Fanny, Sisi und Marillenknödel...
Die Totenärztin: Wiener Blut
...nein, Marillenknödel spielen in den ersten Band „Die Totenärztin – Wiener Blut“ von René Anour tatsächlich nur eine untergeordnete Rolle – für mich aber sind sie ein Synonym für all die österreichischen ...
...nein, Marillenknödel spielen in den ersten Band „Die Totenärztin – Wiener Blut“ von René Anour tatsächlich nur eine untergeordnete Rolle – für mich aber sind sie ein Synonym für all die österreichischen Köstlichkeiten, die in diesem Buch so nebenbei erwähnt wurden!
Fanny ist eine junge Ärztin (im Gegensatz zu Preußen „durften“ Frauen in Österreich schon damals studieren!), die 1908 als Prosekturgehilfin – Assistentin bei Obduktionen - in der Wiener Pathologie arbeitet. Obwohl ausgebildete Ärztin, hat ihr Chef, Professor Kundera, verboten, dass sie als Frau Obduktionen durchführt („Auch besitzt eine Frau, deren Naturell im Nährenden und Fürsorglichen begründet ist, weder die Fähigkeit noch den Willen zu einer strukturierten Arbeitsweise.“ S. 21). Überhaupt: dass sie überhaupt die Stelle bekommen hat, hat sie Kunderas Frau, Leontine, zu verdanken... Aber so waren eben damals die Zeiten...
Aber Fanny hat ihren eigenen Kopf und ihre eigenen Ideen: als ein toter Obdachloser eingeliefert wird, fallen Fanny Hinweise auf, die ihr Kollege Franz ignoriert – Fanny schleicht sich dann nachts in die Pathologie und obduziert heimlich die Leiche – und sticht damit in ein riesengroßes Wespennest!!!
Nur unterstützt von ihrer Freundin Tilde beginnt Fanny ihre „Recherchen“, die sie u.a. zu einem exklusiven Ball des Grafen Waidring ins Palais Coburg, aber auch in die „Unterwelt“ Wiens führen. Aber mehr sei hier über die Handlung nicht verraten...
Wir lernen sympathische Menschen kennen, wie z.B. Fannys Cousin Schlomo, der sich jetzt François nennt und zum Entsetzen seiner Eltern als Maskenbildner am Burgtheater arbeitet. Tante Agathe macht sich große Sorgen, dass Fanny mit ihren 25 Jahren immer noch nicht verheiratet ist: „Das ist schon nicht mehr Gold, sondern nur noch Silber und Bronze steht vor der Tür.“ (S. 42) Lange rätseln wir, ob „Blaumeise“ ein „Guter“ oder doch ein „Böser“ ist... Und ich habe einiges über Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn („Sisi“) erfahren, was ich noch nicht wusste.
Gut gefallen hat mir auch das Nachwort mit dem Stichwort „Was ist echt, was ist Fiktion?“. Dies finde ich gerade bei historischen Kriminalromanen ausgesprochen wichtig: ich nehme es einem Autor / einer Autorin keineswegs übel, wen er /sie z.B. mal eine Erfindung oder ein historisches Ereignis um ein paar Jahre verschiebt – aber wissen möchte ich es hinterher...Ein Glossar und ein Wiener Stadtplan aus 1908 haben meinen Wissensdurst perfekt erfüllt.
Der Autor hat es auch hervorragend geschafft, dass mir bei vielen Szenen mein Kopfkino die entsprechenden Bilder lieferte: in der Pathologie habe ich mir die Nase zugehalten und nur durch halbgeöffnete Augen „gelinst“, dafür bin ich gern mit Fanny durch den Volkspark spaziert und habe freudig Schlomo (oh, Pardon: François) im Burgtheater besucht.
Manchmal musste ich den Kopf schütteln über Fannys und Tildes Naivität und Leichtsinn, habe mich dann aber auch wieder mit ihnen gefreut, wenn sie sich aus „brenzligen“ Situationen befreit haben – na ja, manchmal mit Hilfe...Auch die Entwicklung von Fanny hat der Autor schön herausgearbeitet: sie gewinnt immer mehr an Selbstbewusstsein und ich bin mir sicher: sie wird ihren weiteren Weg mit hoch erhobenem Haupte gehen!
Insgesamt kann ich sagen: ein sehr empfehlenswertes Buch, dass mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt hat, es hat mir spannende und interessante Lesemomente beschert – und alles gewürzt mit einer feinen Prise Humor! Ich drücke dem Autor die Daumen, dass viele Leser*innen das Buch kaufen – dies aber nicht ganz uneigennützig: wenn Fanny bei vielen Menschen gut ankommt, werden weitere Bücher folgen – und das wünsche ich mir!