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Veröffentlicht am 04.05.2021

Der ausgeträumter American Dream - große amerikanische Erzählkunst

Von Mäusen und Menschen
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John Steinbecks Roman "Von Mäusen und Menschen" ist eher eine kleine Erzählung oder ein erzählendes Theaterstück. Der Autor beschreib auf gerade einmal 113 Seiten in sechs Kapitel eine Episode um die ...

John Steinbecks Roman "Von Mäusen und Menschen" ist eher eine kleine Erzählung oder ein erzählendes Theaterstück. Der Autor beschreib auf gerade einmal 113 Seiten in sechs Kapitel eine Episode um die beiden Wanderarbeiter George und Lennie in den 1930er.

George, ein kluger und gewandter Arbeiter, zieht mit dem großen, bärenstarken, aber geistig zurückgebliebenen Lennie als Wanderarbeiter umher. Beide verbindet eine Kameradschaft, wobei George sich um Lennie kümmert. Denn Lennie ist sehr kindlich und sich oft seiner Kräfte nicht bewusst. Dafür liebt Lennie es, weiche Sachen zu streicheln, zum Beispiel Mäuse. Doch das hat George und Lennie schon oft Ärger eingebracht. Beide träumen davon, einmal eine eigene Farm zu besitzen und diesem harten Leben zu entkommen. Angekommen auf einer neuen Farm treffen sie dort auf eine Truppe von anderen Arbeitern, sowie einem gewalttätigen Chef und seiner Frau, die anscheind gerne mal mit den Arbeitern flirtet.

In den sechs Kapiteln lernt man die Personen kennen. Jeder muss sich auf seine Weise in dieser harten Welt behaupten und stark sein. Doch viele haben wie Lennie eine Schwäche, sei es dass sie alt sind oder dass sie schwarz sind oder einer Frau. Jeder versucht stärker zu sein als der andere und hat , wie George und Lennie, seine Träume. Da diese Welt aber keine Träume zulässt, platzt der American Dream.

Bisher hatte ich noch kein Werk von John Steinbeck gelesen, aber dieser kleine Roman hat mich, neben der Geschichte, gerade sprachlich gefesselt, denn John Steinbeck schafft es mit (der Szenerie angepasster) einfacher Sprache in wenigen Dialogen jeder Person eine tiefe Persönlichkeit zu geben, die es einem selten leicht macht, die Personen als nur gut oder nur böse zu empfinden. Die Anzahl der Schattierungen ist sehr groß. Auch versteht es Steinbeck, die Umgebung, die Natur oder bestimmte Ereignisse mit wenigen Worten auferstehen zu lassen.


Für mich ein Meisterwerk amerikanischer Erzählkunst.

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Veröffentlicht am 04.05.2021

Du bist Ich und Ich bin Du

Der Junge, der auf einem Esel ritt
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Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens
Der plötzliche Tod seines Vaters reißt Tom aus dem Leben. Im fernen Andalusien führt ihn das Schicksal nach Nepanthé, einem Ort ohne Sorge. Dort beginnt eine Reihe ...

