Spannender und gruseliger Roman
Southern Gothic - Das Grauen wohnt nebenanSouthern Gothic von Grady Hendrix ist ein Roman, der bereits im englischsprachigen Raum unter dem Titel „The Southern Book Club’s Guide to Slaying Vampires“ für viel Begeisterung gesorgt. Seien wir mal ...
Southern Gothic von Grady Hendrix ist ein Roman, der bereits im englischsprachigen Raum unter dem Titel „The Southern Book Club’s Guide to Slaying Vampires“ für viel Begeisterung gesorgt. Seien wir mal ehrlich: Der englische Titel verrät schon vieles, also ist dieses Buch zumindest in Bezug auf die Handlung nicht sehr spannend. Der deutsche Titel hingegen scheint diesen Spoiler wohl vermeiden zu wollen, dafür wurde hier aber ein wirklich sehr unpassender Titel gewählt der mich enorm an das Buch „Mexican Gothic“ von Silvia Moreno-Garcia erinnert und deshalb auch im ersten Moment sehr verwirrend war. Wer sich aber nicht in der englischen Buchcommunity herumtreibt, sollte aber damit keine Probleme haben. Cover und Titel gefallen wir aber in der englischen Version trotz allem besser, aber wir wissen es ja alle: Auf den Inhalt kommt es an.
Und dabei ist Southern Gothic ein echter Volltreffer. Grady Hendrix hat einen bemerkenswerten Schreibstil, der sehr detailliert und deshalb besonders spannend und gruselig ist. Manche Szenen hätte ich gerne mit etwas weniger Detailreichtum gelesen. Außerdem halte ich durchaus eine Triggerwarnung in diesem Buch für angemessen, da viele Szenen nicht nur sehr explizit, sondern auch problematisch und eben auch triggernd sind. Hendrix orientiert sich bei seinem Vampirbild an dem klassischen Bild, welches wir von Dracula & Co kennen, sodass besonders Minderjährige hier Gewalt erfahren. Abgesehen von diesen Momenten und dem großen Finale am Ende ist die Geschichte aber nicht sehr gewaltvoll. In einem Buch von Sebastian Fitzek haben wir alle schon deutliche schlimmeres gelesen. Besonders das erste Drittel des Buches ist für mich ein Highlight gewesen, denn die Vorstellung der Charaktere ist dem Autor meisterhaft gelungen. Die gesamte Story verliert im Mittelteil zwar an Spannung, aber nimmt dann wieder Fahrt auf und schließlich kommt es zu einem hammerharten Finale, das ich so nicht erwartet hätte.
**Achtung: Ab hier SPOILER*
Neben dem ganz offensichtlichem Horror in dieser Vampirgeschichte gab es aber noch einen ganz anderen Horror, der eigentlich noch viel erschreckender ist. Hendrix thematisiert im gesamten Verlauf der Geschichte sehr gut verschiedene enorme Gesellschaftliche Probleme in dieser Zeit. Wir lesen in vielen Szenen ganz offenen Rassismus, Diskriminierung und Sexismus. Letzterer ist besonders intensiv ausgeprägt, weil die Frauen des Buchclubs und ganz besonders Patricia von ihren Ehemännern in ihren Sorgen und Ängsten absolut nicht gesehen werden. Trotz ihrer Beobachtungen werden sie nicht ernst genommen und müssen sich sogar in psychiatrische Behandlung begeben. Als Leserin macht einen das unglaublich wütend, es ist aber ein ganz wunderbares Mittel, uns den Spiegel vorzuhalten. Dass die Frauen ihren Männern gegenüber die ganze Zeit so unterwürfig sind, sich dem Gesellschaftsbild verzweifelt anpassen und sogar das verleugnen, was sie selbst gesehen haben ist so extrem, dass es mich beim Lesen wahnsinnig gemacht hat. Aber in Anbetracht dieser Tatsache war das Ende für mich das Highlight des Buches: Eine Gruppe unterdrückter Frauen erhebt sich und erledigt den Job, den in ihrer Welt eigentlich die Männer übernehmen sollten. Sie sind stark und unabhängig und tun, was getan werden muss, um ihre Familien zu schützen – egal was es kostet. Patricia geht als einzige sogar noch einen Schritt weiter und zeigt so: Es gibt einen Ausweg aus toxischen Beziehungen und man muss sich nicht alles gefallen lassen!
Abgesehen von dem recht zähen Mittelteil war dieses Buch ein echter Volltreffer für mich.
4/5 Sterne