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Veröffentlicht am 18.06.2021

Leise, zart und berührend…

Nelkenblatt
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Die betagte Elsa, eine ehemalige Lehrerin, kann sich nach der Entlassung aus einer Klinik nicht mehr selbst versorgen.
Sie hatte eine Herzoperation und es ist unklar, wie lange die alte Dame noch zu leben ...

Die betagte Elsa, eine ehemalige Lehrerin, kann sich nach der Entlassung aus einer Klinik nicht mehr selbst versorgen.
Sie hatte eine Herzoperation und es ist unklar, wie lange die alte Dame noch zu leben hat.
Um das Pflegeheim zu umgehen, hat sich ihre Tochter Luzia um eine 24-Stunden- Betreuung gekümmert.
…und jetzt ist die Migrantin Pina da. Pina, die ihr Studium pausieren muss, um Geld zu verdienen.

Die drei Frauen sitzen am Esstisch in Elsas Wohnung und Pina hat gerade die „Aufnahmeprüfung“ bei der eleganten, willensstarken und kritischen, aber freundlichen Elsa bestanden.

Elsa interessiert sich für Pina und die beiden kommen ins Gespräch. Sie lernen sich kennen.
Es entspinnt sich in den folgenden Wochen eine zarte und leise Verbindung, von der der Autor ganz unaufgeregt und ruhig erzählt.

Pina wuchs in dem kleinen, vermutlich kurdischen, Dorf Samhirada, das fast 4000 km entfernt ist, auf.
Aus politischen Gründen musste sie aus ihrer Heimat fliehen.

Elsa war Lehrerin. Sie zog ihre beiden Kinder nahezu alleine auf, weil ihr Mann berufsbedingt so gut wie nie zuhause war.

Es macht Spaß, zu verfolgen, wie die betagte Elsa und die junge Pina sich einander annähern und es ist interessant, in ihre Lebensgeschichten einzutauchen.

Yusuf Yesilöz greift in seiner Geschichte fast nebenbei und unaufdringlich, aber trotzdem unmissverständlich auf, wie bedeutsam es ist, den pflege- und hilfsbedürftigen Senioren die höchstmögliche Selbstbestimmung zuzugestehen, nachsichtig, interessiert und zugewandt zu sein… auch wenn der oder die zu Pflegende bisweilen eigenwillige und gebieterische Seiten zeigt

Dass die Angehörigen der Senioren für die Pflegekraft dabei manchmal eine ganz besondere Herausforderung darstellen, wird genauso deutlich, wie die emotionale Belastung, der die Pflegekraft ausgesetzt ist.

„Nelkenblatt“ ist ein berührendes, zartes und leises Buch über die letzte Phase des Lebens. Gleichzeitig entführt es uns in die sehr unterschiedlichen Biografien zweier Frauen aus verschiedenen Welten.

Der Autor streift viele Themen, ohne sie gänzlich auszubuchstabieren. Er liefert Denkanstöße, statt detailliert in die Tiefe zu gehen.
Mich störte das nicht besonders, obwohl es sicher interessant gewesen wäre und es mir gefallen hätte, mehr über die Gepflogenheiten in Pinas Heimat zu erfahren.

Mir gefiel die z. T. poetische Sprache und immer wieder stolperte ich über schöne und bildhafte Formulierungen, wie z. B. „Genießen Sie Ihre Jugend und Gesundheit, solange die noch da sind. Sie rutschen einem irgendwann aus der Hand wie eine nasse Seife.“ (S. 27)

„Nelkenblatt“ ist ein lesenswerter Roman, der ganz nebenbei Lust auf Reis mit Mandeln, Pinien und Rosinen sowie Joghurtsuppe mit Minze macht




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Veröffentlicht am 18.05.2021

...nach holperigem Einstieg wird’s immer besser...

Otmars Söhne
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„Otmars Söhne“ ist der komplexe und spannende Auftakt zu Peter Buwaldas Trilogie.

Dolf kennt seinen leiblichen Vater nicht, weil dieser sich schon vor seiner Geburt aus dem Staub gemacht hat.
Seine Mutter ...

„Otmars Söhne“ ist der komplexe und spannende Auftakt zu Peter Buwaldas Trilogie.

