ernste, bewegende Geschichte
Oscar hätte sich die Ferien deutlich spannender vorgestellt, als die ersten Tage auf dem Segelboot sich gestalten. Wasser soweit das Auge reicht, wenn sie Glück haben ausreichend Wind, um voran zu kommen, ...
Oscar hätte sich die Ferien deutlich spannender vorgestellt, als die ersten Tage auf dem Segelboot sich gestalten. Wasser soweit das Auge reicht, wenn sie Glück haben ausreichend Wind, um voran zu kommen, der Bewegungsradius ist stark eingeschränkt und einen Freund durfte er auch nicht mitnehmen. Nicht gerade das, wovon er geträumt hat. Doch als die Familie auf zwei Flüchtlingskinder trifft, die sich entkräftet an einen Rettungsring klammern, nimmt ihr Urlaub einen unerwarteten Verlauf. Oscars Eltern wollen Nala und ihren Bruder Moh an Land bringen, damit ihnen geholfen und sie untergebracht werden können. Immer wieder werden sie abgewiesen, niemand fühlt sich verantwortlich für die Kinder, die die Familie aus dem Meer gefischt hat.
Ob diese Geschichte wirklich schon für Zehnjährige geeignet ist, finde ich pauschal schwierig zu sagen. Einige Kinder sind in dem Alter schon sehr weit, aufgeschlossen und bereit für ernstere Themen, andere nicht. Ganz allein lassen sollte man die jungen Leser mit dem Buch aber vielleicht nicht, denn selbst bei mir bleiben hinterher so einige Gedanken zurück, die nachklingen und bei Kindern vielleicht dann für Gesprächsbedarf sorgen könnten.
Der Schreibstil von Cornelia Franz hat mir gut gefallen. Die Sprache ist einfach gehalten und damit auch für die Zielgruppe gut verständlich. Sehr gelungen fand ich, dass die Thematik ihre Ernsthaftigkeit nicht verliert. Es ist ein bedrückendes, teilweise sehr trauriges Thema, besonders unter dem Aspekt, dass so viele Schicksale dahinter stehen, auch wenn hier nur das von Nala und Moh geschildert wird. Wie schwierig es ist, für die Kinder ein zu Hause zu finden beziehungsweise jemanden, der überhaupt bereit ist, sich um sie zu kümmern, ist gut in die Handlung eingeflochten. Oscars Eltern bemühen sich, eine Lösung zu finden und werden immer wieder vor den Kopf gestoßen. Frustration, Wut und Zweifel spielen daher immer wieder eine Rolle. Es gibt aber auch zahlreiche schöne Momente, die zum Beispiel dadurch entstehen, dass die Kinder sich rasch annähern und die Sprachbarriere für sie kein all zu großes Problem darstellt. Nala und Moh bemühen sich, sich in den Alltag zu integrieren, die Sprache zu lernen und nicht negativ aufzufallen. Toll eingeflochen fand ich auch die kleinen Passagen, in denen die Geschwister miteinander sprechen. So hat man auch einen Eindruck davon, was in ihren Köpfen vorgeht. Vor allem der kleine Moh hat ziemlich viel Angst, was ich gut nachvollziehen konnte.
Immer wieder gibt es auch andere Turbulenzen auf dem Schiff, ausgelöst vom Wetter oder anderen Ereignissen. So wird die Reise auf unterschiedliche Weise spannend und abwechslungsreich. Die anschaulichen, bildhaften Beschreibungen lassen die Handlung lebendig werden, ohne dabei zu viel Wert auf die düsteren Details zu legen.
Man begleitet Oscar aus der Erzählerperspektive und erhält so Einblicke in seine Gedanken und Gefühlswelt. Der Zehnjährige empfindet manche Situationen natürlich anders, als ein Erwachsener es tun würde, gerade das mochte ich in dem Buch aber sehr gern. Teilweise nimmt er Dinge einfach etwas leichter und unkomplizierter, zerdenkt es nicht so, wie seine Eltern es tun, es zeigt aber gleichzeitig eben auch, dass er sich über manches einfach noch keine Gedanken machen kann oder will, weil er die Konsequenzen, die aus manchen Ereignissen folgen, gar nicht abschätzen kann. Nicht alle seine Entscheidungen sind klug, er macht Fehler und lässt sich von seinen Gefühlen mitreißen. Dass dieses Verhalten nicht richtig ist und schwerwiegende Folgen haben kann, wird für mich in der Geschichte allerdings auch deutlich.
Das Ende des Buches ist idealisiert und vielleicht nicht unbedingt realistisch. Nach der Tortur, die die Familie hinter sich hat, gönnt man ihnen aber auch diesen Funken Glück und Erleichterung, auch wenn es die vergangenen Erlebnisse vielleicht ein bisschen weniger schlimm und dramatisch erscheinen lässt. Die Ereignisse bis dahin empfand ich größtenteils nicht als beschönigt, manches ist für die Zielgruppe schon ziemlich bedrückend, auf jeden Fall wenn man länger darüber nachdenkt.
Nach dem Abschluss des Buches werden junge Leser -und vermutlich nicht nur die- sicher einiges zum Nachdenken haben, so dass ich das Ende für ein Kinderbuch als passend empfand. Günstig wäre es aber sicher, auch dieses Thema mit den Kindern aufzuarbeiten und sie mit ihren Gedanken dazu und zum Rest der Geschichte nicht allein zu lassen.
Fazit
Eine ernste, bewegende, gleichzeitig aber auch sehr angenehm und feinfühlig aufgearbeitete Thematik, die schön in die abenteuerliche Reise auf dem Segelschiff eingebunden ist. Es werden sowohl die Probleme und Missstände rund um die Flüchtlingssituation beleuchtet, als auch die schönen Freundschaftsmomente, die zwischen den Kindern entstehen. So ist das Buch nicht durchweg bedrückend und traurig, es hat mich aber immer wieder sehr berührt und auch zum Nachdenken angeregt.