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Veröffentlicht am 14.05.2021

Ein hochspannendes, originelles und atmosphärisches Finale!

Crush the King
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Nachdem ich letzte Woche mit "Protect the Prince" den zweiten Teil der Splitterkrone-Trilogie von Jennifer Estep beendet hatte, war ich natürlich sehr gespannt auf den Abschluss von Evies Abenteuer, welcher ...

Nachdem ich letzte Woche mit "Protect the Prince" den zweiten Teil der Splitterkrone-Trilogie von Jennifer Estep beendet hatte, war ich natürlich sehr gespannt auf den Abschluss von Evies Abenteuer, welcher direkt im Anschluss als Buddyread mit Sofia von "Sofias kleine Bücherwelt" folgte (sie ist ein mindestens ebenso großer Nikolai-Lantsov-Fan wie ich, schaut unbedingt mal vorbei!😊). Mit meiner Namensvetterin habe ich im letzten Jahr schon "Sweet Like You" gelesen - was leider eher mäßige Begeisterung in uns ausgelöst hat, weshalb wir jetzt einen neuen Versuch wagten! Und wer sagt´s denn: bei "Crush the King" waren wir uns schnell eilig, dass auch das Finale großes Highlightpotential hat.

Nach dem etwas schwächeren Band 2 gefällt mir der Abschlussband der Reihe wieder um einiges besser. Das schlägt sich auch in der Gestaltung nieder. Band 3 ist genau wie "Kill the Queen" und "Protect the Prince" in einem typischen, unspektakulären Jugendbuch-Fantasy-Stil gehalten, enthält aber viele passenden Einzeldetails, die den Gesamteindruck deutlich aufwerten. Zusehen ist hier die Silhouette einer Frau mit wehenden Haaren, Schwert in der Hand, die von einem Blick auf eine steinerne Brücke und brandende Wellen ausgefüllt wird, was sich interessant vom hellen Hintergrund abhebt. Bei der Brücke muss ich nach dem Lesen sofort an eine gewisse Szene des Buches denken, weshalb ich dieses Motiv sehr mag. Auch die Staubfetzen des hellblauen Hintergrunds finde ich passend, da man diese sowohl als Schneesturm, als auch als der Staub einer Arena interpretieren könnte. Schade finde ich aber, dass hier genau wie schon in Band 2 die in Band 1 angefügte Karte fehlt und die drei großen Abschnitte nicht wie in Band 1 zusätzlich ausgestaltet sind. Gerade da wir erneut verreisen und andere Königreiche kennenlernen, wäre eine Karte hier sehr hilfreich gewesen!


Erster Satz: "Der Tag, an dem die Regaliaspiele für mich eigentlich begannen, fing an wie jeder andere."


Zu Beginn nimmt sich die Autorin wenige Kapitel Zeit, Geschehnisse der Vorgängerbände zu rekapitulieren und durch Wiederholungen und beiläufig eingestreute Erklärungen die Rückkehr zu Evie nach Bellona zu erleichtern. Dies ist natürlich sehr leserfreundlich, da ich ja aber direkt aus Band 2 gestartet bin, hat sich das erste Kapitel ein bisschen gezogen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Einstieg verschlafen wäre - im Gegenteil: gleich auf den ersten Seiten werden wir mit einer neuen Bedrohung konfrontiert. Dass ein Haufen an Attentätern die neu gekrönte Königin umbringen will, ist nichts Neues, damit hat sich Evie schon in "Protect the Prince" herumgeärgert. Hier stammt der Mordanschlag jedoch nicht von ihrem tödlichen Erzfeind Morta, sondern von der Insel Fortuna, dem Domizil der Präge, einer reichen als Bank fungierenden Adelsfamilie, die nicht nur wegen ihrer skrupellosen Geldjäger bekannt sind, sondern auch die alle drei Jahre stattfindenden Regalia-Spiele ausrichten. Die Fortuna Präge wäre schon unter normalen Umständen ein gefährlicher Feind, doch nun stehen ausgerechnet die Regalia-Spiele kurz zuvor, was bedeutet, dass Evie mit ihrem Gefolge abermals ins Feindgebiet reisen muss. Doch wie wir unsere starke Protagonistin bislang kennengelernt haben, hält sie das nicht davon ab, mit hoch erhobenem Haupt nach Fortuna zu reisen und ihre eigenen tödlichen Pläne für die Spiele zu schmieden. Denn wo würde sich eine bessere Gelegenheit bieten, ihre niedergemetzelte Familie endlich zu rächen und Bellona vor ihrem Erzfeind aus Morat zu beschützen...

Genau wie bei Band 1 und 2 erzählt Jennifer Estep hier wieder eine in sich abgeschlossene Geschichte, die zwar auf Informationen und Figuren des ersten Teils aufbaut, ansonsten jedoch mit alleine stehen könnte. Mit wenigen Modifikationen könnte man "Crush the King" auch insofern als Einzelband begreifen, als dass Spannungsbogen und Handlungen in sich rund sind und nicht zusehr auf Vorangegangenem beruhen. Um zu gewährleisten, dass es nicht direkt nach dem gewohnten Schema weitergeht, hat sich Jennifer Estep wieder ein neues, spannendes Konzept überlegt: die Regalia Spiele. Jene sind eine Mischung aus Überlebenskampf in und außerhalb von Gladiatorenkämpfen, Zirkus mit Jahrmarktambiente und Bühne für Selbstpräsentation und Intrigen der Herrscher. Neben opulenten Bälle mit Tanzduellen, gibt es auch ein traditionelles Kartenspiel der Herrscher und jede Menge Raum, gegenseitige Fronten auszuloten und Intrigen zu schmieden. Hier wird also schon allein durch das sehr dynamische und energiegeladene Setting viel Spannung und Konfliktpotential für die Handlung gewonnen.


"Ich will den verdammten König zerquetschen." Ich schlug mit der Hand auf die Mauer. "Ich will ihm noch das Letzte, was ihm etwas bedeutet, nehmen, egal, wie klein und unscheinbar es ist. Ich will ihn fesseln, ihn brechen und ja, vor allem will ich ihn töten. Aber erst, nachdem er einen Teil der Schmerzen empfunden hat, die er mir bereitet hat."


Unterstützt wird dieser Eindruck durch den für High Fantasy recht temporeichen und dynamischen Erzählstil, der die Handlung zu jeder Zeit vorwärts treibt und Längen verhindert. Mit spannenden Kämpfen, Intrigen, Geheimnissen, Reisen durch mehrere Königreiche, der Vorstellung von Fabelwesen wie Gargoyles, Strixen oder (unfassbar niedlichen) Caladriussen und dem Kennenlernen von verschiedenen Arten von Magiern - Murkse, die eine verbesserte Körpereigenschaft besitzen, Morphe, die sich in Monstergestalten verwandeln, Magier, die Elemente kontrollieren und Meister, die aus Materialien die beeindruckendsten Dinge herstellen können - bekommen wir zu jeder Zeit genügend Spannendes präsentiert, dass man darüber wegsehen kann, dass "die Außenseiterin mit einer geheimen Gabe, die durch einen Schicksalsschlag zur Auserwählten wird, kämpfen lernt und ihr Königreich rettet" nicht gerade ein neues Konzept ist. Jennifer Estep nutzt hier gezielt Fantasy-Klischees und vermittelt mit vielen Szenen an andere Werke erinnernde Vibes, ohne jedoch ins Unglaubwürdige oder Langweilige abzudriften oder die Originalität zu verlieren. So wurde ich zum Beispiel an Kaz Brekker erinnert (das Spiel), bekam deutliche "Throne of Glass"-Vibes (Stichwort: die Brückenszene) und habe auch an der ein oder anderen Stelle eine Querverbindung zu "Game of Thrones" herstellen können (Stichwort: Geldjägerleichen und Mad-Queen-Vibes).

Um auf diese Mad-Queen-Vibes nochmal zurückzukommen: ein paar Worte zur Protagonistin... Selten habe ich von einer so sympathischen und starken Protagonistin gelesen wie in der Splitterkronen-Reihe. Ihre Majestät Everleigh Saffira Winter Blair Königin von Bellona, kurz Evie ist einfach eine Power-Protagonistin, die man einfach lieben muss. Sie ist voller Wut, kalter Berechnung und Entschlossenheit aber auch voll Mitgefühl, Wärme und dem genau richtigen Maß an zerbrechlichem Selbstbewusstsein, sodass man ihr ihren täglichen Kampf mit Freuden abnimmt. "Crush the King" ist genau wie der Vorgänger kein wirkliches Jugendbuch - nicht nur weil hier viele blutige Kämpfe ausgetragen werden und gelegentlich auch Unschuldige abgeschlachtet werden, sondern auch weil die Protagonistin mit ihren 29 Jahren außergewöhnlich "alt" ist. Dass war für mich natürlich eine nette Abwechslung, aber dadurch ist Evie vielleicht nicht die beste Identifikationsfigur für 14jährige, sondern spricht eher etwas ältere Leserinnen an. Sie ist sehr viel erfahrener, selbstbewusster, reifer und gefestigter als die üblichen Fantasy-Protagonistinnen, was die Story von viel Geschmachte, emotionalen Schwankungen, Peinlichkeiten sowie einer ellenlangen Selbstsuche befreit und mir sehr zugesagt hat. Das bedeutet nicht, dass sie sich nicht entwickeln würde, im Gegenteil: wie sie beginnt, sich nichts mehr gefallen zu lassen und ihre Stärken offen auszuspielen ist nicht nur amüsant, sondern auch beeindruckend zu verfolgen. Hier bekommen wir auch ab und zu wieder Rückblicke in die Vergangenheit von Evie, die weiter erklären, was damals passiert ist und wie ihre Eltern gestorben sind.


