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Pantoffeltier

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.09.2022

Nicht nur eine Liebesgeschichte

Jahre mit Martha
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Der fünfzehnjährige Željko wird von allen Jimmy genannt, da man sich in Deutschland mit seinem Namen schwertut. Seine Mutter putzt unter anderem bei Martha, einer Professorin, die beeindruckt von Željko ...

Der fünfzehnjährige Željko wird von allen Jimmy genannt, da man sich in Deutschland mit seinem Namen schwertut. Seine Mutter putzt unter anderem bei Martha, einer Professorin, die beeindruckt von Željko ist, der alles liest, was er in die Finger bekommt. Martha fordert und fördert Željko. Es entspinnt sich über Jahre hinweg eine komplizierte Beziehung.

Gerade die Darstellung dieser Beziehung gefiel mir sehr gut. Natürlich gibt es auch eine sexuelle Anziehungskraft, aber der Autor lässt noch so viel mehr ganz subtil mitschwingen.
Es ist wird nicht nur eine Liebesgeschichte erzählt, sondern auch die Geschichte eines Erwachsenwerdens, einer Emanzipation von Förderern, Erwartungen, Ansprüchen, Lebensentwürfen, um selbsterfüllende Prophezeiungen, darum den Weg zu finden aber sich auch immer wieder zu verlaufen. Es geht um Aufstieg und Scheitern, Familie und Identität, Anpassung und "Selbstfindung".
Teilweise ist die Schreibweise poetisch, berührend und fast schon romantisch und dann wieder sehr bodenständig.
Einige kroatischen Begriffe werden nicht erklärt, das fand ich aber nicht weiter störend. Man kann selbst nachschlagen, wenn man es möchte. Überhaupt lässt der Autor viel Raum zum selbst nachdenken. Und natürlich sind da ganz viele heiß diskutierte Themen im Text.
Eine gewinnbringende Lektüre die zum Diskutieren und Mitdenken einlädt.

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Veröffentlicht am 24.07.2022

Die Datscha

Das Leben vor uns
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Anja und Milka wachsen im Moskau der 80er Jahre auf. In der Datscha der Eltern verbringen sie ganze Sommer. Ihr Alltag wird von Mangel und politischer Unsicherheit bestimmt. Anja ist fasziniert von der ...

Anja und Milka wachsen im Moskau der 80er Jahre auf. In der Datscha der Eltern verbringen sie ganze Sommer. Ihr Alltag wird von Mangel und politischer Unsicherheit bestimmt. Anja ist fasziniert von der lebenshungrigen, abenteuerlustigen Milka, die laut und vulgär ist und sich nichts sagen lassen will und doch eine seltsame Ernsthaftigkeit hat. Sie sind unzertrennlich, bis sich eine Tragödie ereignet. Fast 20 Jahre später kehrt die inzwischen in den USA lebende Anja zurück, da die Datscha ihrer Eltern von einem Invenstor gekauft werden soll.

Kristina Gorcheva-Newberry wuchs selbst in Moskau auf und emigrierte wie die Hauptperson in die USA. Man merkt dem Text an, dass sie aus eigenen Erfahrungen oder vielleicht Erzählungen von Bekannten schöpfen kann. Man hat als Leser*in das Gefühl einen sehr ehrlichen, ungeschönten Blick auf das Aufwachsen der Jugendlichen zu bekommen. Es tauchen nur wenige Personen auf, die jedoch umso sorgfältiger betrachtet werden. Die Jugendlichen sind fasziniert von westlicher Musik und Kultur, sehnen sich nach Paris, Rom, New York, wohl wissend, dass ihr Leben ganz anders ablaufen wird. Gewalt, Missbrauch und Ungerechtigkeit werden stoisch ertragen und als selbstverständlicher Teil des Alltages in Russland hingenommen. Trotz Wissens um die Fehler der Politik stehen die meisten hinter der politischen Führung, wurschteln sich mehr oder weniger legal durch oder wählen die Emigration. Gleichzeitig beschreibt die Autorin sehr schön die Freundschaft der Jugendlichen, alltägliches Glück und berührende Erlebnisse. Referenzpunkt ist immer wieder Tschechows "Kirschgarten", zu dem es sehr viele Paralellen, nicht nur in der Auswahl der Namen der Charaktere, gibt. Während bei Tschechow aus der Leibeigenschaft befreite Neureiche das Gut der verarmten Adligen aufkaufen um Datschen zu errichten, sind es nun die Schergen zwielichtiger Oligarchen, die die Datschen einebnen und Hotels bauen möchten.


