Brutaler Thriller, teilweise langatmig
Der KastanienmannUm den Thriller „Der Kastanienmann“ bin ich lange herumgeschlichen. Was mich zögern ließ, war der etwas einschüchternde Umfang von 600 Seiten. Da die Geschichte nun verfilmt wird, habe ich dem Buch endlich ...
Um den Thriller „Der Kastanienmann“ bin ich lange herumgeschlichen. Was mich zögern ließ, war der etwas einschüchternde Umfang von 600 Seiten. Da die Geschichte nun verfilmt wird, habe ich dem Buch endlich eine Chance gegeben und es hat mir im Großen und Ganzen gut gefallen.
Soren Sveistrup liefert solide Spannung, die mich zwar nicht von den Socken gehauen hat aber stark genug war, um mich auch bei teilweise langatmigen Stellen bei der Stange zu halten. Die Kapitel sind sehr kurz, tatsächlich gibt es 130 Stück, was dazu animiert, dass man immer noch schnell ein paar Seiten liest, obwohl man eigentlich bereits keine Zeit mehr hat.
Der Kriminalfall ist nichts für zartbesaitete Leser. In Kopenhagen werden nacheinander mehrere Frauenleichen gefunden, denen Hände bzw. Füße bei lebendigem Leib abgetrennt wurden. Als Vorlage für diese Verstümmelungen dienen Kastanienmännchen. Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass die Kinder der Frauen Verwahrlosungen bzw. Missbrauch ausgesetzt waren.
In seiner Brutalität ist der Fall definitiv nicht ohne und die Detailliertheit stößt an manchen Stellen ab. Alles passiert innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne, trotzdem kam es mir teilweise so vor, als wenn die Ermittlungen ewig dauern. Das leitende Team besteht aus Nalia Thulin, die den Wechsel in eine andere Abteilung anstrebt und Marc Hess, der genauso wenig an diesem Ort sein möchte, sondern seine Rückkehr zu Europol kaum erwarten kann. Dennoch entwickelt er nach kurzer Zeit eine Besessenheit mit dem Kastanienmann und einem vermeintlich abgeschlossenen Fall um eine verschwundene Politikertochter. Hätte Hess sich nicht so verbissen, wäre dieser Fall vermutlich nie aufgeklärt worden, denn alle anderen Ermittler sind eher halbherzig bei der Sache und nur an einem schnellen Abschluss interessiert.
Der Täter selbst bleibt lange im Dunkeln, es gibt auch keine Kapitel, die aus seiner Sicht geschrieben sind. Ich konnte mir tatsächlich lange nicht vorstellen, wer der Mörder ist und hatte erst im letzten Drittel eine Vermutung, die sich allerdings als falsch herausgestellt. Mir hat sehr gefallen, dass es dem Autor gelungen ist, mich so lange rätseln zu lassen.
Auf den letzten 150 Seiten gewinnt die Handlung ordentlich an Fahrt und wird so spannend, wie ich es mir für das komplette Buch gewünscht hätte.
Es ist nun zwei Jahre her, dass „Der Kastanienmann“ erschienen ist. Ich weiß nicht, ob eine Fortsetzung geplant ist, fände es allerdings schön, wenn Thulin und Hess eine weiteres Mal aufeinander treffen würden.