Marie führt ein zufriedenes Leben, doch ist ihr Bruder Richard der Ansicht, dass sie viel zu lange alleine war. Somit verkuppelt er sie bei einem Abendessen mit Pius, einem attraktiven und charismatischen Wissenschaftler. Marie ist sofort hin und weg und nach nur wenigen Verabredungen sind die beiden unzertrennlich und Pius nimmt in ihrem Leben die Rolle des wichtigsten Menschen ein. Es folgt das Zusammenziehen und die Hochzeit. Erst nach dem Schlaganfall, als sie in ihrem eigenen Körper gefangen ist, wird ihr bewusst was für einen Fehler sie begangen hat indem sie sich auf Pius einließ. Doch gibt es für sie überhaupt noch einen Ausweg?
Meine Meinung:
Ehrlich gesagt wusste ich vor dem Lesen nicht so ganz auf welches Thema ich mich hier einlassen würde. Hatte sogar eine romantische Liebesgeschichte erwartet, aber dies bekommt man hier nicht unbedingt. Hier geht es um so viel mehr, um ein Thema über das viele nur ungern reden oder grübeln. Denn wie weit darf Forschung gehen? Wo genau sollte man einen Schlussstrich ziehen und sich nicht in die Natur einmischen?
Nora Lachmann ist mit diesem Roman ein tiefgründiges, bewegendes und spannendes Buch gelungen, das man ganz locker in einem Rutsch lesen kann, weil es von der ersten Seite an fesselt. Der Schreibstil ist wunderbar, es ist alles verständlich erklärt, gut beschrieben und als Gesamtwerk überzeugt es auf ganzer Linie, sodass ich auch kein einziges Wort angezweifelt habe.
Mit Marie, aus deren Sicht geschildert wird, bekommen wir eine leicht naive Protagonistin, die von ihrer Liebe zu Pius geblendet wird und das Offensichtliche übersieht. Und auch wenn ich sie manchmal am liebsten geschüttelt und ihr gesagt hätte, dass sie einen Fehler begeht, konnte ich verstehen weshalb sie auf ihn so dermaßen gehörig reagiert. Er war der erste Mann, der deutliches Interesse an ihr zeigte, der ihr jeden Wunsch von den Augen lesen konnte und sie verwöhnt hat. Während er Marie schamlos, auf eine überaus charismatische Art, manipuliert und an sich gebunden hat, hat sie in allem nur seine Liebe zu ihr gesehen.
Als sie am Hochzeitstag einen Schlaganfall erleidet und als Folge mit dem Locked-In-Syndrom zu kämpfen hat, wird das Ausmaß von Pius Grausamkeit immens, denn für ihn ist sie sein persönliches Forschungsobjekt. Getrieben von Ehrgeiz, Wissensdurst, Macht und Ruhm tut er alles um in der Wissenschaft voranzukommen und für seine Erfolge anerkannt zu werden, Marie’s Wünsche völlig außer acht lassend. Und als Leser kann man nichts anderes tun als hoffen, dass Marie Fortschritte in der Genesung macht, es schafft, sich jemandem anzuvertrauen und dem Ganzen entfliehen kann.
Aus ihrer Sicht erzählt ist es einfach nur rührend ihre Gedanken und Gefühle zu verfolgen und beklemmend zu erfahren wie es sein muss alles mitzubekommen aber weder in der Lage zu sein sich zu bewegen noch zu kommunizieren. Unfassbar, wie die Autorin es geschafft hat das Ganze so glaubwürdig rüberzubringen. Man fühlt, leidet und hofft mit Marie mit. Zwischendurch wird der Text von einigen Träumen und Rückblenden unterbrochen, die Marie schon längst verdrängt hat und die verdeutlichen, weshalb ihr Leben so ist wie es ist und nebenbei auch ein schwieriges Thema aufgreifen.
Die Charaktere neben Marie und Pius sind genauso fabelhaft ausgearbeitet und als Leser bekommt man das Gefühl sie alle gut einordnen zu können, zu wissen wer Freund und wer Feind ist, doch musste ich mich geschlagen geben und am Ende erkennen, dass nicht alle so sind wie sie scheinen.
Das Buch schafft es ein überzeugendes Bild unserer Gesellschaft wiederzugeben, das im ersten Moment erschüttert, mich nachdenklich gestimmt hat und dem ich dennoch nichts zu widersetzten habe. Hier werden Themen angesprochen, die vielleicht keine einfache Kost sind jedoch durchaus wichtig und bedeutend.
Fazit:
Empfehlens- und lesenswerter Debütroman, der verdiente 5 Sterne von mir bekommt. Von der ersten bis zur letzten Seite konnte mich das Buch überzeugen.