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Veröffentlicht am 08.05.2021

Sympathischer Erfahrungsbericht, allerdings eher für Neueinsteiger in dieses Thema geeignet

Na, wann ist es denn so weit?
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Man könnte im ersten Augenblick meinen, Anna Wilken hat alles, was sie sich wünscht. Sie ist eine Ex- Germany's next Topmodel Teilnehmerin, aktuell Influencerin, medial stark vertreten und in einer glücklichen ...

Man könnte im ersten Augenblick meinen, Anna Wilken hat alles, was sie sich wünscht. Sie ist eine Ex- Germany's next Topmodel Teilnehmerin, aktuell Influencerin, medial stark vertreten und in einer glücklichen festen Beziehung. Aber wie so oft trügt der erste Schein, denn sie leidet auch an Endometriose und unter Ihrem unerfüllten Kinderwunsch.
In Ihrem sehr persönlichen Kinderwunschratgeber „Na, wann ist es denn so weit?“ verarbeitet sie ihren Weg zum Wunschkind.

Für mich stellte sich die Frage, ob sie dieses sehr komplexe Thema auch für alle Betroffenen greifbar machen kann.
Ich würde sagen ja und nein.
Einerseits schreibt sie sehr offen über Ihre persönliche Situation, gibt dem Lesenden ihre Perspektive auf verschiedene Probleme wieder. Andererseits befindet sie sich in einer privilegierten Lage, wie sie selbst auch an einigen Stellen schreibt. Dadurch vertritt sie natürlich nur eine eingeschränkte und sehr persönlich eingefärbte Sicht der Dinge.
Denn nicht jedes Paar startet mit diesen Voraussetzungen, welches unter ungewollter Kinderlosigkeit leidet. Vielleicht fehlt das Geld oder es scheitert an langen Anfahrtswegen zum Kinderwunschzentrum, die dann doch nicht auf die Bedürfnisse und speziellen Problematiken des Paares eingehen (können). Oder einfach Paare, die spät ihre Diagnose erhalten und so unter Zeitdruck geraten.
Was an ihrer eigenen Perspektive fehlt macht sie wiedergut durch die eingestreuten Erfahrungsberichte anderer betroffener Frauen und Männern.
Das ist in Ratgebern eher eine Seltenheit.
Sehr interessant waren auch die Fachanmerkungen von Ärzten, Psychologen, Rechtsanwälten oder Heilpraktikern. Dadurch greift sie Themengebiete auf, welche einem nicht sofort klar sind.
Denn mit dem schlichten Gang ins Kinderwunschzentrum ist es nicht getan. Und den Betroffenen eröffnet sich ein (im ersten Moment) überwältigendes Themengebiet.

Anna Wilken gibt keine „Allround und alles wird wieder gut Lösung“ für jeden an. Sie sagt, alles kann nichts muss. Und so nimmt sie doch auch etwas den Druck. Sie zeigt wie schmerzhaft und intensiv der Weg zum Wunschkind werden kann, dennoch ist der Grundton immer äußerst zuversichtlich.

„Na, wann ist es denn so weit?“ ist eher ein authentischer Erfahrungsbericht in Verbindung mit unentbehrlichen Fachwissen, als ein trockener Ratgeber, der ganz verschiedene Aspekte kurz beleuchtet. Für alle, die neu in dieses Themengebiet starten eröffnet es einen tollen, sympathischen und leichtzugänglichen Einstieg. Sicherlich für alle, die sich bereits belesen haben, bietet es wahrscheinlich nicht viel Neues. Gleichwohl ist es eine gute Auffrischung und zeigt vor allem, dass man mit seinen Ängsten, Sorgen und Schmerzen definitiv nicht allein ist.

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Veröffentlicht am 23.01.2021

Atmosphärisch dichte Erzählungen über Migration & Integration

Fast ein neues Leben
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Ich hatte mich sehr auf diesen Band mit Erzählungen gefreut. Leider wollte der Funke bei mir zunächst nicht so recht nicht überspringen, aber je weiter ich las, umso weiter ich in die Geschichte vordringen ...

