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Veröffentlicht am 08.04.2021

Ein atmosphärisch dichter Thriller

Caspars Schatten
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Inhalt: Ewig haben die beiden Geschwister David und Miriam nichts mehr von ihrem Jugendfreund Caspar gehört. Doch dann erreicht sie eine Einladung zu einer Geburtstagsfeier, die Caspar in einem abgelegen ...

Inhalt: Ewig haben die beiden Geschwister David und Miriam nichts mehr von ihrem Jugendfreund Caspar gehört. Doch dann erreicht sie eine Einladung zu einer Geburtstagsfeier, die Caspar in einem abgelegen Gasthaus feiern möchte. Doch so ausgelassen die Feier abends gewesen ist, so groß ist das Erschrecken am nächsten Morgen.

Persönliche Meinung: "Caspars Schatten" ist ein Thriller von Michael Leuchtenberger, in dem auch mystische Elemente vorkommen. Erzählt wird die Handlung hauptsächlich aus der Perspektive von David, der als eher ruhiger und besonnener Typ sympathisch gezeichnet ist. Eine große Stärke des Romans ist die Erzeugung einer latent unbehaglichen und absonderlichen Atmosphäre. In vielen Szenen scheint etwas nicht ganz zu passen, Einzelheiten fallen aus dem Rahmen und Figuren erscheinen merkwürdig, ohne dass man die Merkwürdigkeiten beim Lesen direkt einordnen kann. Handelt es sich nur um harmlose Spleens der Figuren oder versteckte Bedrohlichkeiten, die hinter der Fassade der Normalität hervorlugen? Das Unbehagen, das man beim Lesen verspürt, ist dabei subtil, nicht blutig und sorgt für einen schönen Spannungsbogen. Sprachlich ist der Thriller auf einem gehobeneren Niveau zu verorten, aber dennoch flüssig zu lesen. Auch der Haupthandlungsort, ein abgelegenes Schloss, hat mir gut gefallen. Es ist verwinkelt, birgt Geheimnisse und erinnert insgesamt an die Schlösser der Schauerliteratur. Das Ende ist insgesamt schlüssig und stimmig, allerdings blieben für mich nach dem Epilog noch (kleinere) Fragen zum weiteren Verbleib einzelner Figuren offen. Insgesamt ist "Caspars Schatten" ein spannender Thriller, der besonders durch eine latent unbehagliche Atmosphäre besticht.

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Veröffentlicht am 08.04.2021

Ein psychologischer Thriller der anderen Art

Die Wälder
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Inhalt: Nina erhält eine schockierende Nachricht. Tim, ihr bester Freund aus Kindheitstagen, ist bei einem Unfall gestorben. Kurze Zeit später erreicht sie ein Brief von Tim: Seine letzten Tage hat er ...

Inhalt: Nina erhält eine schockierende Nachricht. Tim, ihr bester Freund aus Kindheitstagen, ist bei einem Unfall gestorben. Kurze Zeit später erreicht sie ein Brief von Tim: Seine letzten Tage hat er damit verbracht, herauszufinden, was mit seiner in den Wäldern rund um sein Heimatdorf verschwundenen Schwester passiert ist. Mit diesem Bericht verbunden ist eine Bitte. Falls Tim etwas passieren sollte, solle Nina sein Werk vollenden, den Täter stellen und die Schwester finden.

