REZENSION – Eine spannende und bei umfassendem historischen Informationsgehalt gut unterhaltende Lektüre sind die ersten zwei Bände der neuen Kriminalreihe von Thomas Ziebula (66) um den Leipziger Kriminalisten Paul Stainer im Jahr 1920, dessen zweiter Fall „Abels Auferstehung“ kürzlich im Wunderlich Verlag veröffentlicht wurde. Nur gut, dass zeitgleich der erste Band „Der rote Judas“ (2020) in Taschenbuchausgabe erschien, schließt doch der zweite Band in Handlung und Personen nahtlos an den ersten an. Liest man beide Bände auf einmal, verstärkt sich zweifellos die atmosphärische Wirkung.
Wir befinden uns in Leipzig zum Jahresanfang 1920, kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs. Heimgekehrt von seiner „erholsamen Frankreichreise“, wie Paul Stainer seinen Fronteinsatz und die vierjährige Kriegsgefangenschaft in Frankreich zynisch nennt, wird der Ex-Kommissar als Leiter der Mordinspektion mit Beförderung zum Kriminalinspektor wieder in den Dienst der Kriminalpolizei aufgenommen. Es ist die turbulente Anfangszeit der noch ungefestigten Weimarer Republik, in der sich konservative, monarchistische Gruppen, allen voran die Schwarze Reichswehr, mit republikanischen Sozialisten und Kommunisten Straßenschlachten liefern, während Freikorpstruppen unter General Georg Maerker nur mühsam für Ordnung sorgen und die junge Republik schützen. Mit Vertretern beider Gruppierungen muss sich auch Sozialdemokrat Paul Stainer in der eigenen Dienststelle herumplagen.
Diese spannungsgeladene Situation bildet den Hintergrund jener Mordfälle, die Stainer in Ziebullas erster „historischen Erzählung“, wie er seine Krimis nennt, aufzuklären hat. Mit dem jungen Kommissar-Anwärter Junghans und dem ehrgeizigen Kommissar Heinze, beide ebenfalls Kriegsteilnehmer, kommt Stainer der „Operation Judas“, einer rechten Verschwörung, auf die Spur. Im zweiten Band „Abels Auferstehung“ stellt die Leiche eines Kriegsheimkehrers Stainer und Junghans vor ein scheinbar unlösbares Rätsel: Wurde Friedrich Sternberg, ehemals Mitglied einer jüdischen Studentenverbindung, von den radikalen Rechten ermordet? Dann wird auch noch ein deutscher Ex-Soldat bei Basel aus dem Rhein gezogen. Nicht nur Stainer interessiert sich für die Morde, sondern auch Marlene Wagner, junge Journalistin bei der liberalen Leipziger Volkszeitung.
In „Abels Auferstehung“ bilden zwangsläufig auch die politischen Spannungen, stärker aber die sozialen Alltagsprobleme in der unmittelbaren Nachkriegszeit den Rahmen der Erzählung: Während der Kriegsabwesenheit mussten die Frauen deren Arbeit verrichten. Nach Rückkehr der Männer wollen die „Granitköpfe in den Chefsesseln“ die Frauen – wie Kriegerwitwe Josephine König, erste Straßenbahnführerin Leipzigs – wieder „an ihre naturgegebenen Plätze, an Herd und Küchentisch“ zurückschicken.
Autor Thomas Ziebula, den man bisher eher als Jo Zybell und Verfasser mehrfach prämierter Fantasy- und SciFi-Romane kannte, hat mit dieser neuen historischen Krimireihe, deren erster Band auf der Shortlist für den Crime Cologne 2020 stand, einen guten Platz gefunden zwischen Alex Beer, deren Kriminalinspektor August Emmerich zur selben Nachkriegszeit in Wien sich mit ähnlichen Problemen herumschlagen muss, und Volker Kutscher, dessen Kommissar Gereon Rath in Berlin erst in den Endjahren der Weimarer Republik ab 1929 ermittelt. Ziebulas Krimireihe garantiert Spannung und macht dank gewissenhafter Recherche in den Archiven ein Kapitel deutscher Geschichte wieder lebendig. Auf den dritten Band um Kriminalinspektor Paul Stainer, der nach Verlagsauskunft im Januar 2022 erscheinen soll, dürfen wir uns freuen.