Ich hatte mich sehr auf diesen Band mit Erzählungen gefreut. Leider wollte der Funke bei mir zunächst nicht so recht nicht überspringen, aber je weiter ich las, umso weiter ich in die Geschichte vordringen konnte umso mehr entfalteten sich die Abgründe und verdichtete sich die Atmosphäre, so dass ich letztlich sehr dankbar über dieses Rezensionsexemplar bin.

In ihrem Debütroman gibt Anna Prizkau ihrer namenlosen Hauptfigur eine Plattform, eine Stimme um Unfassbares doch in Worte zu fassen. In zwölf episodenhaften Erzählungen, die nicht immer chronologisch sind, versucht die junge Immigrantin ihren eigenen, nicht immer einfachen Weg zu gehen. Ihr innerlicher Drang sich perfekt einzugliedern zersplittert immer wieder an ihrer Angst, dass feine Risse sich auf tun und ihre wahre Herkunft beleuchtet werden könnte.

„Er sagte: „Woher kommst du?“
Ich sagte: „Aus der Uni.“
Ich wusste, dass er etwas anderes wissen wollte, doch in der lauten großen Stadt wollte ich es verschweigen. Vor ihm, vor jedem. Kein Mensch kannte mich, wie ich früher war.
Ich konnte neu sein.“ S. 79
Die Fragen nach der eigenen Herkunft, zeitgleich dem unbedingten Wunsch dazuzugehören, anzukommen und anerkannt zu werden prallen immer wieder auf einander. Die Protagonistin eckt immer wieder an den Menschen in ihrer Umgebung an. Sie wird sowohl psychisch als auch physisch verletzt, mal auf subtile Weise, so dass sie es selbst kaum bemerkt und dann wieder mit einer Wucht, die sie völlig umhaut.

Sie hadert mit ihren Eltern, die sie für nicht angepasst genug hält um sie ihren Freunden vorzustellen, weil sonst ihre mühsam aufgebaute Fassade zusammenbrechen würde. Allerdings erkennt sie aber nach und nach die toxischen Beziehungsstrukturen in den Familien von Freunden.

Wie schwer es wohl sein muss, in einem neuem Land nur fast ein neues Leben zu beginnen, sich niemals wirklich dazugehörig zu fühlen? Der aktuellen Gesellschaft wird ein (schmerzlicher) Spiegel vor das Gesicht gehalten.

Definitiv ein Erzählband, der zwar kurz ist, aber sehr zum Nachdenken, Nachfühlen einlädt und somit noch lange nachklingen wird.

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Veröffentlicht am 25.04.2023

Ein Loblied auf heiße Tage im Schwimmbad

Seemann vom Siebener
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Mit „Seemann vom Siebener“ lässt Arno Frank einen flirrend heißen Sommertag für uns entstehen, der alles enthält was ein Besuch im Schwimmbad zu bieten hat – die große Liebe, Eifersucht, unerfüllte Hoffnungen, ...

Mit „Seemann vom Siebener“ lässt Arno Frank einen flirrend heißen Sommertag für uns entstehen, der alles enthält was ein Besuch im Schwimmbad zu bieten hat – die große Liebe, Eifersucht, unerfüllte Hoffnungen, Leben und Tod. Das Ganze garniert mit Gerüchen nach Chlor, Sonnenmilch, Pommes und Eiscreme.

In diesem Setting treten abwechselnd verschiedene Protagonisten auf, die die Geschichte aus ihrer Sicht erzählen und vorantreiben. Da ist zum Beispiel der alternde Bademeister Kiontke, der sich einem vergangenen Trauma nicht stellen will. Isobel, die Witwe des Begründers des Schwimmbades, welche immer mehr Realität und Erinnerungen vermischt.
Josefine, die lieber diesen heißen Tag im Schwimmbad aussitzt, als sich mit der nahenden Beerdigung ihres Mannes zu beschäftigen, Lennart, der in sein altes Heimatdorf zurückkehrt, vielleicht auch um zu sich selbst wieder zu finden. Melanie, eine lebensfrohe Kindergärtnerin, die mit ihrer Gruppe das Seepferdchen absolvieren will. Dabei sind allein in ihrer kleinen Rasselbande einige schon sehr interessante Charaktere. Aber am Mysteriösesten ist sicherlich das Mädchen ohne Namen und ihr Bruder. Warum will sie unbedingt den Seemann vom Siebener Sprungturm wagen? Welches Schicksal treibt sie um?

