundert sich über deren Vermächtnis. Ein alter Bernstein sowie deren Wunsch, in Deutschland nach seinen Wurzeln zu suchen, bringen Robert aus Argentinien an die Ostsee. Was wird er dort finden?
Hans Meyer zu Düttingdorf hat mit „Das Bernsteinmädchen“ einen sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt, der Vergangenheit und Gegenwart miteinander vereint und eine berührende Geschichte über eine vergangene Liebe zu erzählen weiß. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil nimmt den Leser von der ersten Seite an gefangen und lässt ihn regelrecht an den Seiten kleben. Zwei geschickt miteinander verwobene unterschiedliche Zeitebenen lassen den Leser mal die Gegenwart an Roberts Seite die Reise vom argentinischen Buenos Aires an die Ostsee sowie dessen Spurensuche miterleben, mal in der Vergangenheit Helenas Schicksal kennenlernen, wobei beide Handlungsstränge so lebendig und spannend gestaltet sind, dass die Seiten nur so dahinfliegen und der Leser hautnah am Geschehen beteiligt ist. Helenas Aufenthalt während des Zweiten Weltkrieges ist gezeichnet von viel Ablehnung und Missgunst. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie einsam und allein sie sich ohne Karl gefühlt haben muss und dem Gutdünken ihrer Schwiegerfamilie ausgesetzt war. Der Mut, zu jener Zeit mit einem kleinen Kind zurück in die alte Heimat Argentinien zurückzukehren, ist bewundernswert. Aber auch Roberts Suche nach eventuell noch lebenden Familienangehörigen ist unterhaltsam beschrieben. Robert, der seinen Vater nie kennengelernt hat und auch sonst nichts von der Vergangenheit der Mutter wusste, steht vor einem großen Rätsel, das es zu lösen gilt und auch ihn und sein Leben verändern wird. Mit unvorhersehbaren Wendungen treibt der Autor den Leser an, den Dingen auf die Spur zu kommen und beweist einmal mehr sein großes Talent als Geschichtenerzähler.
Die Charaktere sind facettenreich und liebevoll inszeniert, wirken mit ihren glaubhaften menschlichen Eigenschaften sehr authentisch. Der Leser fühlt sich schnell als Teil von ihnen und darf mit ihnen leiden, hoffen, bangen und fiebern. Helena ist eine sehr sympathische und freundliche Frau, die einiges ertragen muss. Schon immer eine Außenseiterin hat sie sich zu einer Kämpferin entwickelt, die zwar vieles schluckt, doch irgendwann die Konsequenz zieht. Robert ist eine offener, realistischer und ehrlicher Mann, der erst im letzten Drittel seines Lebens einiges über seine Familie erfährt. Während Karl seine Helena aufrichtig liebt, ist seine Schwester Elsa ein Ausbund an Unfreundlichkeit und Gehässigkeit. Aber auch Chauffeur Rico und einige weitere Protagonisten tragen zum Unterhaltungswert dieser Geschichte bei.
Mit „Das Bernsteinmädchen“ bekommt der Leser eine Einladung, in die Vergangenheit zu reisen, um dort neben Liebe, Familiengeheimnissen, Intrigen auch einiges an Tragik mitzuerleben. Wunderbar bildhaft und spannend erzählt, ist hier eine absolute Leseempfehlung mehr als verdient!