Ansichten einer neuen Generation
Viktor!ein Lesehighlight 2021!
Klappentext:
„Wien, 1914. Der junge Viktor entwickelt sich zielstrebig zum schwarzen Schaf seiner wohlhabenden jüdischen Familie.
Nimwegen, 1994. Die Studentin Geertje hat es ...
!ein Lesehighlight 2021!
Klappentext:
„Wien, 1914. Der junge Viktor entwickelt sich zielstrebig zum schwarzen Schaf seiner wohlhabenden jüdischen Familie.
Nimwegen, 1994. Die Studentin Geertje hat es satt, dass sich ihre Familie noch immer für ihr Judentum schämt. Auf der Suche nach ihrer eigenen Identität will sie die Mauer des Schweigens endlich durchbrechen. Denn das Schicksal ihrer Familie ist allgegenwärtig – auch das von Viktor.“
Ich muss gestehen, ich war mir zu Beginn nicht ganz sicher, was ich von diesem Roman halten sollte, aber von Seite auf Seite nahm er mich mehr gefangen und löste ein besonderes Lesegefühl aus. Autorin Judith Fanto hat mit „Viktor“ einen sehr persönlichen Roman geschrieben und zeigt uns damit, einen tiefen Einblick in ihre Familiengeschichte. Viktor Rosenbaum war der Rebell der Familie und der Bruder von Geertjes Großvater. Über ihn sprechen? Um Himmels Willen! Aber warum wird so über ihn geschwiegen? Zart und einfühlsam erzählt uns Fanto die Geschichte von Viktor und eröffnet uns somit ihre jüdischen Familiengeschichte. Gene vererben sich in einem gewissen Rhytmus und Geertje scheint einen großen Schwung von Viktor abbekommen zu haben, denn auch sie ist eine Rebellin, die nicht versteht, warum das jüdische Familienleben so unter den Teppich gekehrt wird. Wenn sie doch Juden sind, sollen sie doch auch so leben! Doch die Zeit ist eine andere. Der Holocaust sitzt noch zu tief in den Alten und die Gefahr, sich öffentlich als Jude zu „outen“ ist immer noch eine undefinierbare. Geertje geht einen besonderen Weg und bricht aus diesem Schweigen auf besondere Art und Weise aus. Hier wird Fanto dementsprechend laut und es wird aufwühlend. Muss es aber auch, denn Geertje ist in einer neuen Zeit angekommen und die ist nunmal eben lauter und kräftiger als damals. Der größte Schrei ist ihr Namenswechsel in „Judith“. Was sie damit auslöst, ist ihr nicht ganz bewusst, aber es wird eine Reise in die Vergangenheit aber auch die Findung eines neuen „Ich‘s“. Die Zeitenwechsel sind Fanto mit ganz großem Bravour gelungen und auch die Wortwahl und der Ausdruck sind der Zeit jeweils angepasst. Es tauchen immer mehr Fragen auf und man grübelt immer mehr als Leser mit. Fragt sich, ob Judith den richtigen Weg einschlägt, was sie damit auslöst und vor allem, was es für ihre Familie wohl bedeutet. Muss man den Namen ändern um anerkannt zu werden? Versteckt sie sich denn damit nicht auch? Viele Fragen werden ganz gekonnt von Judith Fanto beantwortet, aber einige bleiben im Geheimen. Sie merken schon anhand vom Vornamen der Protagonistin und der Autorin, das es sich hier wohl um ein und die selbe Person handeln könnte...lassen Sie sich verzaubern! Das schafft ein neues Bild und das Kopfkino beginnt seine Bahnen zu ziehen.
Ich bin wirklich begeistert von dieser Geschichte und hätte nie gedacht, das hier so eine Kraft darin steckt. Es ist ein Kampf von Generationen den Judith hier führt, aber wie gesagt, die Zeit ist eine andere und vielleicht ist sie reif, das endlich über Viktor gesprochen wird und über so viele andere Dinge, die Familie Rosenbaum gern „verdrängt“ und umschreibt. Fantos Schreibstil ist keine reine Biografie, aber der aufmerksame Leser kann erkennen was die Autorin hier loswerden will. Shoa - ein Wort das dieser Geschichte den roten Faden verleiht und eine zarte Bande zwischen den geschichtlichen Ereignissen knüpft.
Für dieses Lesehighlight vergebe ich 5 von 5 Sterne!