Persönliche Meinung: "Die Wälder" ist ein Psychothriller von Melanie Raabe. Die Handlung ist in zwei Erzählstrange aufgeteilt, die beide ungefähr eine gleiche Länge besitzen. Der erste Strang handelt von Ninas Mission, aufzuklären, was mit Tims Schwester passiert ist. Der andere Erzählstrang spielt im Dorf, in dem Nina und Tim aufgewachsen sind. Melanie Raabe benutzt in "Die Wälder" häufig Irritationsmomente, sodass man besonders zu Beginn vieles (noch) nicht richtig einordnen kann und etwas verwirrt wird (was ich nicht unbedingt negativ meine). Der Schluss klärt allerdings alle Fragen. Der Thriller beschäftigt sich insgesamt weniger mit der Frage nach dem "Wer?". Wer der potentielle Täter ist, wird recht früh beantwortet. Der Fokus liegt hier stärker auf dem "Was?". Was ist tatsächlich in der Nacht des Verschwindens von Tims Schwester passiert? Thrillmomente werden auf einer psychologischen Ebene erzeugt. Aufgrund eines traumatischen Erlebnisses in ihrer Kindheit und ihrem Auftrag, den Mörder von Tims Schwester zu finden, ist Nina sehr angespannt und vorsichtig, weshalb sie teilweise Gefährdungen antizipiert, die aber nicht eintreten. Als Leser*in erlebt man so - mit Nina - ein Wechselbad aus Ent- und Anspannung. Daneben dreht sich die Handlung aber auch viel um Freundschaft. So begleiten wir im zweiten Erzählstrang eine Clique, die ihre Kindheit im Dorf verlebt. Dabei werden auch leichte Coming-of-Age-Elemente eingebaut. Auch am Ende des Nina-Handlungsstranges ist Freundschaft wichtig, aber Näheres dazu würde zu viel spoilern. Insgesamt hat mir der Thriller gut gefallen, weil er - im Vergleich zu anderen Thrillern - aus dem Rahmen fällt, bestimmte Dinge anders angeht (z.B. die ausgiebige Thematisierung von "Freundschaft"; Fokus auf dem "Was?") und dadurch leicht mit Erwartungen an das Genre bricht. Daran muss man sich zunächst gewöhnen (Anfangs war ich z.B. enttäuscht, dass der Täter so schnell festand; später entwickelte die Handlung aber genau durch diesen Umstand ihre Stärke.) Insgesamt ist "Die Wälder" ein flüssig zu lesender und spannender Psychothriller, bei dem man allerdings zunächst leichte "Startschwierigkeiten" überwinden muss, um in die Handlung eintauchen zu können.

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Veröffentlicht am 31.03.2021

Eine schöne Schachtelerzählung

Der Bücherdrache
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Vorab eine kleine Spoilerwarnung: Zum besseren Verständnis beschreibe ich in der Rezension kurz, was ein Buchling ist. Das ist ein kleiner Spoiler zu „Die Stadt der Träumenden Bücher“. Zur Handlung des ...

Vorab eine kleine Spoilerwarnung: Zum besseren Verständnis beschreibe ich in der Rezension kurz, was ein Buchling ist. Das ist ein kleiner Spoiler zu „Die Stadt der Träumenden Bücher“. Zur Handlung des Buches wird aber nichts gespoilert.

Inhalt: Der Buchling Hildegunst Zwei möchte unbedingt zu den „Ormlingen“, einer Buchling-Geheimorganisation, gehören. Doch zuerst muss er das Aufnahmeritual überstehen: Er soll zum Ormsumpf, der tief in den Katakomben unter Buchhaim verborgen ist, reisen und dem sagenumwobenen Bücherdrachen Nathaviel eine Frage stellen.

