Belanglos und ohne roten Faden
Der Panzer des HummersEa, Sidsel und Niels - das sind die Geschwister Gabel, die sich mit der Zeit immer weiter auseinandergelebt haben. Der Roman spielt nach dem Tod ihrer Mutter und zeigt einige aufeinanderfolgende Tage aus ...
Ea, Sidsel und Niels - das sind die Geschwister Gabel, die sich mit der Zeit immer weiter auseinandergelebt haben. Der Roman spielt nach dem Tod ihrer Mutter und zeigt einige aufeinanderfolgende Tage aus den Leben der Protagonisten. Doch anders, als ich aufgrund des Klappentextes erwartet hatte, kommt es im Laufe des Buches nicht zur Aussprache untereinander, die Geschwister werden keinesfalls miteinander konfrontiert und müssen auch nicht "Stellung zueinander und ihrer Vergangenheit beziehen". Vielmehr laufen ihre Leben weiterhin parallel nebeneinander her, mal gibt es leichte Überschneidungen, die aber nebensächlich bleiben. Vielleicht wäre das zu verzeihen gewesen, wenn das Geschehen denn spannend und die jeweiligen Handlungsstränge spürbar auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet wären - aber nein, sie zeigen tatsächlich einfach nur einen kurzen Ausschnitt aus dem Alltag der jeweiligen Figur und haben keine, zumindest keine für mich erkennbare, tiefere Bedeutung.
Was spürbar wird, ist die Unzufriedenheit aller drei Geschwister mit ihrer derzeitigen Situation: Ea spürt den Geist ihrer verstorbenen Mutter und möchte diesen nun mithilfe einer Seherin zum Loslassen bewegen. Niels schlägt sich mit schlechtbezahlten Gelegenheitssjobs und ohne festen Wohnsitz durch, Sidsel versucht, nicht die Balance zu verlieren zwischen ihrer fordernden Arbeit und ihrem Dasein als alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter. So herrscht im Roman eine eher negative, angespannte Grundstimmung vor, die im starken Kontrast steht zur spannungsarmen Handlung und der Tatsache, dass sich am Ende alles mehr oder weniger unverändert im Sande verläuft.
Doch neben Ea, Sidsel und Niels schenkt der Roman auch ihrer Mutter Charlotte, der Seherin Bee und deren Tochter Gehör, außerdem der Adoptivtochter von Ea, einer alten Freundin von Charlotte und weiteren Figuren. Wirkt unübersichtlich? Ist es auch, und so war ich wirklich dankbar für das Personenregister zu Beginn des Buches. Dennoch fiel es mir manches Mal nicht ganz leicht, den Überblick über die Figurenkonstellationen zu behalten - gerade weil es so wenig Interaktion zwischen ihnen gibt, dass man sich unweigerlich fragt, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, die Personenzahl zu reduzieren und dafür dort dann mehr in die Tiefe zu gehen. Denn das Handlungsgeflecht, dessen schrittweise Entwicklung man vielleicht bei einer derartigen Zahl an unterschiedlichen Perspektiven erwarten würde, entsteht hier gar nicht erst, und so hatte ich beim Lesen leider immer mehr das Gefühl, eine Aneinanderreihung weitestgehend alleinstehender Schicksale zu lesen, die dann auch noch alle sehr oberflächlich bleiben und ziellos dahinplätschern. Eine Art roten Faden sucht man vergebens.
Hinzu kommt, dass für mich persönlich der Teil mit der Kontaktaufnahme zum Geist der Mutter im Jenseits vollkommen überflüssig war. Nicht nur, weil ich damit grundsätzlich nicht viel anfangen kann, sondern auch, weil es schlichtweg nichts zur eigentlichen Handlung (sofern man von einer solchen denn sprechen möchte) beiträgt. Ausnahmslos alle Haupt- und Nebenfiguren blieben in meinen Augen merkwürdig farblos, wirklich verstanden habe ich keine von ihnen, die meisten waren mir nichteinmal sympathisch. Vermutlich ist auch hier wieder die mangelnde Tiefe der Vielfalt an Perspektiven geschuldet - schade.
Die zwei Sterne gibt es für den Schreibstil, der mir im Grunde (bis auf ein paar Ausnahmen) gut gefallen hat, und einige (wenige) schöne und nachdenkliche Stellen. Zum überwiegenden Teil konnte ich jedoch weder mit der Handlung noch mit den Figuren viel anfangen, die Geschichte war mir zu zerstückelt, die einzelnen Stränge zu wenig - sprich, gar nicht - auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet. Die Hoffnung, dass am Ende vielleicht doch noch alles Sinn ergibt, hat sich leider nicht erfüllt, und so schlage ich das Buch am Ende verwirrt, enttäuscht und auch ein wenig erleichtert zu. Was die Autorin damit sagen wollte - ich weiß es nicht.