Ein fesselndes, bittersüßes Buch, das trotz schwerer Themen leicht lesbar daherkommt. Die Autorin wirft einen kritischen Blick auf die russische Gesellschaft, macht es ihrer Hauptperson dabei aber nicht zu leicht. Sie lässt erkennen, wie komplex die Zusammenhänge sind und wie sehr die Menschen, und dadurch auch die Gesellschaft, von den vergangenen Ereignissen, ob nun persönlich oder "gesellschaftlich-historisch" beeinflusst sind. Auch wenn man sich so gar nicht für Russland/die UdSSR interessiert empfehlenswert. Eine schöne, grausame, beunruhigende Geschichte über Freundschaft, Familie und Heimat.

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Veröffentlicht am 31.01.2022

Beziehungen

Milch Blut Hitze
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Mit Kurzgeschichten kann ich selten etwas anfangen, weswegen ich eher zögerlich in diesen Band hereingelesen habe. Der Schreibstil hat mich jedoch gleich gepackt und ich hatte die Lektüre doch recht schnell ...

Mit Kurzgeschichten kann ich selten etwas anfangen, weswegen ich eher zögerlich in diesen Band hereingelesen habe. Der Schreibstil hat mich jedoch gleich gepackt und ich hatte die Lektüre doch recht schnell beendet.

Alle Geschichten spielen in Florida, der Fokus liegt auf PoC, besonders Frauen. Die Autorin schafft es meisterhaft die auftretenden Figuren kurz und prägnant zu skizzieren, sodass man mitfühlen kann. Die Atmosphäre der Geschichten ist meist beunruhigend und düster. Die Themen sind etwa Trauer über eine Fehlgeburt, der Umgang mit schwerer Krankheit und Tod. Trotzdem habe ich die Geschichten nicht als bedrückend empfunden (wenn auch stellenweise als beunruhigend).

Es geht um verschiedene Arten von Beziehungen. Um Mutterschaft, Freundschaft, Paarbeziehungen, Geschwisterbande. Oft werden gerade die Abgründe beleuchtet. Viele Geschichten enden im Unklaren und lassen Raum zum Interpretieren und Weiterspinnen.

Wie das immer so ist, haben mir nicht alle Geschichten gleich gut gefallen. Insgesamt mochte ich jedoch die Vielfältigkeit und Intensität der Geschichten und empfehle sie gern weiter.

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Veröffentlicht am 08.11.2021

Verwoben

Wolkenkuckucksland
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Der Pulitzerpreisträger Anthony Doerr legt mit Wolkenkuckucksland einen vielschichtigen neuen Roman vor. Es geht um verschiedene junge Menschen, die zu verschiedenen Zeiten leben, und alle nach ihrem Weg ...

Der Pulitzerpreisträger Anthony Doerr legt mit Wolkenkuckucksland einen vielschichtigen neuen Roman vor. Es geht um verschiedene junge Menschen, die zu verschiedenen Zeiten leben, und alle nach ihrem Weg suchen.

Da wären Omeir und Anna, die im 15. Jahrhundert um ihr Überleben kämpfen. Omeir, dessen Gesicht seit seiner Geburt entstellt ist, wird als Junge aus seiner Familie herausgerissen und soll für den Sultan das große Konstantinopel mit erobern. Anna arbeitet als Näherin in ebendieser mittelalterlichen Metropole und kämpft während der Belagerung um ihr Leben.

