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Venatrix

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Fesselnde Fortsetzung

Das Knistern von Eis
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Es ist Adventzeit am Bodensee - still und starr liegt der See da, was man von der Bevölkerung nicht sagen kann. Die Kakophonie der unerträglichen Weihnachtslieder lassen Max Madleners und Harriet Holtbys ...

Es ist Adventzeit am Bodensee - still und starr liegt der See da, was man von der Bevölkerung nicht sagen kann. Die Kakophonie der unerträglichen Weihnachtslieder lassen Max Madleners und Harriet Holtbys Nerven blank liegen. Noch wissen sie nicht, dass das Gedudel nur ein Vorgeschmack auf weiteren Wahnsinn bedeutet. Ein Profikiller zieht, einem Phantom gleich eine blutige Spur rund um den Bodensee.

Auslöser dieser Mordserie ist die Heldentat eines Galeriebesitzers, der zwei kleine Mädchen, die sich verbotenerweise auf das dünne Eis des Sees begeben haben und natürlich eingebrochen sind. Denn die Berichterstattung über den Mann in den Medien, löst eine Kettenreaktion an Verbrechen aus. Noch weiß niemand, dass sich der Ermordete in einem Zeugenschutzprogramm befunden hat. Als sich das LKA einschaltet und man der Friedrichshafener Kripo, und damit Madlener den Fall entzieht, ist die Kacke so richtig am Dampfen.

Doch wer „Mad“ Max Madlehner kennt, weiß dass er sich weder vom LKLA noch von der neuen Polizeipräsidentin von seinen eigenen Ermittlungen abhalten lässt.

Meine Meinung:

Dies ist ja schon mein vierter Krimi um Max Madlener und Harriet Holtby. Dieses unkonventionelle Ermittlerduo ist mir so richtig ans Herz gewachsen. Die beiden verstehen sich ohne Worte und ergänzen sich vorzüglich.

Der Krimi ist fesselnd bis zur letzten Seite. Auch das Privatleben von Max darf wieder eine Rolle spielen. Immer wieder gibt es natürlich kleine Missverständnisse, die auf falsch verstandene Rücksichtnahme zurückzuführen sind. Diesmal hadert er mit dem Weihnachtsfest. Denn eigentlich hat er zwei Ex-Frauen und einen Sohn sowie seine neue Freundin Ellen, die unterschiedliche Ansprüche deswegen an den leidenschaftlichen Weihnachtshasser stellen. Wie er aus diesem Dilemma herauskommt, ohne zu viel Porzellan zu zerschlagen, hat der Autor recht gut gelöst.

Die Charaktere dürfen sich weiterentwickeln, was mir gut gefällt. Entzückend auch die Geburtstagsüberraschung für Ma, an der Harriet nicht ganz unbeteiligt ist.

Ich freue mich schon auf Band 5 (Das Lodern der Flammen) und Band 6 (Der Tote aus dem See)

Fazit:

Wieder ein fesselnder Bodensee-Krimi, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 18.04.2021

Ein interessanter Erzähler

Lob des Opportunismus
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Der tschechische Autor Marek Toman, von dem ich schon „Die große Neuigkeit vom schrecklichen Mord an Šimon Abeles“ gelesen habe, hat wieder einen Roman, diesmal mit einem ungewöhnlichen Erzähler, verfasst.

Als ...

Der tschechische Autor Marek Toman, von dem ich schon „Die große Neuigkeit vom schrecklichen Mord an Šimon Abeles“ gelesen habe, hat wieder einen Roman, diesmal mit einem ungewöhnlichen Erzähler, verfasst.

Als Erzähler fungiert diesmal ein Palast, der ein wenig eingebildet und hochnäsig wirkt. Es handelt sich um das Stadtpalais Čzernín, das die gleichnamige Familie am Rande des Hradschins am Loretoplatz errichten hat lassen.
In elegischen Worten schwärmt der Erzähler von seinen Anfängen, vom Jahr 1669 und Graf Humprecht Johann Czernin von Chudenitz, der den italienischen Baumeister Caratti mit dem Bau beauftragt hat. Der Erzähler schwelgt in Erinnerungen an Fechtübungen und verschweigt auch nicht, dass der Palast bald ein einsames Dasein führt, denn die Familie hält sich lieber am Kaiserhof in Wien auf. So bleibt der Palast häufig unbewohnt, wird mehrmals durch Kriege beschädigt und geplündert. Dann später dient er als Kaserne und wird seiner barocken Struktur beraubt und in einen Profanbau verwandelt, der sogar als Waisenhaus herhalten muss. Diesen Niedergang berichtet der Erzähler mit wehmütigem Seufzen.