Der Autor lässt allmählich die Akteure auftreten und entfaltet langsam ihre Geschichten. Dadurch entsteht aus den einzelnen Fragmenten, ein gemeinsamer, überschneidender Handlungsstrang, der alles miteinander verbindet.
Jeder trägt sein eigenes Päckchen, mal unsichtbar, mal sichtbarer vor sich her.
An diesen letzten, heißen Sommertag scheinen viele Stränge endlich zu einen Abschluss kommen zu können. Vieles bleibt am Ende aber auch sehr vage und den Lesenden überlassen es zu interpretieren.
Die Handlung schlägt immer wieder Bögen, indem sie zwischen Vergangenheit und Gegenwart oder den Akteuren wechselt.
Dabei kann sich der Plot schnell in kleineren Nebenschauplätzen vergehen. Das kann zuweilen etwas anstrengend sein, weil so leicht die einzelnen Charaktere durcheinander gebracht werden und ein stringenter Lesefluss etwas eingetrübt ist.
Wer sich davon nicht abschrecken lässt, darüber hinaus aufmerksam liest, findet immer wieder kleine, wiederkehrende Anspielungen, die das Lesen interessanter machen.

Der „Seemann vom Siebener“ ist ein netter Einstieg für die kommende Sommerzeit und ein Loblied für diese Art Freizeitgestaltung. Die wirklich sympathischen Figuren sowie die leichte Sprache machen es zu einer tollen Sommerlektüre.

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Veröffentlicht am 06.06.2024

Grenzüberschreitungen -

Ich stelle mich schlafend
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Deniz Ohde erlangte große Bekanntheit durch ihren vielfach gelobten Debütroman „Streulicht“. In ihren zweiten Roman „Ich stelle mich schlafend“ wird sie nicht minder gesellschaftskritisch.

Die Geschichte ...

Deniz Ohde erlangte große Bekanntheit durch ihren vielfach gelobten Debütroman „Streulicht“. In ihren zweiten Roman „Ich stelle mich schlafend“ wird sie nicht minder gesellschaftskritisch.

Die Geschichte begleitet Yasemin, genannt Yase, die bereits seit frühster Kindheit gelernt hat das ihr Körper nicht gut genug ist. Erst durch ihre Mutter, die ihre Haltung kritisiert, später durch Ärzte und Physiotherapeuten, die ihre Skoliose behandeln und sie nur auf ihre Erkrankung beschränken, ohne dabei an ihre Psyche zu denken.
Yase beginnt in allen die Schuld bei sich zu suchen und kapselt sich innerlich selbst ab. Auch ihre erste große Liebe zu Vito scheitert an der Behandlung ihrer Skoliose und den damit verbundenen Veränderungen ihres Körpers.
Jahre später scheint Yasemin bei sich angekommen zu sein, wenn sie sich auch nicht wirklich aus ihrer Vergangenheit emanzipiert hat, so kann sie doch für sich selbst sorgen und ist sie in einer stabilen Beziehung.
Trotz dieser Stabilität in ihrem Leben sabotiert sie sich immer weiter, hinterfragt ihre immer aufs neue verlorene Unschuld und vergräbt sich tief in ihrem eigenen Schuldbewusstsein.
Als sie Jahre später erneut auf Vito trifft, entwickelt sich daraus schnell ein toxisches Beziehungskonstrukt, mit tragischem Ende.


„Ich stelle mich schlafend“ ist ein wütender Aufschrei so vieler Frauen unserer Gesellschaft.

Welche Frau kennt es nicht, dass ein „Nein“ nur zu leicht überhört wird. Man wird überredet und bedrängt, bis man nachgibt. Die Angst nachts allein nach Hause zu gehen, die Panik vor jedem Schatten, der sich als Ungeheuer entpuppen kann.
Die Gefahr lauert aber nicht nur außen, sondern auch in Beziehungen und Familien ist sie allgegenwärtig leider allzu häufig vorhanden.

Aber warum glauben so viele Frauen, dass sie diese Willensbeugung, diese Gewalt und schlechte Behandlungen verdient zu haben?

All das schafft die Autorin sehr gut einzufangen und hält uns Lesenden dazu an unsere Verhaltensweisen zu reflektieren.


