Journalist und Buchautor Hauke Friederichs erzählt in diesem Buch von der spektakulären Rettungsmission der Briten, rund 340.000 alliierte Soldaten aus der von der deutschen Wehrmacht eingekesselten französischen Küstenstadt Dünkirchen, über den Ärmelkanal zu evakuieren. Oftmals wird das Wort „Wunder“ für ein Ereignis überstrapaziert, aber hier muss es zwangsläufig verwendet werden, denn die Evakuierung der Soldaten war alles andere ein Spaziergang.
Der Autor nimmt uns mit in eine blutige Zeit. Anfang Mai 1940 überrollen deutsche Panzer Belgien und die Niederlande und halten auf Frankreich zu. Den mit Pervitin gedopten Panzerfahrern stellt sich kaum etwas in den Weg. Und, sie nehmen den für Kettenfahrzeuge als unpassierbar geltenden Weg über die Ardennen. Die Alliierten sind, trotz der Erwartung der deutschen Offensive, überrascht. Ein Landstrich nach dem anderen fällt an die Deutschen. Zuletzt bleibt nur mehr die französische Hafenstadt Dünkirchen als Rückzugsort und letzter, freier Seehafen.
Am 24. Mai 1940 beginnt das Wunder von Dünkirchen: Aus unerfindlichen Gründen lässt Hitler, durch den Befehlshaber der deutschen Heeresgruppe A, Gerd von Rundstedt, die weit vorauseilenden Panzern des Generals Heinz Guderian anzuhalten. Dieser Haltebefehl Hitler sorgt auch 80 Jahre später für heftige Diskussionen bei den Historikern. Warum und Wieso lässt Hitler seine Panzer stoppen? Guderian soll wie das sprichwörtliche Rumpelstilzchen gesprungen sein und unter Ausdehnung seiner Möglichkeiten, ohne einer Befehlsverweigerung bezichtig zu werden, weitergefahren sein.
Dieser Haltebefehl gibt Churchill die Möglichkeit, in einer beispiellosen Aktion namens "Operation Dynamo" die alliierten Soldaten mit Schiffen aus der belagerten Stadt zu evakuieren. Das geht natürlich nicht ganz ohne Opfer. So werden immer wieder Schiffe durch die Deutschen versenkt. Gemeinsam mit zahlreichen privaten Fischerbooten, Ausflugsdampfern und Jachten holt Royal Navy innerhalb von nur wenigen Tagen rund 340.000 Soldaten von den Stränden rund um Dünkirchen ab.
Meine Meinung:
Hauke Friederichs erzählt die Geschichte dieser dramatischen Wochen aus dem Blickwinkel von zeitgenössischen Quellen. Ähnliches hat sich schon in seinem Buch „Funkenflug“ bewährt. Wir lesen Tagebucheinträge und Briefe von Exil-Intellektuellen wie Hannah Arendt, Lion Feuchtwanger oder Astrid Lindgren, die im neutralen Schweden arbeitet. Wir können einen Blick in die Notizen von Churchills Sekretär John Colville werfen und hadern mit dem amerikanischen Deutschland-Korrespondenten William Shirer, dessen Beobachtungen in Berlin von den Alliierten nicht immer ernst genommen werden. Wir begegnen auch Otto Frank in Amsterdam, dessen Familie noch nicht weiß, welches Schicksal sie im Frühjahr 1945 ereilen wird, und der Wienerin Hermine Santrouschitz, die als Miep Gies, mithilft, die Familie Frank zu verstecken.
Diese unterschiedlichen Blickwinkel lassen das mörderische Kriegsgeschehen nicht zu nahe an den Leser heran. Ja, es wird gestorben, aber die Atmosphäre des Krieges bleiben irgendwie ferne. Der Leser nimmt sie wie durch ein Fernglas wahr.
In seinem Epilog berichtet Hauke Friederichs, welches Schicksal die genannten Personen erleiden. Im Anhang gibt es ein Personen- und Abkürzungsverzeichnis, sowie Hinweise auf weiterführende Literatur.
Was mir persönlich abgeht, sind Landkarten, die den Vormarsch der deutschen Truppen nachvollziehbar machen, sowie ein Zeitstrahl dieser ereignisreichen Wochen.
Die spektakuläre Rettungsaktion „Operation Dynamo“ wurde von Christopher Nolan im Jahr 2017 unter dem Titel „Dunkirk“ verfilmt.
Fazit:
Ein interessantes Buch über die Evakuierung der alliierten Soldaten über den Ärmelkanal, die sich vor allem in das kollektive Gedächtnis der Briten eingegraben hat. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.