"Wieso konnte sich nicht irgendwer einfach mit mir verbünden, weil es das Richtige war? Aber nein, wir Herrscher mussten uns mit spitzen Worten und bösen Blicken duellieren."


Doch die Protagonistin bleibt nicht die einzige starke Frau, die sich nichts sagen lässt und die wir hier bewundern dürfen. Neben der gefährlichen Meistergladiatorin und Ausbilderin Serilda Swanson, der starken Kämpferin und Freundin Paloma und der gerissenen Tanzlehrerin und Spionin Xenia, ist auch die hier neu auftauchende Figur der ungerischen Königin Zariza einfach nur zu bewundern. Ich bin ein großer Fan von feministischer Fantasy, in der es Königinnen und Kämpferinnen gibt, die sich nicht von irgendwelchen Rittern retten lassen oder von gutaussehenden Prinzen abgelenkt werden, sondern selbst das Heft in die Hand nehmen, wodurch Jennifer Estep noch weitere Pluspunkte sammeln konnte. So kraftvoll wie die Autorin ihre weiblichen Figuren beschreibt, zeichnet sie auch die Antagonisten. Besonders spannend fand ich hier die Figur Maeven, die wir von einer ganz neuen Seite kennenlernen. Doch auch mit dem König von Morta tritt hier eine Figur mit einer Menge Konfliktpotential auf (auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich einen Bösewicht ernstnehmen kann, der "Maximus Mercer Morland Morricone König von Morta" heißt 😂 - das klingt wie der Name einer Comicfigur oder ein übertriebene ungeschickter Ritter in einem Monty Python Sketch, ich habe erstmal losgekichert. Sorry, MMMMM, aber da hat sich deine Erschafferin einfach zu viel an Alliterationen ausgetobt).

Es erscheint also kaum verwunderlich, wenn ich sage, dass "Crush the King" hochspannend zu lesen ist, da ständig etwas passiert. An diesem Eindruck ändert sich auch nichts mehr, wenn sich an einigen Stellen leichte Wiederholungen finden lassen (gefühlt jede zweite Seite stolpert Evie über einen Attentäter) und die taktischen Manöver, Intrigen und Kämpfe der Protagonisten erstaunlich glattlaufen. Auch dass ein klares Endziel schon von Beginn an absehbar ist - nämlich dass Evie und der König von Morta in einem Endkampf aufeinandertreffen werden -, tut der Spannung keinen Abbruch. Im Gegenteil: die Vorausdeutung der königlichen Herausforderung sorgt sogar für eine Intensivierung der Spannung, da von Beginn an fragwürdig erscheint, wie Evie den übermächtig erscheinenden König besiegen soll. Auch die Herausforderung im schwarzen Ring an sich finde ich eine äußerst geschickte Idee, einen Konflikt zwischen zwei Königshäusern beizulegen. Nicht nur dass nicht tausende von unschuldigen Menschen darin sterben - auch ist es mal eine tolle Abwechslung zur typischen Endschlacht, die das High-Fantasy-Genre ansonsten dominiert.


"Wunderbar! Und jetzt, da wir alle unseren Einsatz gemacht habe, lasst uns spielen." Maximus musterte mich finster und ich schenkte ihm ein dünnes Lächeln. Wir wussten beide, dass das Spiel zwischen uns beiden gerade erst begonnen hatte."


Schade ist nur, dass zugunsten der Handlung in diesem Abschlussteil Vieles in den Hintergrund tritt. was ich mir für den Endband einer Trilogie anders gewünscht hätte. Gerade Evies inoffizieller Prinzgemahl Lucas Sullivan - kurz Sully - wird hier leider zu einer absoluten Nebenfigur degradiert. Während Evie im Alleingang ihr Leben, ihr Königreich und die halbe Welt rettet, darf er bloß nett nebendran stehen, ihre Hand halten, ihr Bett wärmen und den ein oder anderen besorgten Kommentar abgeben. Klar, ich freue mich immer sehr über die Darstellung von unabhängigen, starken Frauen als Protagonistinnen, aber wenn selbst Evies Leibwächterin Paloma häufiger vorkommt als die zweite eigentliche Hauptperson, liegt hier etwas im Argen. Auch die einzige erotische Szene zu Beginn hat nicht dazu geführt, dass man die beiden noch als gleichberechtigtes Paar angesehen hat. Dass die Beziehung, die ja in Band 2 erst so richtig aufgeblüht ist, hier so überhaupt keine Rolle mehr spielt und auch kaum weiterentwickelt wird, ist also mehr als schade und ein deutlicher Kritikpunkt.

Aber auch die anderen Figuren bleiben eher am Rande präsent und bekommen nicht die Chance, in dem Umfang ihre Geschichte weiterzuerzählen, wie ich mir das gewünscht hätte. Ein Beispiele dafür wäre die ungeklärte aber immer wieder angedeutete Verwandtschaft zwischen Xenia und Paloma. Hier wurde eine mögliche Verbindung immer wieder angeteasert, die eigentliche Enthüllung, auf die ich voller Erwartung hinblickte, verkam am Ende jedoch zu einer Randnotiz. Ein anderer Punkt, von dem ich erwartet hätte, dass er noch in den Fokus des Lesers rücken würde, ist die Beziehung von Serilda und Cho. Evie fragt sich im Laufe der Trilogie mehrere Male, was zwischen den beiden eigentlich los ist und warum sie nicht zusammen sind, wenn sie sich doch offensichtlich lieben. Mich hat das demnach auch beschäftigt, leider wird das jedoch nie aufgebracht. Von liebgewonnenen Figuren wie Sullys Nichte Gemma, deren Gargoyle Grimley, oder den Metallmeister und Vaterfigur Alvis will ich gar nicht erst anfangen. Die beiden verschwinden nämlich ganz in der Versenkung und werden kaum einmal genannt.


"Du spielst ein gefährliches Spiel, Everleigh", sagte Maeven, wenn auch viel weniger bissig und angriffslustig als bisher. "Und du wirst es verlieren, zusammen mit deiner Krone, deinem Leben und deinem geliebten Königreich." Ich lächelte nur über ihre finstere Prophezeiung. "Das werden wir ja sehen."


Die Autorin verschenkt hier also aus meiner Sicht Unmengen von Potential, da sie in diesem Abschlussband, aber auch schon über die ganze Reihe hinweg eine Menge Figuren eingeführt, Andeutungen gestreut und Pfade gelegt, von denen ich eigentlich erwartet hatte, dass sie am Ende nochmal wichtig werden würden. Leider kommen aber die wenigsten Aspekte nochmal auf und wenn doch, dann verschwinden sie hinter der sehr prominenten Handlung. Das hat dann leider auch dazu geführt, dass mich das eigentliche Ende nicht so ganz überzeugen konnte. Würde man annehmen, dass Jennifer Estep noch vorhat, einen vierten Band zu schreiben, der offene Fragen und liegengebliebene Handlungsstränge nochmal aufgreift und die Geschichte weiterführt, könnte ich das Ende mit einem enthusiastischen "episch" beschreiben. Als Abschlussband einer Trilogie fand ich das Ende jedoch nicht zufriedenstellend.



Fazit:
*
Ein hochspannendes, originelles und atmosphärisches Finale, das mit einer starken und reifen Protagonistin, einem temporeichen Schreibstil und tollen Ideen überzeugt. Leider lässt Jennifer Estep gerade gegen Ende eine Menge Potential ungenutzt und versäumt es, den ein oder anderen Handlungsstrang befriedigend zu Ende zu führen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.04.2021

Atmosphärisch, spannend und einfallsreich!

Kaleidra - Wer die Seele berührt (Band 2)
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Ich habe von Kira Licht jetzt schon vier Bücher gelesen - ihren YA-Erstling "Sunset Beach", ihre Götter-Dilogie und den Auftakt zur neuen Kaleidra-Reihe - und mit jedem Band wurde ich zu einem größeren ...

Ich habe von Kira Licht jetzt schon vier Bücher gelesen - ihren YA-Erstling "Sunset Beach", ihre Götter-Dilogie und den Auftakt zur neuen Kaleidra-Reihe - und mit jedem Band wurde ich zu einem größeren Fan ihrer witzigen, einfallsreichen und mitreißenden Geschichten. Die Fortsetzung zu "Kaleidra - Wer das Dunkel ruft" haben Tomke von ThroughsiouxBooks und ich deshalb als sichere Bank für einen neuen Buddyread-Versuch eingeschätzt (zuvor hatten wir zwei spektakuläre Flops in Folge). Und richtig: "Kaleidra - Wer die Seele berührt" hat uns gezeigt, dass es nicht an uns liegt, sondern einfach unsere Auswahl bislang nicht glücklich war. Überraschend turbulent und originell entführt uns Kira Licht abermals in eine spannende Welt voller Geheimlogen, verschlüsselten Dokumente, gefährlichen Missionen, uralte Feindschaften und Allianzen und verbindet Mystery, Abenteuer, ein atmosphärisches Setting und eine zarte Liebesgeschichte.


"Sag mir etwas Wahres", wisperte ich. "Sag mir etwas Wahres in dieser Welt voller Täuschungen und Lügen."


Schon die Gestaltung ist einfach traumhaft und bringt mich als absoluten Cover-Kritiker immer wieder zum Schwärmen. Düster, geheimnisvoll und wunderschön - die Gestaltung bringt die Atmosphäre der Geschichte einfach auf den Punkt. Nicht nur dass die Lichtpunkte und die geometrischen Formen die naturwissenschaftlichen, aber auch fantastischen Anklänge des Romans auffangen, die starken Kontraste zwischen hellem Silber und dunklen, schwarzen Schatten passen auch wunderbar zum Thema. Zusammen mit dem silbernen Titel und dem dunklen Lesebändchen wird das Buch zu einem Gesamtkunstwerk, das dem des ersten Bandes stark ähnelt und somit im Regal wunderbar zusammenpasst. Auffällig am Innenleben dieser Schönheit ist, dass die Seiten sehr dünn sind und die 480 Seiten deshalb optisch eher wie höchstens 350 erscheinen. Eine kleine positive Überraschung hat das Buch noch auf den letzten Seiten parat. Hier wartet nämlich ein hilfreiches Glossar auf den verwirrten Leser, das neue Begriffe erklärt und altbekannte nochmal auflistet, sodass der Wiedereinstieg in die doch recht komplexe Story nach gut einem Jahr leichter fällt.


