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Veröffentlicht am 27.03.2017

Aber ich schweife ab

Ensel und Krete
1

Titel: Ensel und Krete - Ein Märchen aus Zamonien
Autor: Walter Moers
Genre: Roman/Märchenparodie
Erscheinungsdatum: Juni 2000
Seitenanzahl: 255


"Ensel und Krete" ist das zweite Buch aus dem bisher sechsteiligen ...

Titel: Ensel und Krete - Ein Märchen aus Zamonien
Autor: Walter Moers
Genre: Roman/Märchenparodie
Erscheinungsdatum: Juni 2000
Seitenanzahl: 255


"Ensel und Krete" ist das zweite Buch aus dem bisher sechsteiligen Zamonien-Zyklus von Walter Moers ( das siebte Buch "Das Schloss der träumenden Bücher" wird von Fans noch sehnlichst erwartet).


Kurz zur Erklärung:

Zamonien ist ein Kontinent auf dem sich die verschiedensten Lebensformen tummeln. Von fiesen Stollentrollen, über Waldspinnenhexen, zu Tratschwellen, riesigen Bolloggs, Eydeeten, Schrecksen, Lindwürmern und wieder zurück. Eine große Rundreise durch Zamonien wird übrigens in dem Buch " Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär", das vor "Ensel und Krete" veröffentlicht wurde, unternommen. Dort folgt man dem noch jungen Seemannsgarnspinner auf seiner Reise durch Klabauterinsel, Süsse Wüste, Atlantis und Co.

Autor Walter Moers, der etwas ... ähm ... gereifteren Generation wohl als Schöpfer von Figuren wie der Dauernervensäge dem "kleinen Arschloch" und "Adolf, der Nazisau" bekannt ist, nimmt seine oft weit ausschweifende Fantasie in keinem seiner Zamonienromane an die Leine. Zum Glück.


So auch in "Ensel und Krete".
Wer bei dem Titel eine geradliniges Märchen im Zamonienstil erwartet, ist zumindest teilweise auf dem Holzweg (Wortspielcounter: 1).

Denn der bekannte Lindwurmdichter Hildegunst von Mythenmetz, der zu seinem Leidwesen schon zu Lebzeiten zur Legende wurde, hat einen wortwörtlich verschnörkelten Schreibstil.

Der Roman ist mit dem Hinweis versehen, dass Mythenmetz sein eigentlicher Autor ist und Moers lediglich aus dem Zamonischen übersetzt hat.

An „Ensel und Krete“ ist außerdem Mythenmetz' halbe Biografie angehängt.


Zum Inhalt:

"Ensel und Krete" handelt von dem namensgebenden jungen Fernhachenzwillingspaar. Fernhachen sind eine friedliebende, leicht spießige Wesensart. Ensel und Krete sind mit ihrem Eltern zu Gast im Großen Wald bzw. in der Touristenstadt Bauming. Während die beiden alleine Himbeeren pflücken, kommen sie vom Weg ab und müssen sich aus verschiedenen brenzligen Situationen befreien.

So viel zur Geradlinigkeit




Vorsicht, eventuelle Spoiler!




Denn ein einfaches Märchen ist einem Hildegunst von Mythenmetz nicht genug und so meldet sich der Poet selbst zu Wort.

In der von ihm erfundenen "Mythenmetzschen Abschweifung" schreibt er unter anderem über die sieben Grundtugenden des Dichters, beschreibt ausführlichst seinen Arbeitsplatz, klagt über jedes Wehwehchen, schimpft über seinen Erzfeind (selbstverständlich einen Literaturkritiker) und zählt ein paar Buntbärenfarben auf (die Fußnote geht über drei Seiten).

Die Abschweifungen sind der eigentliche Star des Buches. Ensel und Kretes Geschichte wird oft an ihren spannendsten Stellen mit Seiten voller Brummli oder möglichst langweiligen Gutenachtgeschichten über Graubrot (es war kein besonderes Brot) unterbrochen. Und es funktioniert.

Obwohl Mythenmetz kein auf Anhieb sympathischer Kommentator ist, die eigentliche Geschichte dauernd unterbrochen wird und es wirklich lächerlich lange Aufzählungen gibt (wie übrigens in jedem Zamonienroman), trägt das alles nur zum Reiz des Buches bei. Man liest die Abschweifungen wie Monologe des dichtenden Sauriers und das macht ihn trotz Schuppen und Sprachbarriere sehr lebendig.

Ich bin schon seit längerem bekennende Bewunderin von Moers' Werken und kannte einige seiner Bücher bevor ich "Ensel und Krete" gelesen habe. Ich würde allerdings empfehlen, "Ensel und Krete" vor den anderen Büchern dieses Zyklus zu lesen. Dadurch kann man sich schon mal mit dem Schreibstil vertraut machen, denn wer mit "Ensel und Krete" nichts anfangen kann, wird mit den anderen fünf nicht glücklich werden.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen, ich habe manchmal schon sehr gelacht und beim Anhören des genial gelesenen Hörbuchs sowohl Mitleid, als auch Respekt für Dirk Bach empfunden.


Übrigens darf man bei Ensel und Krete, wie auch bei Käpt'n Blaubär und besonders Rumo (!) nicht das Buch nach dem Umschlag beurteilen.

Es sind keine Kinderbücher.
Es sind natürlich auch keine Psychothriller oder Fachliteratur für Gehirnchirurgen, sonst wäre aus Käpt'n Blaubär niemals der Lügenopa aus der Sendung mit der Maus geworden.

Ich lege jedem, der noch nichts von Moers gelesen hat, dieses Buch als Einstiegsdroge ans Herz und denke, jeder der bereits „hooked“ ist, wird mit „Ensel und Krete“ seine Freude haben.


In diesem Sinne: Gut Holz!






(!) Wie gesagt, es sind keine Kinderbücher. Oder wollen Sie, dass einem Fünfjährigen
vor dem Einschlafen ein blutiges Teufelszyklopengemetzel vorgelesen wird? Nein, wollen Sie nicht. Selbst, wenn Dirk Bach liest.