Dann, nach der Gründung der Tschechoslowakei 1918 kommt so etwas wie Aufbruchstimmung. Unter Präsident Tomas Masaryk wird der Palast zum Außenministerium, um nach der Annexion durch das NS-Regime dem Reichsstatthalter Reinhard Heydrich als Residenz zu dienen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird es Zeuge des „Dritten Prager Fenstersturzes“ am 10. März 1948, bei dem der damalige Außenminister Jan Masaryk unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen aus dem Fenster fiel. Über die Ereignisse jener Nacht macht sich der Palast so seine eigenen Gedanken.

Heute ist das Palais Čzernín Sitz des Außenministeriums der Tschechischen Republik.

Diese wechselvolle Geschichte des Palastes erfährt der geneigte Leser in wohl
gesetzten Worten. Nicht alle Geheimnisse des Gebäudes werden gelüftet und nicht alle geschichtlichen Ereignisse werden mit der gebotenen Neutralität betrachtet. Doch das darf sein, denn der Erzähler ist ein Überbleibsel aus längst vergangenen, manchmal glorreichen, Tagen.

Sehr interessant ist auch der Flirt mit der Loreto-Kapelle, die dem Palast gegenüber steht, aber seine Zuneigung nicht erwidert.

Fazit:

Ein Roman auf den man sich als Leser einlassen muss. Mir hat er gefallen, daher 5 Sterne.

Veröffentlicht am 17.04.2021

Regt zum Nachdenken und Nachmachen an

Kauf mich!
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Nunu Kaller beleuchtet in diesem Buch unser Kaufverhalten, das von den großen Konzernen geschickt manipuliert wird. Sie spart auch nicht mit Kritik an der Produktion von Fast Fashion, die in Bangladesch ...

Nunu Kaller beleuchtet in diesem Buch unser Kaufverhalten, das von den großen Konzernen geschickt manipuliert wird. Sie spart auch nicht mit Kritik an der Produktion von Fast Fashion, die in Bangladesch unter kriminellen Bedingungen erzeugt, von Influencerin massiv beworben und von uns gekauft wird, um wenig später - oft ungetragen - im Müll landet.
Sie prangert auch das sogenannte „green washing“ der Konzerne an, die nichts anderes als Augenauswischerei und eine Mogelpackung ist. Nur weil die Verpackung eine grüne Farbe hat und „öko/fair“ drauf steht, ist ein Produkt noch lange nicht fair produziert.

Die Autorin weiß, worüber sie schreibt, war sie doch selbst dem Kaufrausch verfallen. Nach einem Jahr, der Askese, die sie in ihrem Buch Kauf nix“ verarbeitet hat, hat sie nun einen anderen Weg eingeschlagen.

Sie schlägt vor, weniger, aber dafür bessere Qualität zu kaufen, auf Reparierbarkeit zu achten und auf die Produzenten zu achten. Klingt irgendwie bekannt?
Ja, eh - wir sollten nur auch regelmäßig danach handeln. Eine Umstellung von null auf hundert wird kaum gelingen, aber in kleinen Schritten, lassen sich die Einkaufsgewohnheiten ändern.

Allerdings macht es einem der Handel nicht immer leicht. Ich wollte heute, im (zu Fuß erreichbaren) Supermarkt laktosefreies Joghurt im 250-Gramm-Becher kaufen, erklärt mir die Filialleiterin, dass das ausgelistet wurde. Die Kunden, sagt sie, wollten nur die großen Tiegel (400 bzw. 500gr). Bin ich jetzt kein Kunde? Soll ich jetzt den großen Tiegel nehmen und den ungebrauchten Rest wegwerfen? Und wie passt das zur Nachhaltigkeitsstrategie des Supermarktes, der sich auf die Fahnen heftet, keine Lebensmittel zu verschwenden? Ach ja, nicht der Konzern verschwendet, sondern ich.