Erster Satz:
"Ich schmeckte Blut"


Zusätzlich zum Glossar wird der Wiedereinstig in die Geschichte dadurch erleichtert, dass wir uns in "Kaleidra - Wer die Seele berührt" gleich zu Beginn an einem anderen Schauplatz wiederfinden. Wie Ihr Euch vielleicht erinnert, hat Band 1 ja mit einem ziemlichen Schocker geendet. Nicht nur dass Emilias bester Freund Matti sich als Alchemist herausgestellt hat, er ist auch noch Teil der feindlichen Quecksilberloge und hat Emilia und Ben um seine Tarnung nicht auffliegen zu lassen kurzerhand entführt. Als Emilia in der Quecksilberloge in Washington wieder zu sich kommt, warten jedoch noch weitere negative Überraschungen auf sie: unsere junge Heldin muss erfahren, dass sie zusammen mit Ben und Matti ein gefährliches Tria Bündnis eingehen soll, um den letzten Baustein zu finden, der nach den Missionen aus Band 1 noch fehlt, um das Wasser des Lebens herzustellen. Wie bösartig und umfassend der Plan des Oberhaupts der Quecksilberloge, Professor Avalanche, jedoch tatsächlich ist und dass er vor nichts halt machen wird, um zu seinem Ziel zu gelangen, erfahren die drei erst, als es schon zu spät ist...


"Einen Moment lang sah Kyle mich völlig unbewegt an. Das tiefe Braun seiner Iriden schien mit seinen Pupillen zu verschmelzen, als sich ein irisierender Schimmer von rechts und links über die Hornhaut seiner Augen schob. "Glaub mir, Silberling, hier gibt es weitaus furchterregendere Alternativen als den Tod."


Durch das neue Setting wird sofort klar, dass die gemütliche Einstiegsphase in die Handlung nun endgültig beendet ist und es ab jetzt ernster zugeht. Zwar haben mir Rom, die Goldloge und deren weitere Mitglieder wie Annmary, Oliver, Larkin oder Murphy ein bisschen gefehlt, dafür bringt die Quecksilberloge mit ihren diabolischen Erfindungen, den neuen mal mehr und mal weniger bösen Figuren (Stichwort: Karate-Kid-Kyle und Tritt-Mich-Tyson) und einer Menge neuer Informationen, die nicht nur Emilia, sondern auch uns Leser die Weltsicht hinterfragen lassen, einen spannenden frischen Wind. Im Kern geht es jedoch wieder um das eher ungewöhnliche Thema, das Kira Licht hier zum Mittelpunkt ihrer neuen Reihe auserwählt hat: die Alchemie. Dass Bücher über verborgene Geheimlogen, Reisen durch magische Artefakte und Konkurrenzkämpfe zwischen den Gruppierungen gut als Jugendfantasy funktionieren, weiß man spätestens seit "Rubinrot", dennoch war ich zu Beginn etwas skeptisch, wie die Mischung aus Chemie und Magie zusammenpassen wird. Schon in Band 1 löste sich meine anfängliche Skepsis jedoch schnell in Begeisterung auf. Wer hätte gedacht, dass chemische Reaktionen, verstaubte Manuskripte und komplizierte Rätsel so spannend sein können?


"Wir sahen uns an und einen ewigen Moment lang war da nichts als Stille. Und mein Herzschlag in der Dunkelheit. Jeder Schlag für ein nicht gesagtes Wort. Jede Sekunde der Stille für ein bereutes Wort."


Ich habe es in meiner Rezension zu Band 1 schonmal erwähnt, sage es aber gerne nochmal: "Kaleidra" kann auch ohne jegliches chemisches Vorwissen gut verfolgt werden, ein grundlegendes wissenschaftliches Vorstellungsvermögen sollte man aber dennoch mitbringen. Wer nicht weiß, dass Natrium zusammen mit Chlor zu Salz reagiert, oder Quecksilber einen niedrigeren Siedepunkt hat als Silber und Gold, wird die Handlung dank Kiras leicht verständlichen Schilderungen trotzdem nachvollziehen können. Richtig Spaß macht die Geschichte aber erst, wenn man die innere Logik der Actionszenen versteht und auch mit Kiras Beschreibungen von Laboren, fliegenden Riesenschlangen und Parallelwelten etwas anfangen kann - nur dann entfaltet sie ihr volles Potential. Alle, die jetzt trotzdem noch "Chemie, igitt" denken, kann ich damit beruhigen, dass der Fantastikgehalt hier gegenüber dem ersten Teil nochmal ordentlich gesteigert ist. Klar, die Autorin erfindet hier das Genre nicht wirklich neu und greift auch auf altbewährte Strategien und Abläufe zurück, aber ihr gelingt es mit viel Einfallsreichtum und Kreativität, einen individuellen Wiedererkennungswert zu hinterlassen und ein ganz besonderes Lesegefühl hervorzurufen.


"Wir sind zwei Naturgewalten. Wir sind dafür gemacht, Seite an Seite die Welt aus ihren Angeln zu reißen. Ich straffte die Schultern, hielt seinen Blick. Und wir würden nicht untergehen."


Kira Licht ruht sich jedoch nicht auf dem Weltenaufbau ihres Eröffnungsbandes aus. Egal ob ein vierter Orden, weitere Mitspieler, neue Verwandtschaftsverhältnisse oder Apokalypsen-Pläne - hier bekommen wir einiges zum Nachdenken, wenn wir nicht gerade mit Emilia und Ben um unser Leben kämpfen. Und jener Überlebenskampf steht wieder ganz oben auf der Tagesordnung. Schon Band 1 war mit vielen Actionszenen, Straßenkämpfen, magischen Ritualen und abenteuerlichen Missionen gespickt. Die Handlungsdichte in Band 2 ist nun aber nochmal wesentlich größer. In "Kaleidra - Wer die Seele berührt" jagt eine magische, spannende, gefährliche Situation die nächste und wenn wir gerade kein Tria-Bündnis schließen, in der fremdartigen Welt Kaleidra um unser Leben kämpfen, oder mit ägyptischen Göttern um den letzten Baustein ringen, geht es eben in der Quecksilberloge rund. Zu sagen, es kämen hier keine Längen auf wäre also eine riesige Untertreibung. Tatsächlich lässt uns Kira Licht kaum einen Moment Zeit, um zu verschnaufen, bevor sie die nächste epische Szene folgen lässt.


"Seine Augen waren schwarz in der schemenhaften Dunkelheit, seine Stimme nur noch ein raues Flüstern. "Was willst du dann?"
"Ich will vergessen, wo wir uns befinden. Ignorieren, was die Orden uns vorschreiben. Einfach nur mit dir allein sein. Dich kennenlernen. jede Geschichte aus deiner Kindheit, jede Niederlage, die sich stärker gemacht hat. Jeden Erfolg, der dir Flügel verliehen hat. Ich will wissen, woher du jede einzelne Narbe an deinem Körper hast. Was dich zum Lächeln bringt, was dich traurig macht, was du dir im tiefsten Inneren deines Herzens wünscht. Deine Ängste, deine Zweifel, deine Sehnsüchte. Ich will jeden Quadratzentimeter deiner Haut kennen und jedes Quäntchen deiner Seele mein Eigen nennen."
Doch ich sagte kein einziges Wort."


Glücklicherweise leiden aber weder die Figuren noch das Setting unter diesem hohen Erzähltempo. Klar, der Fokus der Geschichte liegt hier mehr auf der Handlung und weniger auf den Figuren. Dennoch gelingt es Kira Licht, zwischen den Actionszenen genügend Reflexion, Dialoge und Erkenntnis zu schieben, dass die Geschichte geerdet bleibt und sich Dynamiken zwischen den Figuren fortsetzen. So geht es zum Beispiel auch um die leidende Freundschaft zwischen Emilia und Matti sowie ihrer Beziehung zu Ben, die sie hier zwar ausbaut, aber trotzdem eher zart und im Hintergrund bleibt. Auch Emilia an sich wird mit neuen Erkenntnissen über sich, ihre Herkunft und ihre Fähigkeiten konfrontiert und wächst daran immer mehr zu einer selbstbewussten Kämpferin, die sich nicht unterbuttern lässt. Auch wenn sie als magische Überfliegerin und wichtige Schlüsselfigur mit ungeahnten Kräften die Ausgeburt des "Special Snowflake"-Klischees ist, fand ich es sehr sympathisch, wie sie emanzipiert das Beste aus ihrer Situation macht und immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat. Mit ihrem Mundwerk, dass manchmal ein bisschen schneller ist, als ihr Gehirn, sorgt sie auch für den ein oder anderen Lacher. Ihre Reaktion auf die Entführung der Quecksilber Alchemisten ("Wo gehen wir hin? Warum darf ich das nicht wissen? Ich finde das echt sehr unhöflich") war zum Beispiel legendär. Auch andere Szenen wie die Bemerkung, dass das Wasser des Lebens doch auf keinen Fall aus nur 10 Zutaten bestehen kann, immerhin seien schon in jeder einfachen Handcreme dreimal so viel Inhaltsstoffe, sind einfach so herrlich absurd, dass man einfach schmunzeln muss.