Dolf kennt seinen leiblichen Vater nicht, weil dieser sich schon vor seiner Geburt aus dem Staub gemacht hat.
Seine Mutter Ulrike, eine sympathische und couragierte Frau, hat seit seinem 10. Lebensjahr einen neuen Lebensgefährten und Ehepartner.
Otmar ist ein Witwer, der seine beiden Sprösslinge Dolf und Tosca, zwei musikalisch begabte Wunderkinder, mit in die Patchworkfamilie bringt.
Deren musikalische Förderung, Erziehung an sich, resultierender Leistungsdruck und klassische Musik spielen im Alltagsleben der fünf eine große Rolle.

Aus der Sicht Dolfs, der später Ludwig genannt wird, weil es sonst zu Verwirrungen aufgrund der Namensgleichheit mit seinem Stiefbruder kommen könnte, wird uns eine gleichermaßen alltägliche wie ungewöhnliche Familiengeschichte erzählt.

Wir lernen den mehr oder weniger unspektakulären Alltag der verschiedenen und z. T. etwas sonderbaren Charaktere kennen und bekommen differenzierte und tiefe Einblicke in ihre Innenwelten. Die Protagonisten werden dabei vielschichtig und mit all ihren Ecken und Kanten dargestellt.
Ich beobachtete und begleitete sie gerne.

Der erwachsene Ludwig arbeitet schließlich für eine Erdölfirma und wird von dieser nach Sibirien geschickt, um auf der Insel Sachalin neue Erdölfelder mittels seismischer Erschütterungen aufzuspüren.

Ganz nebenbei spürt er noch „etwas“ ganz anders auf:
Johan Tromp, den er zwar für seinen leiblichen Vater hält, den er aber nicht darauf anspricht.
Außerdem lernt er auch die Journalistin Isabelle kennen. Sie arbeitet investigativ für die Financial Times und ist bestrebt, Johan Tromp, dessen Gespielin sie einst war, zu überführen.

Der Roman behandelt viele interessante Themen.
Neben den bereits oben genannten Themen Probleme einer Patchworkfamilie, klassische Musik, Erziehung und Erwartungsdruck, spielen die Suche nach seiner Geschichte, seinen Wurzeln und seinem Selbst sowie die Suche nach seinem Platz im Leben und natürlich die Suche nach dem leiblichen Vater eine große Rolle.

Peter Buwalda hat mit „Otmars Söhne“ ein außergewöhnliches und eigenwilliges, z. T. etwas langatmiges, überwiegend tiefgründig-packendes Werk erschaffen, das wohl auch besonders denjenigen Lesern zusagt, die klassische Musik mögen.

Der Leser wird sowohl mit skurrilen, abstrusen und witzigen, als auch mit brutalen, heftigen und verstörenden Szenen und Situationen überrascht.

Es erfordert Konzentration und Aufmerksamkeit, um dem Plot zu folgen, da Zeitebenen und Schauplätze oft abrupt wechseln. Das Buch liest sich nicht locker, flockig und flüssig weg, was mir persönlich aber nicht so viel ausmachte, weil ich recht gern fordernde Lektüre lese, auch wenn der Lesefluss nicht so einfach dahinplätschert.

Der Autor erzählt nicht chronologisch, sondern etwas sprunghaft und man muss schon etwas achtgeben, um am Ball zu bleiben.

Nachdem ich in der äußerst facettenreichen Geschichte angekommen bin, was etwas gedauert hat, flog ich neugierig und gespannt durch die Seiten.
Und jetzt, nach der Lektüre, die sowohl Überraschungen bereithält als auch Längen hat, bin ich zwar etwas gespalten in meiner Meinung, freue ich mich aber trotzdem sehr auf die beiden weiteren Bände, um zu erfahren, wie es weitergeht.

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Veröffentlicht am 24.04.2021

Innere Konflikte und familiäre Spannungen...

Hin und zurück
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Tessa Hadley wendet sich in ihrem Roman dem mittleren Lebensalter, sowie den inneren Konflikten und familiären Spannungen bzw. der vermeintlichen Familienidylle zu.
Erst recht spät im Roman erfahren wir ...

