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Veröffentlicht am 28.04.2021

Those were the days, my friend

Die Geschichte von Kat und Easy
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...we thought they'd never end

Ein Lied, dessen Refrain genau auf die Ausgangsituation dieses Romans passt, auch wenn es bereits 1968 entstand.

Freundinnen für ein Jahr waren Kat (Katharina) ...

...we thought they'd never end

Ein Lied, dessen Refrain genau auf die Ausgangsituation dieses Romans passt, auch wenn es bereits 1968 entstand.

Freundinnen für ein Jahr waren Kat (Katharina) und Easy (für Isi bzw. Isolde) vor langer Zeit. Unzertrennlich damals in den 1970ern, genauer gesagt: 1972/73. Sie haben diese verrückte Zeit zwischen Kindheit und Reife miteinander erlebt, Tage, in denen man unbedingt erwachsener wirken will, als man ist. Und dadurch nicht einmal seiner besten Freundin alles so erzählt, wie es war. Sondern so, wie es sein sollte oder wie es gerade eben am günstigsten war.

Das wurde nicht nur ihrer Freundschaft zum Verhängnis. Nein, etwas viel, viel Schlimmeres, was sogar im engeren Sinne mit dem Umgang mit Wahrheit zu tun hatte, geschah und trennte sie bzw. veranlasste Kat dazu, sich nie mehr bei ihrer damals besten Freundin Easy zu melden.

Die dies jedoch ihrerseits Jahre später tut und Kat zu einer Reise nach Griechenland einlädt. Eine Episode, an der ich aufgrund meiner eigenen Griechenland-Vergangenheit (ich habe dort zur Jahrtausendwende für ein Jahr gearbeitet) meinen besonderen Spaß hatte.

Ein leichter Roman, aber kein oberflächlicher. Einer, der aufzeigt, dass jeder seine eigene Wahrnehmung hat und gar nicht unbedingt so ist, wie man ihn jahrelang gesehen hat. Und auch niemals so war. Allerdings bleibt er aus meiner Sicht sowohl in Bezug auf Handlung als auch auf Sprachgewalt einen Ticken hinter "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" zurück. Aber das macht nicht, es ist immer ein großer Genuss, Susann Pásztor zu lesen. War es letztes Mal wie eine Schifffahrt entlang den Fluss Charon, ist es diesmal wie ein riesiges Picknick auf einer Wiese auf Kreta (wo der "griechische" Teil der Handlung angesiedelt ist). Einer Wiese mit Brennesseln drauf bzw. einem Kuchen mit ein paar Tropfen BIttermandel drin.

Besonders genossen habe ich auch in diesem Roman wieder die Charaktere, die die Autorin Susann Pásztor scheinbar - wie den ganzen Roman - nur so aus dem Handgelenk geschüttet und mit einer gehörigen Prise von Originalität versehen hat, jeden einzelnen von ihnen. Vor allem bei Nebenfiguren tobt sie sich aus und ich hatte in diesem Roman meinen besonderen Spaß an den Veränderungen (oder eben auch gerade nicht) zwischen 1973 und der Gegenwart (bzw. 2019, wenn ich richtig gerechnet habe, was Alter und andere Hinweise betrifft).

Für damals wie heute (bzw. vor ein paar Jahren) lässt sich zusammenfassend sagen: Kiffend erleben Kat und Easy Tages des Glücks und der Verzweiflung - nicht so umwerfend wie der Vorgänger-Roman, aber ein Roman von Susann Pásztor ist immer eine lohnende Lektüre!

Veröffentlicht am 25.04.2021

Ein neues Ermittlerduo aus Dänemark

Die guten Frauen von Christianssund
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... genauer gesagt aus Christianssund, einer Kleinstadt unweit von Kopenhagen, führt die Autorin Anna Grue ein: nämlich den Kommissar Flemming Torp und seinen Jugendfreund, Werbefachmann Dan Sommerdahl, ...