"Zehn Zutaten, Matti", wiederholte ich und betonte jedes einzelne Wort. "In jeder dämlichen Handcreme sind heutzutage über dreißig. Und sie macht dich nicht unsterblich. Wir haben ein paar Kräuter gesammelt, ein bisschen Kies und Sand und eine Karaffe mit Wasser. Das alles klingt wie die großartigste Schnitzeljagd der Menschheitsgeschichte. Wirklich, ich respektiere die Kreativität der Alchemisten, die sich das ausgedacht haben. ich respektiere die Orden, weil sie das Voynich-Manuskript dadurch konservieren wollen, dass sie die Rezeptur herausfinden möchten. Aber ganz im Ernst? Zehn Zutaten? Ewiges Leben? Wirklich?"

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Alchemisten-Mystik, Abenteuer mit Indiana-Jones-Vibes und einen Hauch Romantik... was will man mehr? Zum Leben erweckt wird diese wundersame Mischung aber erst durch Kira Lichts spritzigen, erfrischend humorvollen und lockeren Schreibstil. Sie zieht ihre Geschichte wie gesagt sehr rasant auf, sorgt jedoch durch schlagfertige Dialoge, kreative Ideen, skurrile Begegnungen und leise Romantik dafür, dass wir niemals vergessen, dass hier jugendliche Protagonisten am Werk sind und keine Maschinen. Durch ihren einmaligen Humor, der mich ein wenig an Jennifer L. Armentrout in ihren besten Jahren erinnert hat, bringt sie immer wieder Schwung in die Geschichte und hat mich ein ums andere Mal zum Lachen gebracht. Leider sind auch abseits der Protagonistin einige genretypischen Klischees wie zum Beispiel den Crazy-Wissenschaftler-Bösewicht zu finden und auch erstaunlich viele Fehler (vor allem Wortauslassungen oder Dopplungen) fielen mir negativ auf. Über diese kleinen Mängel täuschen die hohe Spannung, die rasante Handlung, die magische Atmosphäre (und habe ich schon die hohe Spannung erwähnt) zwar geschickt hinweg, dennoch ziehe ich hier für diese Kleinigkeiten einen halben Stern ab. Für volle 5 Sterne hätte ich mir außerdem noch etwas mehr Figurentiefe, eine stärkere Ausarbeitung deren Beziehungen und mehr Informationen zu einigen Entwicklungen gewünscht.

Vor allem aufgefallen ist mir das im letzten Abschnitt, der es ganz schön in sich hat. Gerade gegen Ende wird eigentlich alles rätselhafter, statt klarer, verzweifelter, statt besser und während ich mich während der letzten Kapitel noch fragte, wie Kira Licht ihre Figuren in den verbliebenen Seiten noch aus dieser Misere retten will, war mir kurz vor Schluss klar: gar nicht. Nehmt den Cliffhanger von Band 1, multipliziert ihn mit dem Faktor 1000 und das ist dann das Ende von "Kaleidra - Wer die Seele berührt". Puh, und jetzt noch bis Oktober auf den dritten und letzten Teil, "Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt" warten? Ich habe ungefähr unendlich viele Fragen an den weiteren Verlauf der Geschichte, die ich bis dahin wahrscheinlich wieder vergessen habe. Vielen Dank auch, Kira!



Fazit

So atmosphärisch, spannend und einfallsreich wie Band 1, jedoch mit einer einer viel höheren Handlungsdichte. "Kaleidra - Wer die Seele berührt" ist alles andere als ein Lückenfüller, hier jagt ein Abenteuer das nächste und hinterlässt ein dringendes Bedürfnis nach Band 3!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.04.2021

Atmosphärisch, spannend und einfallsreich!

Kaleidra - Wer die Seele berührt
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Ich habe von Kira Licht jetzt schon vier Bücher gelesen - ihren YA-Erstling "Sunset Beach", ihre Götter-Dilogie und den Auftakt zur neuen Kaleidra-Reihe - und mit jedem Band wurde ich zu einem größeren ...

Ich habe von Kira Licht jetzt schon vier Bücher gelesen - ihren YA-Erstling "Sunset Beach", ihre Götter-Dilogie und den Auftakt zur neuen Kaleidra-Reihe - und mit jedem Band wurde ich zu einem größeren Fan ihrer witzigen, einfallsreichen und mitreißenden Geschichten. Die Fortsetzung zu "Kaleidra - Wer das Dunkel ruft" haben Tomke von ThroughsiouxBooks und ich deshalb als sichere Bank für einen neuen Buddyread-Versuch eingeschätzt (zuvor hatten wir zwei spektakuläre Flops in Folge). Und richtig: "Kaleidra - Wer die Seele berührt" hat uns gezeigt, dass es nicht an uns liegt, sondern einfach unsere Auswahl bislang nicht glücklich war. Überraschend turbulent und originell entführt uns Kira Licht abermals in eine spannende Welt voller Geheimlogen, verschlüsselten Dokumente, gefährlichen Missionen, uralte Feindschaften und Allianzen und verbindet Mystery, Abenteuer, ein atmosphärisches Setting und eine zarte Liebesgeschichte.


"Sag mir etwas Wahres", wisperte ich. "Sag mir etwas Wahres in dieser Welt voller Täuschungen und Lügen."


Schon die Gestaltung ist einfach traumhaft und bringt mich als absoluten Cover-Kritiker immer wieder zum Schwärmen. Düster, geheimnisvoll und wunderschön - die Gestaltung bringt die Atmosphäre der Geschichte einfach auf den Punkt. Nicht nur dass die Lichtpunkte und die geometrischen Formen die naturwissenschaftlichen, aber auch fantastischen Anklänge des Romans auffangen, die starken Kontraste zwischen hellem Silber und dunklen, schwarzen Schatten passen auch wunderbar zum Thema. Zusammen mit dem silbernen Titel und dem dunklen Lesebändchen wird das Buch zu einem Gesamtkunstwerk, das dem des ersten Bandes stark ähnelt und somit im Regal wunderbar zusammenpasst. Auffällig am Innenleben dieser Schönheit ist, dass die Seiten sehr dünn sind und die 480 Seiten deshalb optisch eher wie höchstens 350 erscheinen. Eine kleine positive Überraschung hat das Buch noch auf den letzten Seiten parat. Hier wartet nämlich ein hilfreiches Glossar auf den verwirrten Leser, das neue Begriffe erklärt und altbekannte nochmal auflistet, sodass der Wiedereinstieg in die doch recht komplexe Story nach gut einem Jahr leichter fällt.


Erster Satz: "Ich schmeckte Blut"


Zusätzlich zum Glossar wird der Wiedereinstig in die Geschichte dadurch erleichtert, dass wir uns in "Kaleidra - Wer die Seele berührt" gleich zu Beginn an einem anderen Schauplatz wiederfinden. Wie Ihr Euch vielleicht erinnert, hat Band 1 ja mit einem ziemlichen Schocker geendet. Nicht nur dass Emilias bester Freund Matti sich als Alchemist herausgestellt hat, er ist auch noch Teil der feindlichen Quecksilberloge und hat Emilia und Ben um seine Tarnung nicht auffliegen zu lassen kurzerhand entführt. Als Emilia in der Quecksilberloge in Washington wieder zu sich kommt, warten jedoch noch weitere negative Überraschungen auf sie: unsere junge Heldin muss erfahren, dass sie zusammen mit Ben und Matti ein gefährliches Tria Bündnis eingehen soll, um den letzten Baustein zu finden, der nach den Missionen aus Band 1 noch fehlt, um das Wasser des Lebens herzustellen. Wie bösartig und umfassend der Plan des Oberhaupts der Quecksilberloge, Professor Avalanche, jedoch tatsächlich ist und dass er vor nichts halt machen wird, um zu seinem Ziel zu gelangen, erfahren die drei erst, als es schon zu spät ist...


"Einen Moment lang sah Kyle mich völlig unbewegt an. Das tiefe Braun seiner Iriden schien mit seinen Pupillen zu verschmelzen, als sich ein irisierender Schimmer von rechts und links über die Hornhaut seiner Augen schob. "Glaub mir, Silberling, hier gibt es weitaus furchterregendere Alternativen als den Tod."


Durch das neue Setting wird sofort klar, dass die gemütliche Einstiegsphase in die Handlung nun endgültig beendet ist und es ab jetzt ernster zugeht. Zwar haben mir Rom, die Goldloge und deren weitere Mitglieder wie Annmary, Oliver, Larkin oder Murphy ein bisschen gefehlt, dafür bringt die Quecksilberloge mit ihren diabolischen Erfindungen, den neuen mal mehr und mal weniger bösen Figuren (Stichwort: Karate-Kid-Kyle und Tritt-Mich-Tyson) und einer Menge neuer Informationen, die nicht nur Emilia, sondern auch uns Leser die Weltsicht hinterfragen lassen, einen spannenden frischen Wind. Im Kern geht es jedoch wieder um das eher ungewöhnliche Thema, das Kira Licht hier zum Mittelpunkt ihrer neuen Reihe auserwählt hat: die Alchemie. Dass Bücher über verborgene Geheimlogen, Reisen durch magische Artefakte und Konkurrenzkämpfe zwischen den Gruppierungen gut als Jugendfantasy funktionieren, weiß man spätestens seit "Rubinrot", dennoch war ich zu Beginn etwas skeptisch, wie die Mischung aus Chemie und Magie zusammenpassen wird. Schon in Band 1 löste sich meine anfängliche Skepsis jedoch schnell in Begeisterung auf. Wer hätte gedacht, dass chemische Reaktionen, verstaubte Manuskripte und komplizierte Rätsel so spannend sein können?


"Wir sahen uns an und einen ewigen Moment lang war da nichts als Stille. Und mein Herzschlag in der Dunkelheit. Jeder Schlag für ein nicht gesagtes Wort. Jede Sekunde der Stille für ein bereutes Wort."