Tessa Hadley wendet sich in ihrem Roman dem mittleren Lebensalter, sowie den inneren Konflikten und familiären Spannungen bzw. der vermeintlichen Familienidylle zu.
Erst recht spät im Roman erfahren wir – und das ist kein Spoiler – dass Cora und Paul sich eines Tages vor drei Jahren im Zug nach London begegnen.
Cora ist auf dem Weg von Wales, wo sie das Haus ihrer verstorbenen Eltern renoviert, nach London, wo sie mit ihrem Ehemann Robert lebt.
Paul ist auf dem Weg von Wales, wo er mit seiner Familie wohnt, nach London, wo er seine Tochter aus erster Ehe besuchen will.
Die Beiden kommen ins Gespräch. Zwei völlig Fremde erzählen sich aus ihrem Leben und kommen sich näher. Zwei Leben überschneiden sich für kurze Zeit.
Im ersten Teil des Romans geht es um Paul. Er ist in seinen Vierzigern und trägt mit Schreiben, Rezensieren, Sprachkursen an der Uni und Übersetzen zum Lebensunterhalt seiner Familie bei.
Paul lebt mit seiner Frau Elise, die Antiquitäten restauriert und mit ihnen handelt und mit seinen Töchtern, der neunjährigen Becky und der sechsjährigen Joni, auf dem Land in Südwales.
Vor wenigen Stunden ist Pauls demente Mutter Evelyn im Heim in Birmingham verstorben und er, dessen Vater bereits vor 20 Jahren verstarb, muss sich nun um die Bestattung kümmern.
Als wäre das nicht genug, erhält Paul kurz darauf einen Anruf von seiner ersten Frau Annelies, die ihm mitteilt, dass ihre gemeinsame Tochter Pia seit einer Woche verschwunden ist.
Pia ist zwar schon fast 20 Jahre alt und hat bereits ein Studium in Greenwich begonnen, aber ihr abrupter und überstürzter Aus- und Umzug ist besorgniserregend, obwohl sie telefonisch bereits zweimal mitgeteilt hat, dass es ihr gut geht.
Paul fährt zu Annelies nach London, erfährt, dass Pia ihr Studium abgebrochen hat und macht sich auf die Suche nach ihr. Vor diesem Hintergrund durchlebt er eine Krise und landet kurzzeitig „in einem anderen Leben“.
Im zweiten Teil lernen wir die Mittdreißigerin Cora kennen. Sie ist eine Englischlehrerin, die ein Faible für Lesen im Allgemeinen und Lyrik im Besonderen hat.
Vor 10 Monaten hat sie London, ihren Job und ihren um 15 Jahre älteren Mann Robert, einen hohen Regierungsbeamten, verlassen.
Sie störte sich zunehmend an seiner Unemotionalität und Wortkargheit. Kommunikationsprobleme und Nebeneinanderherleben charakterisierten ihre Beziehung.
Außerdem hatte sie zu diesem Zeitpunkt wohl gerade eine depressive Phase hinter sich, in die sie wegen ihrer Kinderlosigkeit und dem Tod ihrer Mutter gestürzt war.
Cora ist nach der Trennung von ihrem Mann an ihren Geburtsort und in ihr lehrstehendes und nett renoviertes Elternhaus in Cardiff/Wales zurückgekehrt und arbeitet nun halbtags in der hiesigen Bibliothek.
Obwohl sie überqualifiziert ist, erfüllt und „beflügelt“ (S. 225) sie ihre neue Tätigkeit. Die Arbeit in der Bibliothek ist ihre „Zuflucht, die sie am Boden des Abgrunds gefunden hatte, in den sie gefallen war.“ (S. 225).
