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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.05.2021

Raffiniert und spannend

Lockvogel
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Felix, der Freund von Schauspielschülerin Antonia „Toni“ Lorenz verschwindet und mit ihm ihre gesamten Ersparnisse sowie der Familienschmuck auf Nimmerwiedersehen.
Nahezu gleichzeitig findet der Kellner ...

Felix, der Freund von Schauspielschülerin Antonia „Toni“ Lorenz verschwindet und mit ihm ihre gesamten Ersparnisse sowie der Familienschmuck auf Nimmerwiedersehen.
Nahezu gleichzeitig findet der Kellner eines Catering-Unternehmens auf der Party von Regisseur Alexander Steiner einen nassen Tod im Pool.

Sowohl Toni als auch Sybille Steiner suchen Rat bei Edgar Brehm, einem Privatdetektiv. Während Frau Steiner mit einem Bündel Euro-Noten wedelt, kann Toni das geforderte Honorar nicht zahlen und verdingt sich in der Detektei als Lockvogel, da Sybille Steiner ihren Mann der Untreue verdächtigt. Nützt der Regisseur die Sehnsucht junger Frauen, ein Hollywood-Star zu werden gnadenlos aus? Und wie passt der Tote im Swimmingpool hier ins Bild?

Meine Meinung:

Theresa Prammers Geschichten sind keine einfachen mit ebensolchen Lösungen. Mit viel Liebe zum Detail skizziert sie Lebensläufe voller Brüche, in denen mitunter auch Abgründe verborgen sind.
Als Schauspielerin, Autorin und Regisseurin weiß sie, wie die Theaterbranche so tickt. Sie schreibt von Schauspiellehrerinnen, die unerbittlich sind, von Filmemachern, die ihre bürgerliche Fassade mit Krampf aufrecht erhalten und aufstrebenden Talenten, die dem allen mehr oder weniger gewachsen sind.

Ihre Figuren sind selten eindimensional. Sie haben alle ihre Ecken und Kanten, sind manchmal naiv und dann wieder äußerst gewitzt.

Edgar Brehm, der Ex-Polizist und nunmehrige Privatermittler hat seine beste Zeit schon hinter sich. Er ist von Schuldgefühlen geplagt, lebt ungesund und fühlt sich in väterlicher Weise zu Toni hingezogen. Obwohl in seiner ehemaligen Dienststelle Persona non grata, hat er nach wie vor Kontakt zu Polizistin Fernanda, die ihn manchmal (unerlaubt) mit notwendigen Informationen versorgt.

Ein wichtiger Charakter, der nur selten persönlich in Erscheinung tritt, ist Tonis Großmutter, die in einer Seniorenresidenz in Baden bei Wien lebt, sich vor Verehren nicht retten kann.

Der Schreibstil ist spannend, wenn auch nicht reißerisch und teilweise im Wiener Dialekt gehalten. Durch zahlreiche falsche Fährten ist es den Lesern möglich, sich selbst Gedanken zu machen. Wer hat den Kellner auf Steiner Party ermordet? Und warum? Oder ist er Opfer einer Verwechslung gewesen?

Fazit:

Ein raffiniert geschriebener Krimi, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 02.05.2021

Eine gelungene Fortsetzung

Zara und Zoë - Die Tochter des Paten
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Auch im dritten Teil der Reihe rund um die höchst unterschiedlichen Zwillingsschwestern Zara und Zoë geht es rasant zu.

Zara, quasi die „Gute“, Polizistin bei Europol, und Zoë, die in die kriminellen ...

Auch im dritten Teil der Reihe rund um die höchst unterschiedlichen Zwillingsschwestern Zara und Zoë geht es rasant zu.

Zara, quasi die „Gute“, Polizistin bei Europol, und Zoë, die in die kriminellen Fußstapfen des gemeinsamen Vaters Fred getreten ist, reden seit dem Tod von Fred kein Wort mehr miteinander. Denn Zara ist am Tod des Vaters schuld, zumindest in Zoës Augen.