Ich habe es in meiner Rezension zu Band 1 schonmal erwähnt, sage es aber gerne nochmal: "Kaleidra" kann auch ohne jegliches chemisches Vorwissen gut verfolgt werden, ein grundlegendes wissenschaftliches Vorstellungsvermögen sollte man aber dennoch mitbringen. Wer nicht weiß, dass Natrium zusammen mit Chlor zu Salz reagiert, oder Quecksilber einen niedrigeren Siedepunkt hat als Silber und Gold, wird die Handlung dank Kiras leicht verständlichen Schilderungen trotzdem nachvollziehen können. Richtig Spaß macht die Geschichte aber erst, wenn man die innere Logik der Actionszenen versteht und auch mit Kiras Beschreibungen von Laboren, fliegenden Riesenschlangen und Parallelwelten etwas anfangen kann - nur dann entfaltet sie ihr volles Potential. Alle, die jetzt trotzdem noch "Chemie, igitt" denken, kann ich damit beruhigen, dass der Fantastikgehalt hier gegenüber dem ersten Teil nochmal ordentlich gesteigert ist. Klar, die Autorin erfindet hier das Genre nicht wirklich neu und greift auch auf altbewährte Strategien und Abläufe zurück, aber ihr gelingt es mit viel Einfallsreichtum und Kreativität, einen individuellen Wiedererkennungswert zu hinterlassen und ein ganz besonderes Lesegefühl hervorzurufen.


"Wir sind zwei Naturgewalten. Wir sind dafür gemacht, Seite an Seite die Welt aus ihren Angeln zu reißen. Ich straffte die Schultern, hielt seinen Blick. Und wir würden nicht untergehen."


Kira Licht ruht sich jedoch nicht auf dem Weltenaufbau ihres Eröffnungsbandes aus. Egal ob ein vierter Orden, weitere Mitspieler, neue Verwandtschaftsverhältnisse oder Apokalypsen-Pläne - hier bekommen wir einiges zum Nachdenken, wenn wir nicht gerade mit Emilia und Ben um unser Leben kämpfen. Und jener Überlebenskampf steht wieder ganz oben auf der Tagesordnung. Schon Band 1 war mit vielen Actionszenen, Straßenkämpfen, magischen Ritualen und abenteuerlichen Missionen gespickt. Die Handlungsdichte in Band 2 ist nun aber nochmal wesentlich größer. In "Kaleidra - Wer die Seele berührt" jagt eine magische, spannende, gefährliche Situation die nächste und wenn wir gerade kein Tria-Bündnis schließen, in der fremdartigen Welt Kaleidra um unser Leben kämpfen, oder mit ägyptischen Göttern um den letzten Baustein ringen, geht es eben in der Quecksilberloge rund. Zu sagen, es kämen hier keine Längen auf wäre also eine riesige Untertreibung. Tatsächlich lässt uns Kira Licht kaum einen Moment Zeit, um zu verschnaufen, bevor sie die nächste epische Szene folgen lässt.


"Seine Augen waren schwarz in der schemenhaften Dunkelheit, seine Stimme nur noch ein raues Flüstern. "Was willst du dann?"
"Ich will vergessen, wo wir uns befinden. Ignorieren, was die Orden uns vorschreiben. Einfach nur mit dir allein sein. Dich kennenlernen. jede Geschichte aus deiner Kindheit, jede Niederlage, die sich stärker gemacht hat. Jeden Erfolg, der dir Flügel verliehen hat. Ich will wissen, woher du jede einzelne Narbe an deinem Körper hast. Was dich zum Lächeln bringt, was dich traurig macht, was du dir im tiefsten Inneren deines Herzens wünscht. Deine Ängste, deine Zweifel, deine Sehnsüchte. Ich will jeden Quadratzentimeter deiner Haut kennen und jedes Quäntchen deiner Seele mein Eigen nennen."
Doch ich sagte kein einziges Wort."


Glücklicherweise leiden aber weder die Figuren noch das Setting unter diesem hohen Erzähltempo. Klar, der Fokus der Geschichte liegt hier mehr auf der Handlung und weniger auf den Figuren. Dennoch gelingt es Kira Licht, zwischen den Actionszenen genügend Reflexion, Dialoge und Erkenntnis zu schieben, dass die Geschichte geerdet bleibt und sich Dynamiken zwischen den Figuren fortsetzen. So geht es zum Beispiel auch um die leidende Freundschaft zwischen Emilia und Matti sowie ihrer Beziehung zu Ben, die sie hier zwar ausbaut, aber trotzdem eher zart und im Hintergrund bleibt. Auch Emilia an sich wird mit neuen Erkenntnissen über sich, ihre Herkunft und ihre Fähigkeiten konfrontiert und wächst daran immer mehr zu einer selbstbewussten Kämpferin, die sich nicht unterbuttern lässt. Auch wenn sie als magische Überfliegerin und wichtige Schlüsselfigur mit ungeahnten Kräften die Ausgeburt des "Special Snowflake"-Klischees ist, fand ich es sehr sympathisch, wie sie emanzipiert das Beste aus ihrer Situation macht und immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat. Mit ihrem Mundwerk, dass manchmal ein bisschen schneller ist, als ihr Gehirn, sorgt sie auch für den ein oder anderen Lacher. Ihre Reaktion auf die Entführung der Quecksilber Alchemisten ("Wo gehen wir hin? Warum darf ich das nicht wissen? Ich finde das echt sehr unhöflich") war zum Beispiel legendär. Auch andere Szenen wie die Bemerkung, dass das Wasser des Lebens doch auf keinen Fall aus nur 10 Zutaten bestehen kann, immerhin seien schon in jeder einfachen Handcreme dreimal so viel Inhaltsstoffe, sind einfach so herrlich absurd, dass man einfach schmunzeln muss.


"Zehn Zutaten, Matti", wiederholte ich und betonte jedes einzelne Wort. "In jeder dämlichen Handcreme sind heutzutage über dreißig. Und sie macht dich nicht unsterblich. Wir haben ein paar Kräuter gesammelt, ein bisschen Kies und Sand und eine Karaffe mit Wasser. Das alles klingt wie die großartigste Schnitzeljagd der Menschheitsgeschichte. Wirklich, ich respektiere die Kreativität der Alchemisten, die sich das ausgedacht haben. ich respektiere die Orden, weil sie das Voynich-Manuskript dadurch konservieren wollen, dass sie die Rezeptur herausfinden möchten. Aber ganz im Ernst? Zehn Zutaten? Ewiges Leben? Wirklich?"


Alchemisten-Mystik, Abenteuer mit Indiana-Jones-Vibes und einen Hauch Romantik... was will man mehr? Zum Leben erweckt wird diese wundersame Mischung aber erst durch Kira Lichts spritzigen, erfrischend humorvollen und lockeren Schreibstil. Sie zieht ihre Geschichte wie gesagt sehr rasant auf, sorgt jedoch durch schlagfertige Dialoge, kreative Ideen, skurrile Begegnungen und leise Romantik dafür, dass wir niemals vergessen, dass hier jugendliche Protagonisten am Werk sind und keine Maschinen. Durch ihren einmaligen Humor, der mich ein wenig an Jennifer L. Armentrout in ihren besten Jahren erinnert hat, bringt sie immer wieder Schwung in die Geschichte und hat mich ein ums andere Mal zum Lachen gebracht. Leider sind auch abseits der Protagonistin einige genretypischen Klischees wie zum Beispiel den Crazy-Wissenschaftler-Bösewicht zu finden und auch erstaunlich viele Fehler (vor allem Wortauslassungen oder Dopplungen) fielen mir negativ auf. Über diese kleinen Mängel täuschen die hohe Spannung, die rasante Handlung, die magische Atmosphäre (und habe ich schon die hohe Spannung erwähnt) zwar geschickt hinweg, dennoch ziehe ich hier für diese Kleinigkeiten einen halben Stern ab. Für volle 5 Sterne hätte ich mir außerdem noch etwas mehr Figurentiefe, eine stärkere Ausarbeitung deren Beziehungen und mehr Informationen zu einigen Entwicklungen gewünscht.

Vor allem aufgefallen ist mir das im letzten Abschnitt, der es ganz schön in sich hat. Gerade gegen Ende wird eigentlich alles rätselhafter, statt klarer, verzweifelter, statt besser und während ich mich während der letzten Kapitel noch fragte, wie Kira Licht ihre Figuren in den verbliebenen Seiten noch aus dieser Misere retten will, war mir kurz vor Schluss klar: gar nicht. Nehmt den Cliffhanger von Band 1, multipliziert ihn mit dem Faktor 1000 und das ist dann das Ende von "Kaleidra - Wer die Seele berührt". Puh, und jetzt noch bis Oktober auf den dritten und letzten Teil, "Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt" warten? Ich habe ungefähr unendlich viele Fragen an den weiteren Verlauf der Geschichte, die ich bis dahin wahrscheinlich wieder vergessen habe. Vielen Dank auch, Kira!



Fazit

So atmosphärisch, spannend und einfallsreich wie Band 1, jedoch mit einer einer viel höheren Handlungsdichte. "Kaleidra - Wer die Seele berührt" ist alles andere als ein Lückenfüller, hier jagt ein Abenteuer das nächste und hinterlässt ein dringendes Bedürfnis nach Band 3!

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Veröffentlicht am 24.04.2021

Atmosphärisch, spannend und einfallsreich!

Kaleidra - Wer die Seele berührt
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Ich habe von Kira Licht jetzt schon vier Bücher gelesen - ihren YA-Erstling "Sunset Beach", ihre Götter-Dilogie und den Auftakt zur neuen Kaleidra-Reihe - und mit jedem Band wurde ich zu einem größeren ...

