Ein typischer Mosebach
Krass„Die Kraft eines Genies besteht darin, die Realität seinem Willen zu unterwerfen und nach seinem Willen zu formen.“
Er macht seinem Namen – selbstverständlich – alle Ehre: Ralph Krass, ein undurchsichtiger ...
„Die Kraft eines Genies besteht darin, die Realität seinem Willen zu unterwerfen und nach seinem Willen zu formen.“
Er macht seinem Namen – selbstverständlich – alle Ehre: Ralph Krass, ein undurchsichtiger Waffenhändler, der Ende 1988 umgeben von einer Handvoll „Freunde“ (man könnte auch sagen: Claqueure, wenn nicht gar Schmarotzer) so etwas wie Urlaub in Neapel verbringt. Seinem unbedarften Assistenten, dem erfolglosen Kunsthistoriker Dr. Jüngel, obliegt es, sich um alles Organisatorische zu kümmern. Dazu gehört nicht nur die Aufsicht über einen prallvollen Geldkoffer – Herr Krass bevorzugt Barzahlung –, sondern auch die Akquise eines neuen Mitglieds der ebenso illustren wie befremdlichen Gesellschaft: Lidewine Schoenemaker, jung, hübsch, sinnlich, und, seit sie ihren Liebhaber-Schrägstrich-Arbeitgeber, einen zweitklassigen Zauberkünstler, verlassen hat, arbeitslos und pleite. Krass ist großzügig, sehr sogar, allerdings nur, wenn man sich unwidersprochen und in jeglicher Hinsicht seinen Wünschen beugt. Das muss nicht nur die bezaubernde Lidewine feststellen, sondern auch der ach so loyale Jüngel, der im zweiten Teil des Romans ebenso arbeitslos und pleite wie einst Lidewine in Frankreich strandet und mit seinem Schicksal hadert. Im dritten Teil schließlich werden sich die Wege der drei in Kairo wieder kreuzen: zwanzig Jahre später und unter gänzlich veränderten Vorzeichen.
Das Wesen verkündende Namen, eine fulminante Sprache, die teils von großer Eleganz, teils von einem Hang zum Manierismus geprägt sind (auch in diesem Roman wird das Sofa zum „Sopha“, das Telefon zum „Telephon“ und „daß“ wird selbstredend mit „ß“ geschrieben), und Figuren, die während des Lesens Stirnrunzeln und Schmunzeln, Mitleid und Abscheu – und nicht selten alles zugleich – wecken: „Krass“ ist, wenn man so will, ein typischer Mosebach-Roman, was oftmals nichts anderes bedeutet als dass man ihn entweder feiert oder genervt die Augen verdreht und die Lektüre abbricht. Auch wenn der Sprachpomp mir bisweilen zu viel wurde und ich auf die eine oder andere Wortziselierung durchaus hätte verzichten können, habe ich Mosebachs neuen Roman mit außerordentlicher Freude gelesen. Dennoch würde ich ihn nicht uneingeschränkt empfehlen wollen, denn eines ist er ganz gewiss nicht: ein Allerweltsbuch, das immer und überall jede und jeden anspricht, unterhält, fesselt.