Doch nun muss Zoë über ihren eigenen Schatten springen und Zara um Hilfe bitte: Chiara, die Tochter des mächtigen südfranzösischen Mafiabosses Benito Balotelli ist entführt worden. Eine Befreiung kann nur mit Zaras Hilfe erfolgen.

Meine Meinung:

Wie schon die beiden Vorgänger ist auch dieser Fall reich an Action. Autor Alexander Oetker versteht es vortrefflich, seine Leser quer durch Frankreich zu hetzen. Sei es mit Zoë auf dem Motorrad oder mit Zara im Helikopter.
Neben zahlreichen Schusswechseln dürfe die Leser die mediterrane Landschaft der Provence erleben. Hin und wieder gibt es auch eine (sehr) kurze Verschnaufpause im „Chez Fred“, jenem Lokal, dass die Mutter von Zara und Zoë führt.

Nach einem blutigen Showdown kommen sich die Schwestern wieder näher. Die Frage ist nur, wie lange?

Fazit:

Eine gelungene Fortsetzung, die durch die kurzen Kapitel keine Langeweile aufkommen lässt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 02.05.2021

Er wird mir fehlen, der Hugo Portisch

So sah ich Mein Leben. Life is a story - story.one
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Als der österreichische Journalist Hugo Portisch am 1. April im 94. Lebensjahr verstorben ist, habe ich, so wie viele andere Menschen große Trauer empfunden.
Mit diesem kleinen Buch, das er Hannes Steiner ...

Als der österreichische Journalist Hugo Portisch am 1. April im 94. Lebensjahr verstorben ist, habe ich, so wie viele andere Menschen große Trauer empfunden.
Mit diesem kleinen Buch, das er Hannes Steiner diktiert hat und von Martin Haidinger in den jeweils passenden historischen Kontext gesetzt wurde, lässt er sein Leben nochmals Revue passieren.
Für Hugo Portisch, der 1927 in Brünn (heute Bratislava) geboren wurde, war die Freiheit immer das höchste Gut.
Seine Reportagen aus aller Welt sei es aus Paris, Washington, London oder Peking - wir haben sie mit Gänsehautfeeling gehört - Immer am Puls des Weltgeschehens. Unvergessen ist auch seine Reportage aus Prag zu Beginn des Prager Frühlings 1968.
Sein oberster Prinzip im Journalismus war: Check - Recheck - Doublecheck.
Etwas, was ich im heutigen Journalismus vermisse. Heute werden Nachrichten oft Sensationsgier wegen ungeprüft unter die Leute gebracht.
Er wird mir fehlen, der Hugo Portisch!

Veröffentlicht am 02.05.2021

Wenn aus Kränkung Rache wird

Rache
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Österreichs wohl bekanntester Gerichtspsychiater hat sich eines Themas angenommen, das noch nicht so gut erforscht ist - der Rache.

Prof. Reinhard Haller schöpft aus seinem reichen Erfahrungsschatz. In ...

Österreichs wohl bekanntester Gerichtspsychiater hat sich eines Themas angenommen, das noch nicht so gut erforscht ist - der Rache.

Prof. Reinhard Haller schöpft aus seinem reichen Erfahrungsschatz. In 13 Kapitel geht er dem Mythos Rache nach. Ist Rache wirklich süß? Oder dient sie nur der Befriedigung diverser Eitelkeiten?

Wer kennt das Gefühl nicht, einem Autofahrer, der einen den Parkplatz weggeschnappt hat, heimlich die Reifen aufzuschlitzen oder zumindest die Luft herauszulassen? Oder dem Kollegen eins auszuwischen? Eben! Doch ob und wie es zur Eskalation und Ausführung der Rachegedanken kommt, können wir hier nachlesen.