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens
Der plötzliche Tod seines Vaters reißt Tom aus dem Leben. Im fernen Andalusien führt ihn das Schicksal nach Nepanthé, einem Ort ohne Sorge. Dort beginnt eine Reihe von seltsamen Träumen, die Tom den Weg zu sich selbst weisen. Doch „Das Leben ist keine Reise“, so der Untertitel des Buches, und auch wenn sich Tom auf eine Reise durch Spanien begibt, so muss er sich doch eher auf eine Reise durch seine Träume begeben, doch Träume sind nicht immer leicht zu deuten.
Nestor T. Kolee beschreibt Toms Suche nach dem Sinn seines Lebens. Auf seiner Suche reist er zu realen, aber symbolhaften Orten und findet sich in seinen Träumen wieder. Diese beiden parallelen Reisen werden durch die Person des Traumdeuters verbunden, dem Tom immer wieder begegnet und der ihm hilft, seine Träume richtig zu deuten. Dabei werden so unterschiedliche Lebensbereiche wie die eigene Kindheit, Besitz und Verlustangst, Lebensziele und Tod berührt.
Kolee findet auf den knapp 200 Seiten einen guten Ton zwischen mystischen und realen Beschreibungen. In einer ruhigen Sprache findet er viele schöne Bilder, die Toms Suche verdeutlichen. Es werden keine einfachen Antworten oder Lebensweisheiten vermittelt, sondern der Leser muss diese genau wie Tom auf Umwegen und Irrwegen erfahren.
Das Buch bietet viele Einsichten in den Sinn des Lebens, ohne in einen esoterischen oder belehrenden Ton zu verfallen. Man hat das Gefühl, die Erkenntnisse selbst zu erzielen. Die Fülle an Zitaten, die man anführen kann, sind zahllos. Da die Kapitel allerdings keine Überschriften haben, ist es mühsam, noch einmal im Buch zurückzugehen. Und so ist dies ein Buch, das man noch ein zweites Mal lesen sollte. Vielfach gibt es dann Möglichkeiten, Parallelen zum eigenen Leben zu ziehen.
Keine einfache Lektüre, auf die man sich einlassen muss, aber bei der man vieles persönliches mitnehmen kann.

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Veröffentlicht am 03.05.2021

Toller Debütroman - eine bildgewaltige Beschreibung New Orleans mit Jazz, Korruption und dem Axeman

Höllenjazz in New Orleans
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Ray Celestins Debütroman „Höllenjazz in New Orleans“ ist der Auftakt einer vierteiligen Reihe über Geschichte des Jazz im 20. Jahrhundert.
„Höllenjazz in New Orleans“ beschreibt die Ereignisse um den ...

Ray Celestins Debütroman „Höllenjazz in New Orleans“ ist der Auftakt einer vierteiligen Reihe über Geschichte des Jazz im 20. Jahrhundert.
„Höllenjazz in New Orleans“ beschreibt die Ereignisse um den (realen) Axeman-Mörder, der im Jahr 1919 mehrere vorwiegend italienischstämmige Händler brutal ermordet und sich dabei wie ein Phantom durch New Orleans bewegt. Die Jagd nach dem Axeman wird dabei aus drei Sichtweisen beschrieben. Zum einen ermittelt Detective Lieutnant Michael Thalbot unterstützt vom jungen Iren Kenny. Thalbot ist wenig beliebt bei seinen Kollegen, nachdem er vor einigen Jahren ihren Kollegen Luca D’Andrea wegen seiner Beziehungen zur Mafia in Gefängnis gebracht hat. Dieser Luca D’Andrea wurde nun gerade aus dem Gefängnis entlassen und soll im Auftrag der Mafia den Axeman suchen. Außerdem stößt die junge Ida Davis, die den undankbaren Job einer Sekretärin bei Pinkertons Detektivagentur hat, auf eine Spur des Axemans, die sie zusammen mit ihrem Freund Louis „Lewis“ Armstrong verfolgt. Alle stoßen am Ende auf den Axeman, jeder auf seine Weise …
Was wie ein Krimi oder Thriller klingt, ist vielmehr ein Roman, denn Ray Celestin schafft es aufbauend auf der realen Mordserie des Axeman im Jahr 1919 ein faszinierendes Bild des frühen New Orleans und seiner vielfältigen Bewohner, Kreolen, Schwarze, Weiße, … entstehen zu lassen. „In New Orleans ist alles anders …“, sagt der Bürgermeister, ein Satz, der heute noch genauso gilt wie damals. Auf jeder Seite spürt man die durch viel Detailwissen angereicherte Atmosphäre dieser besonderen Stadt. Das Vergnügungsviertel Storyville wurde geschlossen, das Gesetz zur Prohibition wurde erlassen und in der Stadt herrschen die Mafia und die Korruption. Dazwischen sind all die Menschen, die nach Abwechslung und Vergnügen suchen, die ihnen besonders der neu entstandene Jazz liefert.
Eigentlich gibt es im ganzen Roman keinen einzigen glücklichen oder zufriedenen Menschen, alle stehen an einem Scheidepunkt in ihrem Leben und die Richtung, die ihr Leben nehmen soll, ist unklar. Dennoch wirkt das Buch oftmals auch erstaunlich positiv. Besonders gut wurde die Figur des jungen Jazz-Trompeters (damals noch mit dem Kornett) Lewis Armstrong mit seinen schwierigen Lebensverhältnissen und seiner Liebe zur Musik, die für ihn aber auch oft harte Arbeit bedeutet, gelungen. Ein oft trauriges, melancholisches Bild, das aber auch immer wieder Hoffnung auf Veränderung mit sich bringt.
Fazit: Der Roman bietet ein spannendes mit vielen historischen Details angereichertes Bild einer faszinierenden Stadt. Sehr gut zu lesen, obwohl eine große Anzahl von Personen auftreten (wobei das vierseitige Personenverzeichnis gut hilft, die Übersicht zu behalten). Auch die zahlreichen historischen Begriffe (von den Po’Boy-Sandwiches bis zum French Market) werden am Ende des Buches in einem Glossar erklärt.
Dieser Auftakt lässt mich mit Sicherheit bald auch zu den weiteren Bänden greifen. Also dann: Auf zum Blues nach Chicago.

