Blieb hinter meinen Erwartungen zurück
Du hättest es wissen könnenDein Mann hat dich belogen und betrogen? Er hat dich gedemütigt, herabgewürdigt, schlecht behandelt? Du stehst unmittelbar vor einer schmutzigen Scheidung oder bist gar mittendrin? Tja, Mädchen, selbst ...
Dein Mann hat dich belogen und betrogen? Er hat dich gedemütigt, herabgewürdigt, schlecht behandelt? Du stehst unmittelbar vor einer schmutzigen Scheidung oder bist gar mittendrin? Tja, Mädchen, selbst schuld. Denn: „Du hättest es wissen können“!
Davon ist zumindest Grace, eine erfolgreiche New Yorker Therapeutin, überzeugt. Und ihre Erkenntnisse möchte sie fortan nicht nur mit ihren Klientinnen, sondern mit einem breiten Publikum teilen: Die Premiere ihres Buches steht unmittelbar bevor, alle Zeichen stehen auf Erfolg. Denn Grace hat ihrerseits – selbstverständlich – in dieser Hinsicht alles richtig gemacht. Ihr Mann Jonathan, ein aufopferungsvoller Kinderonkologe, ist ein Musterexemplar von einem Ehemann, der gemeinsame Sohn die Krönung ihres Lebens. Okay, Jonathan hält so manche Verabredung nicht ein, verschwindet bisweilen unangekündigt zu Medizinerkongressen – aber hey!, was sind Graces Bedürfnisse und Befindlichkeiten schon im Vergleich zur Rettung eines Kinderlebens? Eben!
Dass in ihrer Ehe vielleicht doch nicht alles so ist, wie es scheint, dämmert Grace, als die Mutter eines Mitschülers ihres Sohnes ermordet aufgefunden wird und Jonathan spurlos verschwindet. Sollte sie, die doch ein absoluter Profi auf dem Gebiet ist, sich tatsächlich in ihm geirrt haben? Gibt es da etwas, was sie hätte wissen können? Man ahnt es schon bald: ja, sogar eine ganze Menge.
„You Should Have Known“, wie der Originaltitel lautet, ist nicht nur ein New-York-Times-Bestseller, sondern wurde von der US-amerikanischen Presse gefeiert: „Ein ausgebuffter psychologischer Spannungsroman“ sei das Buch, „absolut faszinierend“ sei es, „mitreißend“ oder „unfassbar gut“. Nun ja …
Ich kann die Begeisterungsstürme leider nicht teilen. Ja, der Roman hat seine guten Momente, er ist zweifelsohne kurzweilig und unterhaltsam. Dass Jonathan nicht der ist, der er zu sein scheint, ist zwar schnell – vielleicht etwas zu schnell – erkannt, doch die sich langsam enthüllenden Hintergründe sind wirklich spannend zu lesen. Was meinem Lesegenuss indes einen Abbruch getan hat, war die Protagonistin Grace, die in ihrer Naivität und Verblendung auf Dauer, pardon, eine echte Nervensäge wurde und mein Mitgefühl letztlich etwas überstrapazierte. Auch die meiner Ansicht nach etwas betuliche Übersetzung ließ mich das eine oder andere Mal die Stirn runzeln. Mein persönliches Fazit: Alles in allem ist der Roman ein Regenwetter-Couch-Wolldecke-Buch, das durchaus unterhält, dem man aber nicht mit einer allzu hohen Erwartungshaltung begegnen sollte.