Persönliche Meinung: „Der Bücherdrache“ von Walter Moers ist der neunte Roman des Zamonien-Zyklus. Wie schon in anderen Werken Moers‘ kommt es auch hier wieder zu einer Herausgeberfiktion: Moers gibt sich nur als Übersetzer aus dem Zamonischen aus; der eigentliche Autor sei Hildegunst von Mythenmetz. Die Erzählung ist mit seinen knapp 170 Seiten nicht so umfangreich wie andere Romane Moers‘ und besitzt insgesamt eher Züge einer Novelle. So setzt sich der Roman z.B. aus Rahmenhandlung und (zweifacher) Binnenerzählung zusammen, die Handlung ist einsträngig und insgesamt eine „unerhörte Begebenheit“. Die Handlung selbst ist eine kleine Abenteuergeschichte und dreht sich – wie vorherige Romane von Moers – um Literatur und das Orm (die Kraft, die kreative Prozesse und besonders vollkommene Literatur erzeugt). Die Figur des Bücherdrachen ist außerdem eine schöne Ergänzung innerhalb des Zamonien-Universums, da sie die Kraft des Orms bildhaft darstellt. Wodurch „Der Bücherdrache“ sich aber besonders auszeichnet, ist der Aufbau der Handlung. Dieser ist vergleichsweise komplex, verschachtelt und dadurch interessant. (Ich hoffe, ich drifte jetzt nicht zu sehr ab und werde nicht allzu trocken und theoretisch). Die Novelle beginnt mit einem kleinen Comic, der die Rahmenhandlung bildet: Hildegunst von Mythenmetz (der Lindwurm) ist in einem luziden Traum, in dem er den Buchling Hildegunst Zwei trifft. (Buchlinge sind kleine, einäugige Zyklopen, die in den Katakomben von Buchhaim wohnen. Jeder Buchling lernt das Werk eines bestimmten Autors auswendig und trägt den Namen des jeweiligen Autors. Hildegunst Zwei memoriert das Werk Hildegunst von Mythenmetz‘). Der eigentliche Kern der Novelle, also die Binnenerzählung, ist nun das Bücherdrachen-Abenteuer von Hildegunst Zwei. Dieses wird in Form eines Dialogs zwischen Hildegunst Zwei und Hildegunst von Mythenmetz erzählt, bei dem sich Hildegunst von Mythenmetz – obwohl er als übergeordnete Erzählinstanz auftritt – auf einzelne Nachfragen beschränkt. Hildegunst Zwei tritt in seinen Dialoganteilen als Ich-Erzähler auf. Um die Verschachtelung noch auf die Spitze zu treiben, gibt es in der Erzählung von Hildegunst Zwei noch eine Binnenerzählung (zweiten Grades): Der Bücherdrache (die Figur) erzählt Hildegunst Zwei seinen Lebensweg. Runtergebrochen: Hildegunst v. M. erzählt uns eine Traumgeschichte, in der Hildegunst Zwei ihm eine Geschichte erzählt, in der der Bücherdrache Hildegunst Zwei eine Geschichte erzählt. Eine Geschichte in einer Geschichte in einer Geschichte. Aber damit sind wir noch nicht am Ende. Zwischen dem Autor Hildegunst v. M. und uns als Leser*innen hat sich noch eine Person geschlichen: der „Übersetzer“ Moers. Das, was „Der Bücherdrache“ besonders macht, ist weniger die Handlung, sondern viel mehr dieser komplexe Aufbau, sodass die Novelle eine schöne Schachtelerzählung ist.

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Veröffentlicht am 24.03.2021

Ein Krimi mit einer außergewöhnlichen Thematik

Die Komplizen des Todes
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Inhalt: Bei einer Massenkarambolage erwartet die Polizisten ein schrecklicher Fund: 48 Leichen in einem Lastwagen-Container. Der Fahrer ist verschwunden, die Leichen, scheinbar mit einer hochansteckenden ...

Inhalt: Bei einer Massenkarambolage erwartet die Polizisten ein schrecklicher Fund: 48 Leichen in einem Lastwagen-Container. Der Fahrer ist verschwunden, die Leichen, scheinbar mit einer hochansteckenden Krankheit infiziert, ohne Ausweis oder sonstige Papiere. Doch damit nicht genug: Die Lüftungen des Containers sind mit Klebeband versiegelt worden, sodass nicht mehr von Unfalltoten die Rede sein kann.