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Veröffentlicht am 05.04.2021

Ermittler an ihrer Grenze

Ragdoll - Dein letzter Tag (Ein New-Scotland-Yard-Thriller 1)
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Nachdem ein mutmaßlicher Serienkiller vom Gericht freigesprochen wird, versucht der verantwortliche Ermittler William Oliver Layton-Fawkes, genannt Wolf den Angeklagten noch im Gerichtssaal totzuschlagen. ...

Nachdem ein mutmaßlicher Serienkiller vom Gericht freigesprochen wird, versucht der verantwortliche Ermittler William Oliver Layton-Fawkes, genannt Wolf den Angeklagten noch im Gerichtssaal totzuschlagen. Vier Jahre später, nach seiner Suspendierung, dem Scheitern seiner ehe und einem Aufenthalt in einer psychatrischen Klinik kehrt Wolf zur Londoner Polizei zurück. Bald wird er zu einem neuen Fall gerufen. In der Nähe seiner Wohnung wurde eine aufgehängte Flickenpuppe, eine Ragdoll gefunden, zusammengenäht aus den Leichenteilen von sechs Opfern. Dann erhält Wolfs Exfrau, eine ehrgeizige Journalistin eine Liste auf der sechs weitere Morde mit Todeszeitpunkt angekündigt. Der letzte Name auf der Liste ist der Name von Wolf.
Die Geschichte entwickelt sofort ein rasendes Tempo, denn die Londoner Polizei muss versuchen, die angekündigten Morde zu verhindern und gleichzeitig auch den Zusammenhang zwischen ihnen herauszufinden. Die Morde des Killers sind zwar sehr grausam, aber es folgt zum Glück kein Splatter-Thriller, sondern ein Thriller von hoher Spannung. Bei der rasanten Handlung entwickelt sich auch die Charaktere sehr vielfältig. Die Anspannung und der Druck, der auf allen lastet, wirkt sich auch stark auf ihr Verhalten aus, das oftmals an Besessenheit grenzt. Auch die Auswirkungen auf ihr Privatleben sind zuweilen dramatisch. Wirklich sympathisch wird dabei kein Charakter, dennoch fühlt und fiebert man mit ihnen mit. Ein dramatisches Finale lässt einen dann durch die letzten Kapitel fliegen, auch weil es das Motiv für all die Morde in sich hat (auch wenn es fast sehr überzogen ist).
Der Thriller war für mich ein klares Lesevergnügen und macht Lust auf die weiteren beiden Teile. Das Ende jedenfalls hat einiges offengelassen, so dass man sich fragt, wie es mit den Hauptcharakteren weiter geht.