Seymour plant im Jahre 2020 aus falsch geleitetem Idealismus einen Anschlag auf die Bücherei seiner Heimatstadt, während dort fünf junge Schüler ein Theaterstück mit einem Koreaveteran einstudieren. Und die junge Konstance befindet sich in ferner Zukunft auf dem Weg zu einem erdähnlichen Planeten. All diese Protagonisten vereint die antike Prosaerzählung „Wolkenkuckucksland“, die nur bruchstückhaft überliefert ist und die das Leben der Protagonisten auf elementare Weise beeinflusst. Bei der Lektüre des Klappentextes war ich zunächst skeptisch. Das klang kompliziert und verkopft. Doch die Zweifel zerstreuten sich beim Reinlesen. Man hat sofort Bilder im Kopf und fühlt mit den Protagonisten mit.

Doerr schafft es auf raffinierte Weise die Geschichten der jungen Menschen zu verknüpfen und den Leser in seinen Bann zu ziehen. Problemlos springt er dabei in rasantem Tempo durch die Zeit und webt eine Jahrhunderte umspannende, vielschichtige Erzählung. Dabei laufen die einzelnen Handlungsstränge nicht nur nebeneinander her, sondern verbinden sich, trennen sich, nehmen aufeinander Bezug.

Gerne wäre man noch tiefer in die einzelnen Schicksale eingetaucht. Am Ende bleibt wie bei allen herausragenden Romanen neben dem großen Glück etwas so wertvolles gelesen zu haben, auch die Wehmut, dass die Geschichte so schnell ihr Ende gefunden hat.

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Veröffentlicht am 11.04.2021

Eine außergewöhnliche Lebensgeschichte erzählt in einer rundum gelungenen Biographie

Jeanne d'Arc
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Gerd Krumeichs Werk über die Lebensgeschichte der französischen Ikone
Jeanne d'Arc ist durchweg lesenswert und besticht durch seine akribische
Recherche. Krumeich orientiert sich dabei streng an historischen
Fakten ...

Gerd Krumeichs Werk über die Lebensgeschichte der französischen Ikone
Jeanne d'Arc ist durchweg lesenswert und besticht durch seine akribische
Recherche. Krumeich orientiert sich dabei streng an historischen
Fakten und bemüht sich mit Mythen und Gerüchten aufzuräumen. Dies macht er auch in der Einleitung deutlich, wenn er gegen Kollegen
austeilt, die es mit den Fakten nicht so genau genommen haben.
Krumeichs Schreibstil ist flüssig und somit gut lesbar. Einziger
Kritikpunkt sind die teils sehr verwirrenden Nennungen der verschiedenen
historischen Persönlichkeiten, bei deren Einordnung in den historischen
Kontext man gerade zu Anfang Probleme hat. Herausragend sind die vielen
Zitate von Zeitzeugen, die der Autor geschickt in seine Geschichte
einbaut. Der Leser erfährt von einem von Krieg und Plünderungen
zerrissenem Land, in dem die Herrschaftsverhältnisse in stetigem Umbruch
sind. Auch sind die Menschen im 15.Jahrhundert sehr gläubig und das
Angebot an christlichen Glaubensgemeinschaften sehr groß. So ist es kein
Zufall, das die junge Jeanne Stimmen hört, die ihr befehlen zum König zu
ziehen und Orleans zu befreien. Bekanntermaßen werden ihre Erfolge mit Misstrauen und Angst beäugt und Jeanne D'Arc wird schließlich angeklagt. Es ist sehr beeindruckend, wie stark der Glaube und der Wille dieser jungen Frau war, der sie ihre Prozesse mit Anmut und Stärke ertragen lies. Ein empfehlenswertes Buch für alle, die mehr über diese historische Persönlichkeit erfahren möchten und sich dafür interessieren, was hinter den Mythen steckt, die sich um sie ranken.

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