Ich habe von Kira Licht jetzt schon vier Bücher gelesen - ihren YA-Erstling "Sunset Beach", ihre Götter-Dilogie und den Auftakt zur neuen Kaleidra-Reihe - und mit jedem Band wurde ich zu einem größeren Fan ihrer witzigen, einfallsreichen und mitreißenden Geschichten. Die Fortsetzung zu "Kaleidra - Wer das Dunkel ruft" haben Tomke von ThroughsiouxBooks und ich deshalb als sichere Bank für einen neuen Buddyread-Versuch eingeschätzt (zuvor hatten wir zwei spektakuläre Flops in Folge). Und richtig: "Kaleidra - Wer die Seele berührt" hat uns gezeigt, dass es nicht an uns liegt, sondern einfach unsere Auswahl bislang nicht glücklich war. Überraschend turbulent und originell entführt uns Kira Licht abermals in eine spannende Welt voller Geheimlogen, verschlüsselten Dokumente, gefährlichen Missionen, uralte Feindschaften und Allianzen und verbindet Mystery, Abenteuer, ein atmosphärisches Setting und eine zarte Liebesgeschichte.


"Sag mir etwas Wahres", wisperte ich. "Sag mir etwas Wahres in dieser Welt voller Täuschungen und Lügen."


Schon die Gestaltung ist einfach traumhaft und bringt mich als absoluten Cover-Kritiker immer wieder zum Schwärmen. Düster, geheimnisvoll und wunderschön - die Gestaltung bringt die Atmosphäre der Geschichte einfach auf den Punkt. Nicht nur dass die Lichtpunkte und die geometrischen Formen die naturwissenschaftlichen, aber auch fantastischen Anklänge des Romans auffangen, die starken Kontraste zwischen hellem Silber und dunklen, schwarzen Schatten passen auch wunderbar zum Thema. Zusammen mit dem silbernen Titel und dem dunklen Lesebändchen wird das Buch zu einem Gesamtkunstwerk, das dem des ersten Bandes stark ähnelt und somit im Regal wunderbar zusammenpasst. Auffällig am Innenleben dieser Schönheit ist, dass die Seiten sehr dünn sind und die 480 Seiten deshalb optisch eher wie höchstens 350 erscheinen. Eine kleine positive Überraschung hat das Buch noch auf den letzten Seiten parat. Hier wartet nämlich ein hilfreiches Glossar auf den verwirrten Leser, das neue Begriffe erklärt und altbekannte nochmal auflistet, sodass der Wiedereinstieg in die doch recht komplexe Story nach gut einem Jahr leichter fällt.


Erster Satz: "Ich schmeckte Blut"


Zusätzlich zum Glossar wird der Wiedereinstig in die Geschichte dadurch erleichtert, dass wir uns in "Kaleidra - Wer die Seele berührt" gleich zu Beginn an einem anderen Schauplatz wiederfinden. Wie Ihr Euch vielleicht erinnert, hat Band 1 ja mit einem ziemlichen Schocker geendet. Nicht nur dass Emilias bester Freund Matti sich als Alchemist herausgestellt hat, er ist auch noch Teil der feindlichen Quecksilberloge und hat Emilia und Ben um seine Tarnung nicht auffliegen zu lassen kurzerhand entführt. Als Emilia in der Quecksilberloge in Washington wieder zu sich kommt, warten jedoch noch weitere negative Überraschungen auf sie: unsere junge Heldin muss erfahren, dass sie zusammen mit Ben und Matti ein gefährliches Tria Bündnis eingehen soll, um den letzten Baustein zu finden, der nach den Missionen aus Band 1 noch fehlt, um das Wasser des Lebens herzustellen. Wie bösartig und umfassend der Plan des Oberhaupts der Quecksilberloge, Professor Avalanche, jedoch tatsächlich ist und dass er vor nichts halt machen wird, um zu seinem Ziel zu gelangen, erfahren die drei erst, als es schon zu spät ist...


"Einen Moment lang sah Kyle mich völlig unbewegt an. Das tiefe Braun seiner Iriden schien mit seinen Pupillen zu verschmelzen, als sich ein irisierender Schimmer von rechts und links über die Hornhaut seiner Augen schob. "Glaub mir, Silberling, hier gibt es weitaus furchterregendere Alternativen als den Tod."


Durch das neue Setting wird sofort klar, dass die gemütliche Einstiegsphase in die Handlung nun endgültig beendet ist und es ab jetzt ernster zugeht. Zwar haben mir Rom, die Goldloge und deren weitere Mitglieder wie Annmary, Oliver, Larkin oder Murphy ein bisschen gefehlt, dafür bringt die Quecksilberloge mit ihren diabolischen Erfindungen, den neuen mal mehr und mal weniger bösen Figuren (Stichwort: Karate-Kid-Kyle und Tritt-Mich-Tyson) und einer Menge neuer Informationen, die nicht nur Emilia, sondern auch uns Leser die Weltsicht hinterfragen lassen, einen spannenden frischen Wind. Im Kern geht es jedoch wieder um das eher ungewöhnliche Thema, das Kira Licht hier zum Mittelpunkt ihrer neuen Reihe auserwählt hat: die Alchemie. Dass Bücher über verborgene Geheimlogen, Reisen durch magische Artefakte und Konkurrenzkämpfe zwischen den Gruppierungen gut als Jugendfantasy funktionieren, weiß man spätestens seit "Rubinrot", dennoch war ich zu Beginn etwas skeptisch, wie die Mischung aus Chemie und Magie zusammenpassen wird. Schon in Band 1 löste sich meine anfängliche Skepsis jedoch schnell in Begeisterung auf. Wer hätte gedacht, dass chemische Reaktionen, verstaubte Manuskripte und komplizierte Rätsel so spannend sein können?


"Wir sahen uns an und einen ewigen Moment lang war da nichts als Stille. Und mein Herzschlag in der Dunkelheit. Jeder Schlag für ein nicht gesagtes Wort. Jede Sekunde der Stille für ein bereutes Wort."


Ich habe es in meiner Rezension zu Band 1 schonmal erwähnt, sage es aber gerne nochmal: "Kaleidra" kann auch ohne jegliches chemisches Vorwissen gut verfolgt werden, ein grundlegendes wissenschaftliches Vorstellungsvermögen sollte man aber dennoch mitbringen. Wer nicht weiß, dass Natrium zusammen mit Chlor zu Salz reagiert, oder Quecksilber einen niedrigeren Siedepunkt hat als Silber und Gold, wird die Handlung dank Kiras leicht verständlichen Schilderungen trotzdem nachvollziehen können. Richtig Spaß macht die Geschichte aber erst, wenn man die innere Logik der Actionszenen versteht und auch mit Kiras Beschreibungen von Laboren, fliegenden Riesenschlangen und Parallelwelten etwas anfangen kann - nur dann entfaltet sie ihr volles Potential. Alle, die jetzt trotzdem noch "Chemie, igitt" denken, kann ich damit beruhigen, dass der Fantastikgehalt hier gegenüber dem ersten Teil nochmal ordentlich gesteigert ist. Klar, die Autorin erfindet hier das Genre nicht wirklich neu und greift auch auf altbewährte Strategien und Abläufe zurück, aber ihr gelingt es mit viel Einfallsreichtum und Kreativität, einen individuellen Wiedererkennungswert zu hinterlassen und ein ganz besonderes Lesegefühl hervorzurufen.


"Wir sind zwei Naturgewalten. Wir sind dafür gemacht, Seite an Seite die Welt aus ihren Angeln zu reißen. Ich straffte die Schultern, hielt seinen Blick. Und wir würden nicht untergehen."


Kira Licht ruht sich jedoch nicht auf dem Weltenaufbau ihres Eröffnungsbandes aus. Egal ob ein vierter Orden, weitere Mitspieler, neue Verwandtschaftsverhältnisse oder Apokalypsen-Pläne - hier bekommen wir einiges zum Nachdenken, wenn wir nicht gerade mit Emilia und Ben um unser Leben kämpfen. Und jener Überlebenskampf steht wieder ganz oben auf der Tagesordnung. Schon Band 1 war mit vielen Actionszenen, Straßenkämpfen, magischen Ritualen und abenteuerlichen Missionen gespickt. Die Handlungsdichte in Band 2 ist nun aber nochmal wesentlich größer. In "Kaleidra - Wer die Seele berührt" jagt eine magische, spannende, gefährliche Situation die nächste und wenn wir gerade kein Tria-Bündnis schließen, in der fremdartigen Welt Kaleidra um unser Leben kämpfen, oder mit ägyptischen Göttern um den letzten Baustein ringen, geht es eben in der Quecksilberloge rund. Zu sagen, es kämen hier keine Längen auf wäre also eine riesige Untertreibung. Tatsächlich lässt uns Kira Licht kaum einen Moment Zeit, um zu verschnaufen, bevor sie die nächste epische Szene folgen lässt.


"Seine Augen waren schwarz in der schemenhaften Dunkelheit, seine Stimme nur noch ein raues Flüstern. "Was willst du dann?"
"Ich will vergessen, wo wir uns befinden. Ignorieren, was die Orden uns vorschreiben. Einfach nur mit dir allein sein. Dich kennenlernen. jede Geschichte aus deiner Kindheit, jede Niederlage, die sich stärker gemacht hat. Jeden Erfolg, der dir Flügel verliehen hat. Ich will wissen, woher du jede einzelne Narbe an deinem Körper hast. Was dich zum Lächeln bringt, was dich traurig macht, was du dir im tiefsten Inneren deines Herzens wünscht. Deine Ängste, deine Zweifel, deine Sehnsüchte. Ich will jeden Quadratzentimeter deiner Haut kennen und jedes Quäntchen deiner Seele mein Eigen nennen."
Doch ich sagte kein einziges Wort."