Gut, zurück zum Buch, das leicht lesbar und durchaus humorvoll daherkommt. Nunu Kaller gibt Tipps, die anregen, seine Einkaufsgewohnheiten zu überdenken. Als Gegenpol zu der riesigen Internetplattform hat sie währen der Covid-Pandemie eine Initiative gegründet, auf der zahlreiche kleinere und mittlere Betriebe aus Österreich gelistet sind, die kontaktfrei liefern. Diese Firmen arbeiten in Österreich und zahlen dort Steuern. (Siehe „liste.nunukaller.com“)

Fazit:

Eine Anregung, seine Einkaufsgewohnheiten zu überdenken, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 11.04.2021

Ein gelungener Reihenauftakt

Dampfer ab Triest
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Günter Neuwirth, den ich als Autor mehrerer Wien-Krimis kenne, entführt uns diesmal in die Donaumonarchie, genauer gesagt in das Jahr 1907 in die k & k Hafenstadt Triest.

Dort versieht Bruno Zabini seinen ...

Günter Neuwirth, den ich als Autor mehrerer Wien-Krimis kenne, entführt uns diesmal in die Donaumonarchie, genauer gesagt in das Jahr 1907 in die k & k Hafenstadt Triest.

Dort versieht Bruno Zabini seinen Dienst als Inspektor 1. Klasse in der dortigen Polizeidirektion. Zabini ist wie viele seiner Generation, Sohn einer österreichischen Mutter und eines italienischen Vaters und daher zweisprachig aufgewachsen. Diese Zweisprachigkeit ist es auch, die ihm zu einem mehrwöchigen Aufenthalt auf der „Thalia“, einem Vergnügungsdampfer, verhilft, der von Triest aus die Adria bis Konstantinopel befahren soll. Seine Aufgabe an Bord ist es, den pensionierten Oberst und ehemaligen Militärattaché Graf Urbanau und seine Tochter zu beschützen. Denn kurz nach deren Ankunft in Triest stirbt Urbanaus Fahrer bei einem Attentat, das eigentlich dem Grafen gegolten hat. Man hat, wie der technisch versierte Zabini festgestellt hat, die Bremsseile seines Automobiles angesägt.

Überhaupt, Zabinis Interesse an Technik im Allgemeinen und moderner Kriminaltechnik im Besonderen, spielen hier eine große Rolle, denn Urbanau verbittet sich Personenschutz. Deshalb schleust man Zabini als Schiffbauingenieur des Triestiner Lloyd auf dem Dampfer ein. Seiner Beobachtungsgabe entgeht wenig, dennoch kann er einen Mord an Bord nicht verhindern.

Meine Meinung:

Mit Bruno Zabini ist Günter Neuwirth ein sympathischer Ermittler gelungen, der das Zeug zum Serienhelden hat.

Zabini ist charmant und gut aussehend. Er kommt bei der (meist verheirateten) Damenwelt - sowohl am Festland als auch auf dem Dampfer - gut an. So hat er gleich zwei Gsupis in Triest und die eine oder andere Dame der illustren Dampferfahrt macht ihm Avancen. Doch er ist nicht der Einzige mit amourösen Abenteuern. Die Comtess Urbanau hat ihrem Geliebten, dem mittellosen Schauspieler Friedrich Grüner, die Passage auf dem Dampfer bezahlt, um ihm nahe zu sein.

Auch die anderen Charaktere sind liebevoll und detailliert gezeichnet. Meine zweite Lieblingsfigur ist die Reiseschriftstellerin Therese Wundrak.

Dieser Krimi vermittelt völlig unaufgeregt historisches Hintergrundwissen, wie der Dialog zwischen Therese und Hermine Seefried beweist:

„Eine akademische Karriere war mir als Frau mit unbeugsamen Willen von vornherein versagt, weil die Universitäten die kleingeistigen Kampfarenen eitler alter Gockel sind, denen eine junge Frau mit großer Energie panische Angst einjagt.“ (S. 117)

Auch politische Themen wie das Risorgimento in Italien oder die anderen nationalistischen Strömungen der habsburgischen Länder finden Eingang. Hier darf bei Zigarre und Hochprozentigem im Rauchsalon diskutiert werden.

Im Anhang findet der interessierte Leser Informationen zum historischen Umfeld und Personen dieses Krimis.