Es macht Freude, Cora in der Bibliothek über die Schulter zu schauen und sie in Ihrem Alltag zu begleiten.
Eines Tages erfährt Cora von ihrer Schwägerin Frankie, dass Robert, ihr Noch-Ehemann verschwunden ist. Sie macht sich auf die Suche.
Man bekommt einen guten Einblick in das Innenleben der nicht gerade einfach strukturierten Protagonisten. Ihr Handeln, Denken und Fühlen wird zwar glaubhaft geschildert, aber gleichzeitig war ich oft fassungslos und verfolgte deren Haltung und Handeln mit ungläubigem oder sogar leicht verärgerten Kopfschütteln.
Die 1956 in Bristol geborenen Tessa Hadley erzählt unaufgeregt und gefühlvoll, aber gleitet zu keinem Zeitpunkt ins Kitschige ab. Sie schreibt packend, glaubhaft und kurzweilig über letztlich recht unspektakuläre Lebensgeschichten.
Mir gefiel ihre Sprache und ich konnte mich gut in diese psychologisch fein gezeichneten Geschichte hineinfallen lassen.
Immer wieder stieß ich auf wundervoll bildhafte, anschauliche und poetische Landschaftsbeschreibungen und schöne Formulierungen.
Ein paar Beispiele dazu:
„Der Weg schmiegte sich anfangs an das Flussufer, dann schlängelte er sich quer durch kleine Felder, aus deren Hecken lautes Vogelgezwitscher und Bienensummen drang. An den untersetzten, bitteren Schlehen rankten schneeweiße Blüten, die schmalen Buchenknospen waren zartes hellbraunes Leder, die noch blattlosen Eschen ließen ihre toten Rispen herabhängen. Eine der großen patriarchalen Buchen war in einem starken Sturm vor wenigen Wochen auf den Weg gestürzt, die nackten Wurzeln hochgereckt, während die Knospen am anderen Ende noch flimmerndes Leben vortäuschten. Auf Augenhöhe war das heimliche Loch eines Spechts zu sehen, und ein tiefer Riss im Holz des wuchtigen Baumstamms zeugte von dem Aufprall. Sie mussten hinüberklettern und bewunderten die dicken Falten in der Rinde, dort, wo die Äste nach außen drängten.“ (S. 29)
„ …unwillkürlich sah Paul Zeichen der Alterung auf ihren Gesichtern, die kleinen schlaffen Hautpartien um Mund und Kiefer, die Tränensäcke unter den Augen, den Beginn des Knitterns und Bröselns, das sie in ihre zerfallenden älteren Ichs verwandeln würde.“ (S. 48)
„Er empfand die Kinder als einen Segen, der die berauschende Unausgewogenheit eines verkopften Lebens ausglich.“ (S. 31)
„Unter seinen Liedern meinte sie die schnellen Bewegungen seiner tief in den Höhlen liegenden Augen beim Lesen zu sehen; er war ein Falke, der sich den Inhalt mit einem unerbittliche Schnabel aus dem Buch pickte.“ (S. 258).
Ein bisschen schade fand ich das offene Ende, bzw. die offenen Enden. Ich hätte gern erfahren, wie es mit Pia, Paul und Elise, sowie Cora und Robert weitergeht.
Aber das ist natürlich Geschmacksache. Hier kann man spekulieren und phantasieren 🙂
Trotz meiner beiden äußerst subjektiven Kritikpunkte, die nicht wirklich schwer ins Gewicht fallen, hat mich der Roman „Hin und Zurück“ sehr gut unterhalten. Ich empfehle ihn gerne weiter.
Tessa Hadleys Roman „Zwei und zwei“, der bereits im März 2020 erschienen ist, liegt schon bereit

