Intensiv mit kleinen Schönheitsfehlern
Während ich von Morgane Moncombles erster Dilogie insgesamt doch recht angetan war, habe ich insgesamt in Deutschland ein sehr geteiltes Echo zu der französischen Autorin vernommen. Kein Autor kann alle ...
Während ich von Morgane Moncombles erster Dilogie insgesamt doch recht angetan war, habe ich insgesamt in Deutschland ein sehr geteiltes Echo zu der französischen Autorin vernommen. Kein Autor kann alle Leser von sich überzeugen, dafür sind Geschmäcker einfach zu unterschiedlich, aber ich habe fast das Gefühl, dass es speziell bei dieser Autorin nur zwei Lager gab, entweder man mag ihren Stil oder eben nicht, dazwischen schien es nicht wirklich etwas zu geben. Aber ich lese oft sehr gehypte Bücher, wo gewisse Schwächen eigentlich für jeden offen auf dem Tisch liegen sollten, wie man das bewertet, ist dann einem jeden selbst überlassen, aber ich fand es bei Moncomble stets sehr evident, dass sie unheimlich gute Ansätze hat, die einfach nur etwas Schliff brauchen, aber wenn man auf ihr Alter blickt, sollte das wohl auch nachvollziehbar sein.
Dass Moncomble definitiv riesiges Potenzial hat, beweist sie meiner Meinung nach mit ihrem neusten Werk „Bad at Love“, wo ich alleine schon durch ihr Vorwort sofort abgeholt worden bin, weil sie den Lesern schon dort vermitteln konnte, was Schreiben für sie bedeutet und dass sie ihre Aufgabe darin sieht, auch ernste und kaum zu ertragene Themen zu behandeln. Man hat ihrem Vorwort aber sofort angemerkt, dass sie damit nicht hervorstechen will, sondern dass es ihr ein persönliches Anliegen ist und das hat sie mir sehr sympathisch gemacht.
Das Buch hat wirklich zig ernste Themen, die aber auch auch in ihrer Ballung sehr geschickt miteinander verwoben sind, so dass man sich nicht erschlagen fühlt. Man hat nicht das Gefühl, dass Moncomble nur ja möglichst viele brisante Themen unterbringen wollte, sondern es wird klar, dass sie sich sehr intensiv damit beschäftigt hat, wie eins zum anderen führt, eine Abwärtsspirale, aus der sich niemand selbstständig befreien kann. Das hat sie mit zwei extrem sympathischen Hauptfiguren unterfüttert bekommen. Auf der einen Seite Azalée, die als unheimlich frech und provozierend daherkommt, aber schon schnell blickt man hinter die Fassade, dass es nur ihr Schutzpanzer ist, den sie sich selbst aufgebaut hat, weil sie in ihren jungen Jahren schon unheimlich viel erleiden musste. Umso toller fand ich es, dass sie es trotz ihrer zahlreichen inneren Dämonen geschafft hat, sich genaue Gedanken darüber zu machen, wer sie sein will. Ihr Podcast dazu, von dem es immer wieder Schnipsel zu Kapitelanfängen gab, war wirklich ganz toll mit den Botschaften, zumal es genau das Bild von Feminismus ist, das ich auch selbst teile. Es ist eben keins, in dem Frauen den Männern vorangestellt sein sollen, es ist auch ganz definitiv keins, in dem sich Frauen gegen andere Frauen richten und das ist hier wunderbar deutlich geworden. Deswegen verneige ich mich auch dafür, dass Moncomble konsequent darauf gesetzt hat, dass Azalée keinen Orgasmus haben kann. Am Ende gibt es dafür keine Wunderheilung, es ist ein Teil von ihr, den sie gerne anders hätte, aber herbeizaubern kann man es eben auch nicht.
An Azalées Seite mit ihrer traurigen Geschichte musste nun jemand, der perfekt auf sie passt und da ist mit Eden wirklich das ideale Gegenstück gefunden worden. Er hat selbst eine schreckliche Kindheitsgeschichte, auch bei ihm hat das Schicksal unerbittlich zugeschlagen, weil niemand das Dunkle überlebt, ohne nicht selbst Spuren davonzutragen. Und weil er versteht, versteht er eben auch Azalée. Ich fand es großartig, wie er bei ihr hartnäckig geblieben ist, wie er sie aber auch herausgefordert hat, als sie sich nicht völlig auf ihn einlassen konnte. Es war wirklich eine tolle Liebesgeschichte zwischen den beiden, die mich tief berührt hat, weil sie trotz all des Schmerzes so echt wirkte.
Dass Moncomble noch nicht ganz oben am Spektrum ihrer Fähigkeiten angekommen ist, zeigt sich dann wieder in Kleinigkeiten. Wo der wichtige innere Kern wirklich ausgezeichnet gelungen ist, so sind es außen herum Kleinigkeiten, die nicht ganz passen, wo es plötzlich zu schnell geht oder wo am Ende dann doch noch völlig übertrieben wird. Das fällt durchaus stark ins Auge, weil die qualitativen Unterschiede hier noch zu groß sind, aber trotzdem zeigt es mir auch deutlich, dass immer noch mehr gehen kann, weswegen man Moncomble definitiv auf dem Schirm haben sollte.
Fazit: „Bad at Love“ ist ein unheimlich intensives Buch, das nicht davor zurückschreckt, tief in das Leiden der menschlichen Spezies einzudringen, weswegen hier eine Triggerwarnung wirklich absolut berechtig vorangesetzt wurde. Es ist keine leichte Kost, aber dennoch eine, in der vieles zusammenpasst, in der aus dem Leid auch etwas Schönes geboren wird, nämlich eine mitreißende Liebesgeschichte, wo sich die Protagonisten nicht besser hätten ergänzen können. In der Ausführung mag es an einigen Stellen noch haken, aber dennoch bleibt „Bad at Love“ als empfehlenswerte Lektüre in Erinnerung.