Die Handlung ist komplex und vielschichtig, verästelt sich gekonnt und kehrt wieder zum Ausgangspunkt, nämlich zur Verhinderung eines Attentats auf Graf Urbanau zurück. Die Leser werden eingeladen, ihre Beobachtungen mit jenen von Bruno und der toughen Therese Wundrak zu teilen. Wundrak hat recht bald durchschaut, dass Bruno mehr ist, als ein Schiffsingenieur. Ihn fasziniert ihr scharfer Verstand und wünscht sich Frauen bei der Polizei. Ach ja, Polizei: Zabini hat mehrere Monate bei Professor Hans Gross (1847-1915), dem Begründer der modernen Kriminalistik in Graz studiert. Gross hat die „Kommissionstasche“ erfunden, die Bruno Zabini auf seiner Reise begleitet.

Fazit:

Ein gelungener historischer Krimi, der das Fin de Siècle mit all seinen Anachronismen farbenprächtig auferstehen lässt und das Potenzial zu einer Reihe hat. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und hoffe auf eine Fortsetzung.

Veröffentlicht am 11.04.2021

Wer ermordete Rebecca Hirsch?

Teufelsberg (Wolf Heller ermittelt 2)
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Dieser zweite Thriller des Autoren-Trios rund um den Berliner Kommissar Wolf Heller spielt 1969 in der geteilten Stadt. Rebecca Hirsch, die Frau eines pensionierten Richters und Überlebende der Shoa wird ...

Dieser zweite Thriller des Autoren-Trios rund um den Berliner Kommissar Wolf Heller spielt 1969 in der geteilten Stadt. Rebecca Hirsch, die Frau eines pensionierten Richters und Überlebende der Shoa wird ermordet. Das Motiv liegt im Dunklen. Ist sie Opfer eines gewöhnlichen Frauenmörders, der bereits drei Frauen auf dem Gewissen hat oder ist die Tat politisch motiviert oder liegt der Mord in einem alten Familiengeheimnis begründet?

Linke Revoluzzer stiften Chaos, werfen Molotow-Cocktails und bezichtigen die Israelis, die neuen Faschisten zu sein. Gleichzeitig ist Berlin Tummelplatz für Spione aller Himmelsrichtungen, vornehmlich für Russen, die noch die eine oder andere Rechnung mit den Deutschen offen haben.

Vor diesem mehr als brisanten Hintergrund ermittelt Wolf Heller, der auch mit privaten Problemen zu kämpfen hat, weil Ehefrau Paula an Krebs erkrankt ist.

Und dann wird auch noch Louise Mackenzie, die Nichte der ermordeten Rebecca Hirsch, die dem Familiengeheimnis auf die Spur kommen will und deshalb mit Wolf Heller eng zusammenarbeitet, entführt.

Meine Meinung:

Die Autoren Martin Lutz, Sven Felix Kellerhoff und Uwe Wilhelm sind Journalisten bzw. Drehbuchautor und Schriftsteller und leben in Berlin.

Der Thriller ist komplex angelegt. So geben sich Radikale aller politischen Richtungen ein Stelldichein. Viele der Jungen sind enttäuscht von den Amerikanern, die in Vietnam Krieg führen, viele finden den Kommunismus als bessere Option und wieder sehen ihr Heil in der Anarchie. Man kifft, frönt der freien Liebe, besetzt Häuser und wirft den Vätern ihre Teilnahme an den Gräueln der NS-Zeit vor. Die Darstellung dieses zeitgeschichtlichen Konglomerats aus hochexplosiven Komponenten ist den Autoren bestens gelungen.

Wie wir es schon vom letzten Thriller „Die Tote im Wannsee“ gewöhnt sind, ist auch dieser voll mit widersprüchlichen Personen und Weltanschauungen.
Wolf Heller bemüht sich Mensch zu bleiben, sich so gut es geht, sich um Paula und die Kinder zu kümmern. Und da gibt es auch noch Halbschwester Petra, die viel Zeit mit Kommunarden verbringt.

Fazit:

Der Thriller lässt sich gut lesen. Die Spannung ist hoch, fällt aber manchmal durch die detaillierte Schilderung des Kommunardenlebens ab. Trotzdem gebe ich hier 5 Sterne, weil mich die Darstellung der Zeitgeschichte beeindruckt hat.