Und was passiert, wenn die Rache ausgelebt wurde? Fühlt sich der Rächer besser? Wahrscheinlich nur kurz, denn nachhaltig ist das Gefühl nicht.

Wann ist der richtige Zeitpunkt, seine Rachefantasien fallen zu lassen und eine Versöhnung oder ein Verzeihen einzuleiten?

Anhand von Beispielen aus der Literatur sowie der Kriminalgeschichte bringt uns Reinhard Haller das Wesen der Rache und ihre Mechanismen näher.

Oft setzt Rache eine Spirale der Gewalt in Gang, in denen der Täter selbst zum Opfer wird.

Meine Meinung:

Wenn ich heute in den Nachrichten lese, dass in den 4 Monaten des heurigen Jahres in Österreich bereits 9 Frauen aus Rache, weil sie ihren Partner verlassen haben, ermordet wurden, muss man dem Thema Rache mehr wissenschaftliche Aufmerksamkeit widmen.

Reinhard Haller zeigt auch Lösungsvorschläge auf, um aus der Falle der Rache herauszukommen. Das setzt aber reflektierte Menschen voraus, was die meisten, die Rache nehmen, ja nicht sind.

Das Buch ist trotz des ernsten Themas gut zu lesen, da es gut strukturiert ist..

Fazit:

Ein Einblick in die Abgründe der Menschen, gekonnt aufbereitet von Prof. Reinhard Haller. Gerne gebe ich dem Buch 5 Sterne.

Veröffentlicht am 26.04.2021

Eine Leseempfehlung

Viktor
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„Meine Großmutter kam zur Welt, an dem Tag an dem Gustav Mahler starb. Kaum sieben Jahre nach dem Tod Dvoraks und im Frühling als Stravinsky’s Pertoeskja Premiere feierte.“

Mit diesen Worten beginnt die ...

„Meine Großmutter kam zur Welt, an dem Tag an dem Gustav Mahler starb. Kaum sieben Jahre nach dem Tod Dvoraks und im Frühling als Stravinsky’s Pertoeskja Premiere feierte.“

Mit diesen Worten beginnt die Geschichte der jüdischen Familie Rosenbaum in Wien, die von Geertje van den Berg in der Ich-Form erzählt wird. Man schreibt das Jahr 1994 und Geertje schickt sich an, im niederländischen Nijmegen ihren Schulabschluss zu machen, um später Jura zu studieren.

Geertje ist es leid, dass sich die Familie ihres Judentums schämt und es nicht lebt. Die Familienmitglieder ergehen sich in Andeutungen aus der Vergangenheit. So haben die Großeltern und Mutter eine interessante Sprachregelung bis zur Perfektion getrieben: Man vermeidet zahlreiche Worte wie Gas, Ermordung oder Transport, die an die Shoa erinnern. Für diejenigen, die in den diversen Konzentrationslagern umgebracht wurden, gibt es nur den euphemistischen Satz „Der (oder die) lebt nicht mehr.“ Dennoch sind die Personen Teil des Familienlebens und sei es, wie Viktor, der ein abschreckendes Beispiel zu geben hat. Denn Viktor Rosenbaum, der Bruder von Geertjes Großvater, gilt als schwarzes Schaf der Familie, für das man sich auch heute noch schämen muss.

Als sie sich entschließt, aktiv in das jüdische Leben einzusteigen und ihren Namen von Geertje in Judith amtlich ändern zu lassen, muss sie dazu einen Nachweis erbringen. Damit beginnt eine Reise in die Vergangenheit der Familie Rosenbaum.