Leider blieben für mich die Figuren, allen voran Yase und Vito, zu sehr in einem schwarz-weiß Schema hängen. Ihnen fehlte es an der ganz eigenen Lebendigkeit und Tiefgründigkeit. Auch wenn es Entwicklungsmöglichkeiten gab, entweder zum positiven oder negativen, wurden meiner Meinung nach diese nicht ausgeschöpft. Dadurch fühlte sich das Lesen schnell nach Stagnation an.

An einigen Stellen war mir der Text einfach zu auserzählt, dafür an anderen einfach zu dürftig und man musste es ein zweites Mal lesen, um den Inhalt zu verstehen.

Grundsätzlich hatte ich einfach etwas mehr erwartet und hoffe einfach auf den nächsten Roman dieser Autorin.

Es ist definitiv keine leichte Lektüre für zwischendurch, die so manchen in seiner Meinung spalten wird. Trotz meiner Kritikpunkte hat, die Autorin das alles beherrschende Grundthema trotzdem gut vermitteln können, auch wenn es aufgrund der blassen Figuren leider nicht lange in mir nachwirken wird.

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Veröffentlicht am 23.01.2021

Moderne und doch irgendwie kalte On/Off-Liebesgeschichte

Normale Menschen
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Im zweiten Roman von Sally Rooney „Normale Menschen“ geht es um die intensive On/Off-Liebesgeschichte von dem ungleichen Paar Marianne und Connell.
Beide leben in derselben Kleinstadt in Irland. Wachsen ...

Im zweiten Roman von Sally Rooney „Normale Menschen“ geht es um die intensive On/Off-Liebesgeschichte von dem ungleichen Paar Marianne und Connell.
Beide leben in derselben Kleinstadt in Irland. Wachsen allerdings in sehr verschiedenen Verhältnissen auf. Marianne kommt aus einer wohlhabenden, aber wenig liebevollen Familie. In der Schule ist sie eine seltsame Außenseiterin, wird von ihren Mitschülern gemobbt und findet keinen Anschluss. Connell hingegen, ist sehr beliebt in der Schule, lebt aber in eher bescheideneren Verhältnissen bei seiner jungen alleinerziehenden Mutter.
Als sie gemeinsam an die Universität wechseln ändern sich die Verhältnisse, plötzlich ist Marianne die schöne, beliebte Studentin, die es leicht hat und Connell wird zum Außenseiter.
Was bleibt sind trotz der großen Machtgefälle und des nicht enden wollenden Beziehungschaos, eine nicht immer einfache, aber innige Freundschaft.

Die Geschichte wird über mehrere Jahre in verschiedenen Zeitsprüngen erzählt. Man erlebt sie abwechselnd aus Marianne‘s bzw. Connell‘s Perspektive.
Am Anfang fand ich das Buch etwas fade, im mittleren Teil nahm es dann an Fahrt auf, was sich aber für mich am Ende wieder etwas verloren hat. Die Autorin verläuft sich etwas in dem auf und ab der asymmetrischen Beziehung der Protagonisten. Stattdessen hätte sie meines Erachtens die wirklich spannenderen Themen wie soziale Ungerechtigkeit, Gewalt in Familien und Beziehungen oder psychische Probleme stärker ausarbeiten können. Diese Themen reißt sie nur an, dadurch bleiben alle Figuren insgesamt in ihrer Entwicklung eingeschränkt.
Die Darstellung der Gefühlswelten wirken allerdings nicht überzogen. Nur die Beweggründe und Kommunikationsprobleme hätten für mich einfach besser herausgearbeitet werden können.
Ich glaube ein paar mehr Seiten hätten einfach der Geschichte besser getan um sie genauer zu beleuchten und auszuarbeiten. Die Autorin hat einen einfachen, schnörkellosen Schreibstil, der sich leicht und flüssig liest, ohne dabei allerdings herauszustechen.
Allerdings muss man sich sicherlich an das wirklich ungewöhnlichste Element in diesem Buch gewöhnen. Sämtliche Dialoge fließen einfach im Text ein, das heißt sie werden nicht mit Anführungseichen oder anderweitig gekennzeichnet.

Abschließend ist der Roman „Normale Menschen“ sicherlich ein moderner Liebesroman ohne ins kitschige abzugleiten, bleibt aber einfach zu oberflächlich um mich zu berühren.

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