... genauer gesagt aus Christianssund, einer Kleinstadt unweit von Kopenhagen, führt die Autorin Anna Grue ein: nämlich den Kommissar Flemming Torp und seinen Jugendfreund, Werbefachmann Dan Sommerdahl, der sich als eine Art männliche und jüngere Miss Marple in die offiziellen Ermittlungen einschaltet und mehr noch - sehr eigenmächtig auf eigene Faust zu ermitteln beginnt.

Dan gerät eher zufällig ins Geschehen: Er ist aufgrund eines Burnouts für längere Zeit krankgeschrieben, als sein Freund Flemming von einem gemeinsamen Essen zum Tatort gerufen wird - und das ist ausgerechnet Dans Arbeitsplatz - um direkt alle informationen aus erster Hand zu bekommen, nimmt er Dan, der als einziger Mitarbeiter aufgrund des Treffens mit Flemming nicht tatverdächtig ist, mit vor Ort - und wird ihn so schnell nicht mehr los. Opfer ist eine Putzfrau, die Estin Lilliana, die, wie sich rasch herausstellt, inoffiziell in Dänemark weilte und schwarz arbeitete. Allmählich tut sich hinter diesem einen Fall, der weitere Geschehenisse nach sich zieht, ein ganzes Netzwerk auf - sind es möglicherweise "gute Frauen aus Christianssund", die dahinterstecken? Und wenn ja; wer sind sie, was ist ihre Motivation, was ihre Zielsetzung ist.

Das Privat- und Berufleben der beiden Herren Dan und Flemming - etwa Mitte 40 - wird ausgiebig beleuchtet, Beziehung zu den Mitmenschen im engeren und weiteren Umfeld werden durchaus auch mal im Detail dargestellt. Ebenso werden weitere relevante Figuren eingeführt, was die Erzählung von Zeit zu Zeit ein wenig langatmig, wenn nicht gar schwerfällig werden lässt. Insgesamt aber ein zeitweise durchaus spannender, gut geschriebener und origineller Krimi im Stil eines klassischen Whodunnit. Das Buch beinhaltet einen Leseeindruck zum nächsten Teil der Reihe - und für mich steht jetzt schon fest, dass ich die Geschicke von Flemming und Dan weiterverfolgen werde!

Veröffentlicht am 23.04.2021

Vermisst in Sankt Peter Ording

Nordwesttod
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wird Nina Brechtmann, eine Umweltaktivistin, die ihre Überzeugung sowohl privat als auch beruflich auslebt. Damit stellt sie sich gegen ihre Familie (jedenfalls aus deren Sicht), die die bauliche Erweiterung ...

wird Nina Brechtmann, eine Umweltaktivistin, die ihre Überzeugung sowohl privat als auch beruflich auslebt. Damit stellt sie sich gegen ihre Familie (jedenfalls aus deren Sicht), die die bauliche Erweiterung ihrer Hotelkette plant: durch nicht nur einen Riesenbau direkt am Meer. Mutter und Schwester reagieren bei Befragungen höchst merkwürdig, aber sie sind nicht die Einzigen.

Und das Ermittlungsteam muss sich auch erst zusammenraufen, besteht es doch aus dem frisch ernannten Dienststellenleiter Hendrik Norberg und aus Anna Wagner, einer Expertin für Vermisstenfälle, die gerade erst aus Bayern an die Nordsee gezogen ist. Und beide haben privat nicht gerade kleine Päckchen zu tragen!

Dazu kommt, dass auf der Dienststelle nicht nur einfache Charaktere tätig sind. Autorin Svea Jansen gelingen besonders die Personendarstellungen sehr gut, was bei einem Krimi, der vor allem durch seine Figuren getragen wird, ebenso wichtig wie lobenswert ist.

Es kommt auch ordentlich Spannung auf, denn es gibt zahlreiche potentielle Täter, wie Anna und Hendrik nach und nach herausfinden. Ein schöner Krimi, dem ein paar Nebenschauplätze weniger nicht geschadet hätten - so wurde es stellenweise recht unübersichtlich.