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Veröffentlicht am 10.04.2021

3 interessante Frauen und 3 ergreifende Schicksale ...

Der silberne Elefant
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Wir lernen in diesem beeindruckenden und wunderschön bunt gestalteten, 224-seitigen Debütroman von Jemma Wayne drei starke und völlig unterschiedliche Frauen kennen, deren Lebenswege und Lebensgeschichten ...

Wir lernen in diesem beeindruckenden und wunderschön bunt gestalteten, 224-seitigen Debütroman von Jemma Wayne drei starke und völlig unterschiedliche Frauen kennen, deren Lebenswege und Lebensgeschichten sich überlappen und miteinander verflechten.

Die Autorin Jemma Wayne verbindet die Schicksale dieser drei interessanten Frauen auf sehr bewegende und kurzweilige Art und Weise.

Drei Biografien und Erzählstränge werden von ihr scheinbar mühelos miteinander verwoben und das Ergebnis ist eine packende und bewegende Geschichte, die in England spielt.

Eine der drei Protagonistinnen ist die 56-jährige wohlhabende, etwas starrköpfige und perfektionistische Witwe Lynn, die bereits zwei erwachsene Söhne hat, an einer schweren und unheilbaren Erkrankung leidet und allein in einem großen Haus lebt.
Obwohl ihre Kinder regelmäßig zur tea-time vorbeikommen, fühlt Lynn, die einst große Pläne hatte und von einer Kartiere träumte, sich bisweilen einsam.
Vor dem Hintergrund ihres letzten Lebensabschnitts macht sie sich viele Gedanken über ihr Dasein.
Sie hadert mit ihrer Vergangenheit, fragt sich manchmal, ob sie den richtigen Weg gegangen ist und ob es richtig war, für ihre Familie ihre Träume zu begraben und ihre Wünsche aufzugeben.

Vera, eine bildhübsche Karrierefrau mit bewegter und düsterer Vergangenheit, ist die zweite im Bunde.
Sie ist mit Luke, einem von Lynns Söhnen verlobt und möchte das belastende Kapitel Vergangenheit ein für allemal abschließen.
Luke ist, wie seine Mutter, sehr gläubig. Über ihn findet auch Vera immer mehr den Weg zum Glauben an Gott, der ihr Halt gibt.

Die dritte Hauptfigur ist Emilienne. Sie kommt ursprünglich aus Ruanda, erlebte dort hautnah die Völkerschlachten, den Völkermord und die verheerenden Gewalttaten des Krieges und verlor dabei ihre gesamte Familie.
All das prägte und traumatisierte sie und hinterließ Schmerzen, tiefe Wunden und Narben.
Nach all diesen erschütternden Erlebnissen kommt sie als Flüchtling zu ihrer Tante in London, die schon viel früher aus dem Krisengebiet geflüchtet war.
Dort lebt sie drei Jahre lang, wobei das Verhältnis zwischen Tante und Nichte mehr schlecht als recht ist.
Schließlich zieht sie in eine kleine und bescheidene Einzimmerwohnung und bestreitet ihren Unterhalt mit diversen Putzstellen.
Emilienne lebt ein recht tristes, einfaches und einsames Leben, in dem die grauenvolle Vergangenheit sie immer wieder in Form von Erinnerungen und Alpträumen heimsucht.
Eines Tages bei der Arbeit in einem Bürogebäude entdeckt sie ein post-it an einem Computer.
Darauf liest sie, dass Pflegekräfte gesucht werden, die sich um pflegebedürftige Menschen in ihrer häuslichen Umgebung kümmern.
Die Vorstellung, ihrem Leben eine Wendung und ein neues Ziel zu geben, reizt sie und sie absolviert eine Pflegeausbildung.
Und wen überrascht es?
In ihrer Funktion als Pflegerin trifft sie auf Lynn.

Der Roman beinhaltet oder streift viele Themen, wirkt dabei aber nicht überladen.
Es geht z. B. um Weiblichkeit, die Rolle der Frau und Selbstverwirklichung, um Zusammenhalt, Freundschaft, Vertrauen und Selbstvertrauen.

Die Autorin vermittelt die Bedeutung des sich Öffnens, Mitteilens und Einlassens sowie die Auseinandersetzung mit der Innenwelt und seinen inneren Konflikten als Voraussetzung für inneres Gleichgewicht und Zufriedenheit.
Geheimnisse werden gelüftet und es geht um Wunden, Narben und Traumata.
Auch der Glaube zu Gott wird unaufdringlich thematisiert.
Die Gräueltaten in Ruanda werden erschütternd, anschaulich und schonungslos geschildert.

Die Protagonistinnen kamen mir sehr nahe und ich konnte mich gut in sie hineinversetzen, da die Autorin deren Innenleben sowie die Dialoge, die sie miteinander führten wunderbar und einfühlsam schildert.

Jemma Wayne erzählt sprachgewandt und unverblümt, feinfühlig und zart, eindringlich und eindrücklich eine außergewöhnliche und kurzweilige Geschichte, die berührt und nachhallt.
Daran dass die Autorin detailliert recherchiert hat, besteht für mich kein Zweifel.

Ich mochte die Sprache, die Charaktere und die Themen.