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Veröffentlicht am 14.02.2021

Unterhaltsame und lehrreiche Geschichtsstunde

Augustus und die verlorene Republik
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Mit Augustus nimmt sich Maria Regina Kaiser eine der interessantesten Persönlichkeiten der römischen Geschichte vor, die das Ende der römischen Republik besiegelte und mit dem Prinzipat die Kaiserzeit ...

Mit Augustus nimmt sich Maria Regina Kaiser eine der interessantesten Persönlichkeiten der römischen Geschichte vor, die das Ende der römischen Republik besiegelte und mit dem Prinzipat die Kaiserzeit begründete.
Maria Kaiser bietet dabei eine informative Mischung aus Erzählung, Biographie sowie historischen und archäologischen Fakten. Sehr angenehm fällt dabei auf, dass sie neben den in jeder Augustus-Biographie vorkommenden Informationen gerne auch seltener behandelte Themen einbaut.
In zehn Kapiteln erzählt Xanthos, ein ehemaliger Sklave des Augustus und jetzt nach Germanien verbannt, seinen germanischen Schülern und Mitbewohner, Episoden aus dem Leben des Kaisers Augustus. Die einzelnen Kapitel sind zwar immer einem Thema gewidmet, bauen aber auch aufeinander auf. Nach jedem Kapitel folgt dann thematisch passend ein Sachkapitel, was die historischen Grundlagen der Erzählung erklärt oder ergänzt (Die erzählenden Kapitel und die Sachkapitel sind im Inhaltsverzeichnis praktischerweise getrennt aufgeführt). So finden wir in der Erzählung sowohl den Menschen Augustus (mit seinen körperlichen Schwächen, gleichsam die Yellow Press des antiken Biographen Sueton), als auch seinen Weg zur Macht und sein politisches Programm (sehr interessant, die Vorgehensweise auf dem schwierigen Weg von der Republik zum Prinzipat aus dem Munde des Augustus zu hören) und seine schwierigen familiären Verhältnisse, die in der Verbannung seiner Enkelin Iulia und des Dichters Ovid gipfeln. Im Zuge dieser Verbannung muss dann auch Xanthos nach Germanien gehen. Auf den Weg nach Germanien erfährt man dann, dass die Römer in Germanien begonnen hatten, Städte und Siedlungen zu bauen, eine Tatsache, die lange Zeit umstritten war. So erweckt Maria Kaiser in der Erzählung die erst Ende der 1980er Jahre bei Waldgirmes entdeckte römische Stadt zu leben, die nach der Varusschlacht aufgegeben wurde. Der Tod des Augustus und seine Vergöttlichung runden die Erzählung ab.
Maria Kaiser schafft es, über eine Persönlichkeit, über die schon so viele Bücher geschrieben wurden, für Kinder (ab 11 Jahren) eine gelungene Auswahl an Informationen zu treffen, die ein gutes Bild des ersten römischen Kaisers und Germaniens gibt. Sich dabei auf Wesentliches zu beschränken und dennoch eine abgeschlossene Handlung mit vielen Informationen zu bieten, ist die Stärke dieses kleinen Büchleins. Maria Kaiser tappt nicht in die Falle, die großen Themen (z.B. Augustus`/Octavians Kampf gegen Marcus Antonius und Kleopatra, die Varus-Schlacht, Arminius/Hermann der Cherusker) weit auszubreiten, sondern sie streut die wichtigen Informationen sinnvoll in die Geschichte ein.
Gut ergänzt wird das Buch durch ein Glossar, das vielleicht manchmal etwas knapp gehalten ist, ein paar Stimmen zu Augustus (da wäre vielleicht noch mehr drin gewesen), eine umfangreiche Zeitleiste und eine kurze Leseliste, die allerdings mehr für ältere Leser gedacht ist. Dietmar Kienast z.B. dürfte selbst für interessierte Erwachsene keine leichte Kost sein, da wäre vielleicht die ein oder andere Leseempfehlung für jüngere Leser angebracht gewesen.
Insgesamt ein gelungener Band über Augustus und den Beginn des Prinzipats, geeignet für jüngere Leser und Erwachsene mit einer netten und bei aller Knappheit dennoch zuweilen detailreichen Wissensvermittlung.

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