Glücklicherweise leiden aber weder die Figuren noch das Setting unter diesem hohen Erzähltempo. Klar, der Fokus der Geschichte liegt hier mehr auf der Handlung und weniger auf den Figuren. Dennoch gelingt es Kira Licht, zwischen den Actionszenen genügend Reflexion, Dialoge und Erkenntnis zu schieben, dass die Geschichte geerdet bleibt und sich Dynamiken zwischen den Figuren fortsetzen. So geht es zum Beispiel auch um die leidende Freundschaft zwischen Emilia und Matti sowie ihrer Beziehung zu Ben, die sie hier zwar ausbaut, aber trotzdem eher zart und im Hintergrund bleibt. Auch Emilia an sich wird mit neuen Erkenntnissen über sich, ihre Herkunft und ihre Fähigkeiten konfrontiert und wächst daran immer mehr zu einer selbstbewussten Kämpferin, die sich nicht unterbuttern lässt. Auch wenn sie als magische Überfliegerin und wichtige Schlüsselfigur mit ungeahnten Kräften die Ausgeburt des "Special Snowflake"-Klischees ist, fand ich es sehr sympathisch, wie sie emanzipiert das Beste aus ihrer Situation macht und immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat. Mit ihrem Mundwerk, dass manchmal ein bisschen schneller ist, als ihr Gehirn, sorgt sie auch für den ein oder anderen Lacher. Ihre Reaktion auf die Entführung der Quecksilber Alchemisten ("Wo gehen wir hin? Warum darf ich das nicht wissen? Ich finde das echt sehr unhöflich") war zum Beispiel legendär. Auch andere Szenen wie die Bemerkung, dass das Wasser des Lebens doch auf keinen Fall aus nur 10 Zutaten bestehen kann, immerhin seien schon in jeder einfachen Handcreme dreimal so viel Inhaltsstoffe, sind einfach so herrlich absurd, dass man einfach schmunzeln muss.


"Zehn Zutaten, Matti", wiederholte ich und betonte jedes einzelne Wort. "In jeder dämlichen Handcreme sind heutzutage über dreißig. Und sie macht dich nicht unsterblich. Wir haben ein paar Kräuter gesammelt, ein bisschen Kies und Sand und eine Karaffe mit Wasser. Das alles klingt wie die großartigste Schnitzeljagd der Menschheitsgeschichte. Wirklich, ich respektiere die Kreativität der Alchemisten, die sich das ausgedacht haben. ich respektiere die Orden, weil sie das Voynich-Manuskript dadurch konservieren wollen, dass sie die Rezeptur herausfinden möchten. Aber ganz im Ernst? Zehn Zutaten? Ewiges Leben? Wirklich?"


Alchemisten-Mystik, Abenteuer mit Indiana-Jones-Vibes und einen Hauch Romantik... was will man mehr? Zum Leben erweckt wird diese wundersame Mischung aber erst durch Kira Lichts spritzigen, erfrischend humorvollen und lockeren Schreibstil. Sie zieht ihre Geschichte wie gesagt sehr rasant auf, sorgt jedoch durch schlagfertige Dialoge, kreative Ideen, skurrile Begegnungen und leise Romantik dafür, dass wir niemals vergessen, dass hier jugendliche Protagonisten am Werk sind und keine Maschinen. Durch ihren einmaligen Humor, der mich ein wenig an Jennifer L. Armentrout in ihren besten Jahren erinnert hat, bringt sie immer wieder Schwung in die Geschichte und hat mich ein ums andere Mal zum Lachen gebracht. Leider sind auch abseits der Protagonistin einige genretypischen Klischees wie zum Beispiel den Crazy-Wissenschaftler-Bösewicht zu finden und auch erstaunlich viele Fehler (vor allem Wortauslassungen oder Dopplungen) fielen mir negativ auf. Über diese kleinen Mängel täuschen die hohe Spannung, die rasante Handlung, die magische Atmosphäre (und habe ich schon die hohe Spannung erwähnt) zwar geschickt hinweg, dennoch ziehe ich hier für diese Kleinigkeiten einen halben Stern ab. Für volle 5 Sterne hätte ich mir außerdem noch etwas mehr Figurentiefe, eine stärkere Ausarbeitung deren Beziehungen und mehr Informationen zu einigen Entwicklungen gewünscht.

Vor allem aufgefallen ist mir das im letzten Abschnitt, der es ganz schön in sich hat. Gerade gegen Ende wird eigentlich alles rätselhafter, statt klarer, verzweifelter, statt besser und während ich mich während der letzten Kapitel noch fragte, wie Kira Licht ihre Figuren in den verbliebenen Seiten noch aus dieser Misere retten will, war mir kurz vor Schluss klar: gar nicht. Nehmt den Cliffhanger von Band 1, multipliziert ihn mit dem Faktor 1000 und das ist dann das Ende von "Kaleidra - Wer die Seele berührt". Puh, und jetzt noch bis Oktober auf den dritten und letzten Teil, "Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt" warten? Ich habe ungefähr unendlich viele Fragen an den weiteren Verlauf der Geschichte, die ich bis dahin wahrscheinlich wieder vergessen habe. Vielen Dank auch, Kira!



Fazit

So atmosphärisch, spannend und einfallsreich wie Band 1, jedoch mit einer einer viel höheren Handlungsdichte. "Kaleidra - Wer die Seele berührt" ist alles andere als ein Lückenfüller, hier jagt ein Abenteuer das nächste und hinterlässt ein dringendes Bedürfnis nach Band 3!

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.04.2021

Erschreckend realistisch, berührend menschlich und beeindruckend rasant...

Dry
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Neal Shusterman hat mich bislang vor allem mit seinem Jugendroman "Kompass ohne Norden" und seinen beiden Dystopie-Reihen "Vollendet" und "Scythe" überzeugen können. Mit "Dry" nimmt er sich gemeinsam mit ...

Neal Shusterman hat mich bislang vor allem mit seinem Jugendroman "Kompass ohne Norden" und seinen beiden Dystopie-Reihen "Vollendet" und "Scythe" überzeugen können. Mit "Dry" nimmt er sich gemeinsam mit seinem Sohn eines weitaus realistischeren und in näherer Zukunft liegenden Themas an: dem Klimawandel und dessen verheerenden Folgen. Verarbeitet zu einem hochspannenden Apokalypse-Jugendbuch machen er und sein Sohn Jarrod darauf aufmerksam, was in schon naher Zukunft passieren könnte und wie dünn das Rinnsal ist, dass uns von einer humanitären Katastrophe trennt...

Passend zum Thema ist die Geschichte all denjenigen gewidmet, die "sich anstrengen, die katastrophalen Folgen des Klimawandels rückgängig zu machen." Wie der knappe und sehr passende Titel schon verrät, rückt hier die anhaltende Dürre in Südkalifornien in den Mittelpunkt, in der die elementarste Ressource überhaupt knapp wird: Wasser. Passend dazu ist auf dem Cover vor einem krisseligen, dunklen Farbverlauf ein Streichholz zu sehen, welches statt einer Flamme einen Wasserspritzer enthält. Innerhalb der Buchdeckel finden sich neben 56 Kapiteln aus verschiedenen Perspektiven und sechs große Gesamtabschnitte mehrere "Snapshots". Letztere werden regelmäßig eingebunden, um ein vollständigeres Bild der Krise zu erhalten und auch auf die gesamtgesellschaftlichen Folgen der Wasserknappheit und des Tap Outs einzugehen.


Alyssa: "Für eine Wasserkrise gibt es keine Radarbilder. Keine Sturmfluten, keine Trümmerfelder. Der Tap-Out ist so lautlos wie Krebs."


Im Gegensatz zu anderen Apokalypse-Geschichten wie zum Beispiel "Black-Out" oder "Der Schwarm", die eher auf ein breites Bild abziehen, dabei aber die emotionale Bindung etwas aus den Augen verlieren, konzentriert sich "Dry" bis auf die wenigen Snapshot-Ausflüge auf eine einzige Gruppe Jugendlicher und deren Weg durch die Krise, was einen noch intensiveren Bezug des Lesers zur Handlung schafft. Dabei nutzen die beiden Autoren vier Ich-Perspektiven: Alyssa, Kelton, Jacqui und Henry, die nach und nach mit zunehmender Eskalation auftreten. Trotz dass "Dry" relativ langsam startet, hat mich die rasant erzählte Geschichte über das Schicksal von fünf Jugendlichen, die unterschiedlicher nicht sein könnten aber in ihrem Kampf ums Überlegen vereint sind, von der ersten Seite in ihren Bann gezogen. Von der ersten Seite an liegt eine dunkle Vorahnung in der Luft, während wir zunächst zusammen mit der 16jährigen Alyssa bemerken, dass aus dem Wasserhahn kein Wasser mehr kommt. Zwar ist die Situation zuerst eine recht alltägliche, als aufmerksamer Leser ahnt man jedoch, dass der Weg zur humanitären Katastrophe nicht weit ist. Denn mitten im kalifornischen Hochsommer kein Wasser mehr zu haben, entpuppt sich als großer Albtraum und die aller wenigsten sind darauf vorbereitet. Für Alyssa, ihre Eltern und ihren kleinen Bruder Garrett bedeutet das: so schnell wie möglich an Wasser gelangen - doch das wollen leider alle...


Alyssa: "Irgendwas fühlt sich komisch an. Ich weiß nicht genau, was es ist, aber es hängt in der Luft wie ein Geruch. Es ist die Ungeduld der Menschen vor den Kassen. Fast wie mit einem Rammbock bahnen sich die Leute mit ihren Einkaufswagen einen Weg durch die Schlangen. Es herrscht eine Art primitive Ur-Feindlichkeit, nur verdeckt von einer dünnen Schicht aus vorstädtischer Höflichkeit, die langsam fadenscheinig wird."