„Der silberne Elefant“ ist ein Hingucker, der berührt, inhaltlich überzeugt und mit einem unvorhergesehenen Ende überrascht.

Große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 05.04.2021

Informativ, interessant, spannend und literarisch ansprechend. Ein sehr gelungener Kriminalroman!

Frostmond
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Was für ein Kriminalroman!
Informativer Inhalt, interessante Thematik, fesselnder und spannender Plot, äußerst gefälliger Schreib- Sprach- und Erzählstil ... literarisch durchaus ansprechend, wenn auch ...

Was für ein Kriminalroman!
Informativer Inhalt, interessante Thematik, fesselnder und spannender Plot, äußerst gefälliger Schreib- Sprach- und Erzählstil ... literarisch durchaus ansprechend, wenn auch kein literarisches Highlight.

Aber jetzt erst einmal der Reihe nach!

Mit Beginn der Lektüre landen wir in Kanada.
Die 15-jährige Jeanette Maskisin wird in Montreal tot aufgefunden. Die junge Frau wurde, bevor sie leblos am Ufer des Flusses angeschwemmt wurde, gefoltert, misshandelt und schließlich durch einen Kopfschuss getötet.

Die Medien berichten ausführlich und detailliert darüber.
Der Ermittler Sergeant Jean-Baptist LeRoux und der Profiler Ted Garner werden beauftragt, den Fall zu lösen.
Sie haben kein unkompliziertes und harmonisches Verhältnis, aber ihre Vorurteile der indigenen Bevölkerung gegenüber verbindet sie. Aus diesem Grund strotzen sie nicht vor Enthusiasmus und legen keinen besonderen Eifer an den Tag, als sie sich an ihre Arbeit und die Aufklärung des Falles machen.

Da Jeanette aus einem Cree-Reservat im hohen Norden Quebecs stammt, geht die Reise des unsympathischen und ziemlich klischee- und schablonenhaft gezeichneten Ermittlerduos zunächst dorthin.

Sie werden aber alles andere als herzlich willkommen geheißen, weil die First-Nation-Familien nachvollziehbarerweise gekränkt und misstrauisch sind.

Seit Jahren verschwinden junge Frauen ­indigener Herkunft spurlos entlang des Transcanada-Highways.
Seit Jahren hat sich die Polizei nicht besonders dafür interessiert.
Seit Jahren hat sich die Polizei nicht sonderlich darum gekümmert.
Seit Jahren werden die Natives benachteiligt, unterdrückt und diskriminiert.

Eine Mitarbeit der Cree-Indianer wäre aber nicht nur wünschenswert sondern dringend notwendig, denn es werden weitere Opfer befürchtet.

Nicht nur LeRoux und Garner sind hinter dem Täter her. Auch Leon, der Cousin der ermordeten 15-Jährigen, macht sich an die Arbeit, um den Mörder von Jeanette zu überführen.

Die 1990 geborene Frauke Buchholz hat mit „Frostmond“ einen ganz besonderen, tief- und abgründigen Kriminalroman über eine Thematik geschrieben, die nicht erfunden ist: der Rassismus und die Gleichgültigkeit gegenüber der indigenen Bevölkerung und die Mordserie an indigenen Frauen entlang des sogenannten "Highway of Tears“ sind keine Erfindung.
Die Diskriminierung im Alltag existiert, es gibt die Morde tatsächlich und die Behörden geben ihrer Aufklärung in der Tat keine große Priorität.

Frauke Buchholz zeigt eine Schattenseite Kanadas auf, führt uns zwei Parallelgesellschaften, nämlich die weiße und die indigene Bevölkerung, vor Augen und schreibt schonungslos, unverblümt und glaubhaft über ein Milieu, das vielen Lesern fremd und neu sein mag.

Man kann aus dem Text förmlich ihre Kompetenz und ihr Wissen herauslesen.
Es verwundert nicht, dass sie über zeitgenössische indigene Literatur promoviert und einige Zeit in einem Cree-Reservat in Kanada verbracht hat.

Ich empfehle diesen spannenden und schlüssigen Pageturner, der ein überraschendes und actionreiches Ende mit fulminantem Finale hat, sehr gerne weiter!

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