„Was den Rest angeht, so musste ich gegen den Widerstand meiner Großeltern an arbeiten, überhaupt über Viktor zu sprechen. Gegen ihr offensichtliches Unbehagen und Besorgnis vor möglichen Familiengeheimnissen meines unbekannten Großonkels, der mir eigenartigerweise viel vertrauter war als all die anderen toten Familienmitglieder, über die ständig gesprochen wurde – vielleicht nur, weil er grüne Augen hatte, wie ich.“


Meine Meinung:

Das Buch basiert auf der Geschichte der Wiener Familie Fanto, die sich als Österreicher sehen und nicht als Juden. Erzählt wird sie aus der Sicht der Enkelin Geertje, die sich der verdrängten Vergangenheit stellt. Denn die vagen Andeutungen gehen ihr zunehmend auf die Nerven. Auch, dass die ganze Familie die ungenießbaren Kalbsmedaillons, die die Großmutter kocht, lobt. Das wird sich in einem Ausbruch auf S. 364 entladen.

„Von jetzt an nenne ich alles beim richtigen Namen. Und das sieht so aus: Ich heiße Judith. David, Sascha, Hedy, Martha, Laura, Otto und all die anderen sind ermordet worden. Viktor hat uns gerettet. Und was dich angeht ...,“ ich stach mit dem Zeigefinger nach meiner Großmutter, „deine Kalbsmedaillons sin un-ge-nieß-bar.!“

Die Mauer des Schweigens wird durchbrochen und es scheint, als würden sich die Großeltern dafür schämen, überlebt zu haben.

Die zahlreichen Rückblenden n das Österreich ab 1914 geben die politische Lage authentisch wieder. Auch der Glaube, dass verdienten Teilnehmern am Ersten Weltkrieg unter den Juden nichts passieren würde und die späte Einsicht, dass die Nazis keine halben Sachen machen, kommt zur Sprache.
Ein wenig vermisse ich Jahreszahlen. Für mich ist es kein Problem den Ständestaat, den Bürgerkrieg oder die Ermordung von Engelbert Dollfuss einzuordnen, da ich als Österreicherin in der Geschichte des Staates gut bewandert bin. Anderen Lesern fehlen möglicherweise diese Kenntnisse.

Auf ihrer Reise nach den Spuren ihrer ermordeten Familienmitglieder, fährt sie nach Auschwitz und begegnet einem alten Mann:

„Im Bus unterwegs nach Auschwitz sitze ich am Fensterplatz, als ein älterer Mann neben mir Platz nimmt. So unauffällig wie möglich versuche ich ihn von der Seite zu beobachten. Sein Gesicht ist glatt rasiert, bis auf einige Stellen in den tiefen Furchen. Weiße Haare liegen wie Fäden auf der mit Leberflecken bedeckten Kopfhaut und auf den dunklen Äuglein liegt schon ein grauer Hauch. ’Das ist mein zweites Mal’, sagt er auf einmal, während er weiterhin geradeaus vor sich hinschaut. ’Das erste Mal war vor 52 Jahre, aber nicht in einem Bus, sondern in einem Güterwaggon. Ich war zwanzig’.“

Das Buch beschreibt als die Problematik der „zweiten und dritten Generation“. Es erzählt die Einwirkung von tradierten Familienwerten auf die Entwicklung der eigenen Identität. Auf liebevolle Art und mit einem Hauch „Wiener Schmäh“ schreibt die Autorin über die Wirkung des Namens auf jemandes Schicksal. Denn Geertje hat diesen Namen immer als für sich selbst unpassend gefunden, mit Judith kommt sie besser zurecht. Die Frage, die sich Judith mehrfach stellt: Wem gehört die Shoa? Sind nicht die Nachkommen ebenso betroffen?


Interessant habe ich gefunden, dass auch in den Schulen der Niederlande 1995 wenig über die Judenverfolgung gelehrt wird. Geertje muss heimlich in der Bücherei darüber lesen.

Fazit:

Ein gelungener Roman über die Geschichte einer jüdischen Familie. Die verschiedenen Zeitebenen erzeugen Spannung und führen den Leser durch die unterschiedlichen Lebenssituationen. Gut lesbar und trotz aller Tragik auch immer humorvoll. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.