Persönliche Meinung: „Die Komplizen des Todes“ ist der dritte Band der Krimi-Reihe um die Kommissarin Laura Braun und die Gerichtsmedizinerin Elena Salonis (zugleich ist „Die Komplizen des Todes“ auch der erste im Kirschbuch Verlag erschiene Band der Reihe). Auch wenn man die vorherigen Bände nicht kennt, kommt man zügig in die Handlung und kann die Beziehungen der Figuren untereinander nachvollziehen. Der Fall ist außerdem in sich abgeschlossen. Inhaltlich dreht sich „Die Komplizen des Todes“ um ein außergewöhnliches Thema: die Nutzung bzw. den Handel von und mit menschlichen Leichen. Atmosphärisch dicht sind dabei besonders die Szenen, die in einer Ausstellung spielen, die an „Körperwelten“ erinnern. Erzählt wird die Handlung abwechselnd aus der Perspektive von Laura Braun und Elena Salonis (dritte Person), die eine nicht reibungslose Freundschaft teilen. Der Schreibstil von Kirsten Sawatzki ist insgesamt sehr eingängig und flüssig zu lesen, was den Krimi zu einer angenehmen Lektüre macht. Die Konstruktion des Falls hätte für mich allerdings noch etwas undurchsichtiger und verworrener sein können. Zwar sind die Täteridentität und das Ende überraschend, allerdings war mir die Fallaufklärung insgesamt etwas zu gradlinig, wodurch falsche Fährten zu kurz kamen. Insgesamt ist „Die Komplizen des Todes“ ein angenehm geschriebener, spannender Schmöker, der in Sachen Komplexität etwas hätte zulegen können.

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Veröffentlicht am 08.04.2021

Ein modernes Kunstmärchen

Spiegel, das Kätzchen
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Inhalt: Für Spiegel, einem Kätzchen, ist das behagliche Leben vorbei, als seine Besitzerin stirbt. Spiegel ist obdachlos, magert ab und droht zu verhungern. Doch plötzlich taucht ein Hexenmeister auf, ...

Inhalt: Für Spiegel, einem Kätzchen, ist das behagliche Leben vorbei, als seine Besitzerin stirbt. Spiegel ist obdachlos, magert ab und droht zu verhungern. Doch plötzlich taucht ein Hexenmeister auf, der Spiegel einen Handel vorschlägt: Spiegel dürfe bei freier Kost und Logis bei ihm wohnen, wenn der Hexenmeister im Gegenzug beim nächsten Vollmond den Schmer (die Fettschicht) Spiegels bekommt, was für das Kätzchen allerdings tödlich enden würde.

Inhalt: "Spiegel, das Kätzchen" ist eine Novelle von Gottfried Keller, die zuerst im Novellenzyklus "Die Leute von Seldwyla" erschienen ist. Erzählt wird sie aus der Perspektive Spiegels. Was die Novelle besonders interessant macht, ist, dass sie in der Tradition mehrerer Genres steht. Einerseits finden sich Anleihen an Märchen (suggestiver Untertitel: "Das Märchen"; mehrmalige Nutzung der Dreizahl), andererseits aber auch Strukturen, die an Fabeln (Personifikation und Sprachfähigkeit Spiegels; belehrende Pointe) und Schwänke erinnern. Innerhalb der Erzählung existiert nämlich noch eine Erzählung zweiter Ordnung: Eine von Spiegel fingierte Liebesgeschichte, mit der er dem Hexenmeister ein Schnippchen schlägt. So entpuppt sich Spiegel, das Kätzchen, als ein kleiner Eulen"spiegel" (Später in der Handlung taucht auch noch eine sprechende Eule auf, was das Wort "Eulenspiegel" komplettiert und als humoristische Referenz gesehen werden kann). Der Erzählstil zeichnet sich durch eine klare, detaillierte Sprache aus. Die Ausgabe des Reclam Verlags wird abgerundet durch einen Stellenkommentar und ein Nachwort von Alexander Honold, das in Entstehung, Interpretation, Rezeption und Erzählstruktur der Novelle einführt. Insgesamt ist "Spiegel, das Kätzchen" eine humoristische Erzählung, die verschiedene Genretraditionen verbindet.

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