Alyssas Nachbar Kelton - unser zweiter Erzähler - und dessen Familie haben es besser, denn als Hobby-Prepper sind die McCrackens seit Jahren auf jede Form der Apokalypse vorbereitet. Doch dass ein Notfallaggregat, ein Wassertank hinter dem Haus und angelegte Vorräte Neider anlockt und verzweifelte Menschen vor fast nichts zurückschrecken, wird auch ihnen zum Verhängnis. So sitzen Kelton, Alyssa und Garrett schnell in einem Boot und versuchen, die Ausuferungen des Chaos´ um sie herum zu umgehen. Geplünderte Supermärkte, gescheiterte Nachbarschaftshilfen und umherirrende "Wasserzombies" sind die ersten Vorzeichen. Nach mehreren Tagen spitzt sich die Lage doch zusehends zu und es geht für unsere Protagonisten ums nackte Überleben. "Dry" wird von Seite zu Seite ernster und enthält auch einige sehr heftige Szenen, bei denen mir der Atem stockte. So klebte ich beinahe an den Seiten, während ich mit unseren Protagonisten durch verlassene Straßen, von Unterschlupf zu Unterschlupf reiste, sie durch Wälder, über verstopfte Autobahnen und durch ausgetrocknete Kanäle begleitete, immer auf der Suche nach dem nächsten Schluck Wasser...


Kelton: "Es passiert alles genauso, wie es in den Survival-Büchern steht. Aber das tröstet mich nicht. Nicht im Geringsten. Weltuntergangsszenarien machen nur Spaß, solange der Weltuntergang theoretisch ist. Jetzt wünschte ich, sie hätten sich alle geirrt."


Doch die Kleinigkeit, die die Geschichte wirklich schlimm macht, ist der wahre Kern. Man würde die Geschehnisse gerne der blühenden Fantasie von Neal und Jarrod Shusterman zuschreiben, doch was alles so erschüttern macht, ist dass ich mir mir ohne Probleme vorstellen könnte, von genau dieser Krise im Sommer in den Nachrichten zu sehen. Erschreckend realistisch wird das Buch auch dadurch, dass die Shustermans sehr gut recherchiert haben. Von Katastrophenpläne über die typischen Abläufe einer Krise bis zum Zusammenbruch der gesellschaftlichen Strukturen und einem anarchischen Zustand - die beiden Autoren erzählen hier einen Ablauf, der genau so passieren könnte, untermauert mit mir bekannten Theorien der Psychologie.


Alyssa: "Es ist so ruhig", sage ich. "Da kann man fast vergessen, was da draußen los ist." "Dort ist nichts, nur Menschen", erklärt Henry. "Menschen können Monster sein. Egal ob wegen ihrer Handlungen oder ihres wahren Wesens, das tut nichts zur Sache. Das Ergebnis ist dasselbe." Henry zuckt mit den Schultern, als würde ihn das nicht stören. Ich frage mich, ob er tatsächlich so unbekümmert ist oder ob er mir zuliebe so tut. "Manchmal muss man ein Monster sein, um zu überleben", sagt er."


Neben der Spannung, die aus dem ständigen Kampf ums Nackte Überleben resultiert, machen in "Dry" genau wie in Neal Shustermans "Vollendet"-Reihe zwischenmenschliche Konflikte, Beobachtungen, Manipulationen und Machtkämpfe - also kurz: die Gruppendynamik zwischen den Jugendlichen - ebenfalls einen Teil der Spannung aus. Bei einigen Zwischenstopps erhalten wir zwei zusätzliche Mitglieder des durch das Schicksal zusammengeschweißten Überlebensteams, die ebenfalls aus ihrer Geschichte erzählen dürfen. Die 19jährige Jacqui bringt dabei zwar eine Menge Straßenerfahrung und ihre Fahrkünste mit ins Team, erschwert den Umgang in der Gruppe jedoch dadurch, dass sie ein laufendes Pulverfass ist. Richtig ins Rollen kommt der Strudel aus Misstrauen, Achtsamkeit und Verrat innerhalb der Gruppe aber erst, als der berechnende Henry aus gutem Hause dazu stößt, der in der Krise vor allem eins sieht: eine Möglichkeit Profit zu schlagen...


Henry: "Das Geheimnis der erfolgreichen Zusammenarbeit in einer Gruppe ist ein dynamischer, ansprechbarer Anführer. Und der Schlüssel, ein guter Anführer zu sein, ist genaue Beobachtung und subtile Manipulation - so subtil, dass niemand merkt, dass er manipuliert wird. Wenn man genauer darüber nachdenkt, ist das auch der Schlüssel für eine erfolgreiche Regierung."


Die Mitfühlende, das Nesthäkchen, der Nerd, die Draufgängerin und der Snob - die fünf Protagonisten könnten unterschiedlicher nicht sein, dennoch verbindet sie eines: sie werden vom Autorenduo Shusterman mit wenigen Worten als starke Teenager charakterisiert, die vor allem eines sind, Menschen. Menschen, die Angst haben, Rache wollen, lieben, hassen, zweifeln, trauern, hoffen und leben wollen. Auch wenn das Buch an einigen Stellen hart und kompromisslos erscheint, hat es mich doch tief berührt. Ich liebe Bücher, die mich zum Nachdenken anregen, egal in welchem Genre sie angesiedelt und dieses hat mich zu ausschweifenden Grübeleien verholfen. Allein an der Anzahl der Flaschen Wasser, die ich beim Lesen getrunken habe, merkt man vermutlich, wie nah mir die Geschehnisse gingen. Darüberhinaus ließ mich der Gedanke einfach nicht los, wie schlecht ich selbst auf eine derartige Krise vorbereitet wäre und ich konnte nicht aufhören mich zu fragen, wie weit ich bereit wäre für mein eigenes Überleben zu gehen...


Alyssa: “Entweder man öffnet die Türen weit oder man schließt sie ab”, sage ich wehmütig. “Die Menschen sind zu kompliziert, um auf irgendetwas dazwischen zu vertrauen.”


Auch einige wirklich berührende Szenen schmücken den Plot, der sonst vor allem auf Action, Gewissensfragen und die starken Charaktere baut. Es ist so unendlich schön und bitter mitzuerleben, wie die fünf sich zusammen durchkämpfen und alle Seiten der Not kennenlernen. Auch die Entwicklung der Figuren folgt einer psychologischen Theorie: ganz nach dem Motto "In drei Tagen vom Mensch zum Tier" offenbart die Katastrophe in jedem der Figuren neue Abgründe... Man merkt jedoch nicht nur an den jugendlichen Figuren, dass es sich hier um ein Jugendbuch handelt. Zwar wird hier nichts beschönigt, dennoch hätte man noch zu extremeren Mitteln greifen und wirkliches Elend zeigen können. So werden zwar ab und zu von Todesopfern berichtet, Leichensäcke genannt oder Totkranken wird der Tod prophezeit, die Menschen verdursten und sterben aber im Off und belasten die jugendlichen LeserInnen nicht zusätzlich. Da die Lage dank des meisterhaft direkten, schonungslosen Schreibstil, der uns einen gruseligen Gänsehautmoment nach dem anderen beschert ohne grausam oder blutig zu sein, schwer genug zu ertragen ist, würde ich das Buch aber erst ab 14 bis 16 Jahren empfehlen.


Kelton: "Wenn es ums Überleben geht, gibt es keine Preise für zweite und dritte Plätze, sondern nur Gold oder Grab. Und ich glaube, den anderen ist nicht klar, wie nah wir am Verlieren sind."


Der einzige Kritikpunkt, den ich bei diesem Meisterwerk vorzubringen habe, ist das Ende. Dieses war mir nach der sich langsam immer stärker aufbauenden Spannung hin zur Eskalation viel zu zahm und auch zu knapp abgehandelt. Vom absoluten Tiefpunkt, an dem ich mir sicher war "jetzt ist alles aus", bis zu "alles wieder normal" muss man leider nur dreimal umblättern. Hier hätte ich mir eine langsamere, ausführlichere Entwicklung gewünscht, die den Leser emotional zurück zur Normalität führt und auch die zwischen Beinahe-Tod und Happy-End vergangene Handlung (Zurückkehr der Eltern, Auflösung des Konflikts, Rückführung in den Normalzustand) genauer ausführt. Zwar kann ich schon verstehen, weshalb das Shusterman´sche Autorenduo diesen krassen Sprung gewagt hat - um auch den Lesern zu verdeutlichen, wie verloren sich die Figuren auch nach dem Ende der Krise noch fühlen und wie solche Extremsituationen nie so wirklich vorbei zu sein scheinen -, mir persönlich war das aber zu knapp und hat nicht ganz zum sich langsam aufbauenden Rest der Geschichte gepasst. Dass am Ende alle vergleichsweise glimpflich davonkommen kann ich dagegen unter dem Gesichtspunkt, dass es sich hier um ein Jugendbuch handelt, nachvollziehen.

Ich könnte hier noch viele Gründe mehr angeben, wieso mich dieses Buch so sehr fasziniert und so gefesselt hat, aber am besten du machst dir selbst ein Bild und liest diesen wirklich tollen Roman. Beenden möchte ich meine Rezension mit einem schönen Gedanken....


Alyssa: "Mir wird klar, dass dies der wahre Kern des menschlichen Wesens ist: Auch wenn wir die Energie verloren haben, uns selbst zu retten, finden wir noch irgendwie die Kraft, uns gegenseitig zu helfen."




Fazit:

Jarrod und Neal Shusterman haben in "Dry" den Klimawandel und dessen verheerenden Folgen zu einem hochspannenden Apokalypse-Jugendbuch verarbeitet. Der Kampf ums Überleben ist so erschreckend realistisch, die Figuren so berührend menschlich und die Dynamik so beeindruckend rasant, dass ich die Geschichte bis zum Ende nicht aus der Hand legen konnte.

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