Insgesamt jedoch habe ich diesen ersten Fall des Teams von Schleswig Holsteins Nordseeküste sehr genossen und freue mich schon auf den nächsten Band mit Hendrik und Anna!

Veröffentlicht am 18.04.2021

Ein märchenhaft langer Schlaf

Der ehemalige Sohn
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fast wie bei Dornröschen, wird dem Musikschüler Franzisk, genannt Zisk zuteil. Allerdings liegt er nach einem dramatischen Unfall im Koma und niemand außer seiner Großmutter kümmert sich um ihn. Im Gegenteil: ...

fast wie bei Dornröschen, wird dem Musikschüler Franzisk, genannt Zisk zuteil. Allerdings liegt er nach einem dramatischen Unfall im Koma und niemand außer seiner Großmutter kümmert sich um ihn. Im Gegenteil: diese muss ordentlich aufpassen, dass man ihn nicht für Organentnahmen missbraucht oder ihn gar einfach abmurkst, weil mit dem ja eh nichts mehr los ist.

Pustekuchen! Zisk wacht nach rund zehn Jahren auf und findet sich in einer anderen Welt wieder. Zumindest, was sein privates Umfeld angeht: seine Mutter hat inzwischen den Oberarzt der Klinik geheiratet und hat einen neuen Sohn. Zisk wird zum ehemaligen Sohn degradiert und muss sehen, wo er bleibt.

Sonst hat sich nicht viel geändert in Belarus. Es gibt immer noch nicht viel Hoffnung auf ein normales Leben.

Auch wenn Autor Sascha Filipenko einiges im Unklaren lässt - so fällt bspw. der Name Lukaschenko kein einziges Mal - weiß man als Leser genau, was er meint. Auch wenn durchgehend Ironie im Spiel ist: Die ganze Geschichte ist eher zum Weinen als zum Lachen. Nach diesem beeindruckenden Roman, der zwar stellenweise Längen aufweist, mich als Leserin dennoch bis ins Mark getroffen hat, wünscht man sich, dass Zisk die Möglichkeit erhält, seinen Weg zu gehen. Wie und wo auch immer.

Veröffentlicht am 18.04.2021

Bleiben oder gehen?

Das Haus des Leuchtturmwärters
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Was bis vor kurzem noch eher Überzeugungssache war, ist 1962, im Jahr nach dem Mauerbau, zu einem gefährlichen Risiko geworden - die Flucht aus der DDR.

Die Freundinnen Else, Tochter des Leuchtturmwärters, ...

Was bis vor kurzem noch eher Überzeugungssache war, ist 1962, im Jahr nach dem Mauerbau, zu einem gefährlichen Risiko geworden - die Flucht aus der DDR.

Die Freundinnen Else, Tochter des Leuchtturmwärters, und Lulu leben in einem kleinen Ort westlich von Rostock direkt an der Ostsee, 40 km entfernt von Dänemark. Sie sind schon lange nicht mehr glücklich in der Welt, in der sie leben. Sollen sie? Sollen sie nicht? Es kommt ein Dritter dazu, nämlich Otto, Lulus Freund und es wird ein Plan geschmiedet...

Autorin Kathleen Freitag beschreibt mitreißend sowohl Lebensumstände als auch die Gefühlslage der Protagonist*innen, die Zweifel, Ängste, aber auch den Hader mit dem Regime.

Nicht ganz so gut hat mir gefallen, dass es eine zweite zeitliche Ebene im Jahr 1992 gibt, in der die Autorin Franzi, Mitte 30 , zum Schreiben an den Ort ihrer Kindheit, nämlich eben jenen Leuchtturm, in dem auch Else aufwuchs, zurückkehrt und dort spannende Unterlagen findet. Von Else und ihrem Vater....

Wie das alles zusammenkam, das stimmte nicht immer mit meinem Verständnis der Logik überein. Dennoch habe ich das Buch gerne gelesen und empfehle es weiter an jeden, der sich für Deutschlands jüngste Vergangenheit interessiert.