Gegen das Vergessen
Zu ihrem Roman „Zwischen uns ein ganzes Leben“ wurde die Autorin Melanie Levensohn durch den Fund von alten Familiendokumenten angeregt und diese Authentizität spürt man in den historischen Kapiteln. Die ...
Zu ihrem Roman „Zwischen uns ein ganzes Leben“ wurde die Autorin Melanie Levensohn durch den Fund von alten Familiendokumenten angeregt und diese Authentizität spürt man in den historischen Kapiteln. Die beiden Leben, auf die der Titel anspielt, führen in die frühen 40iger Jahren im besetzten Paris und dann gut 60 Jahre später nach Washington.
Béatrice arbeitet für die Weltbank, ein äußerst gut dotierter Job und sie hat auch Karriereambitionen, obwohl die Arbeit sie nicht richtig ausfüllt. Genauso unbefriedigend ist ihr Privatleben, schon lange ist sie nicht mehr glücklich in der Beziehung zu Joaquin, nur die Angst vor dem Alleinsein lässt sie ausharren. Über eine Hilfsorganisation lernt sie Jacobina kennen, eine widerborstige und unsympathische alte Frau, die ihre Hilfe anfangs so gar nicht wertschätzt. Aber dann, vielleicht weil Béatrice Französin ist, äußert sie eine Bitte. Sie hatte vor vielen Jahren ihrem Vater auf dem Sterbebett versprochen, die verschollene Halbschwester Judith zu suchen. Aber wie das Leben so spielt, diese Aufgabe wurde so lange aufgeschoben, bis es fast zu spät ist.
Béatrice recherchiert und erfährt, dass sich Judiths Spuren nach dem Transport in ein Konzentrationslager verlieren.
Das zweite Leben ist Judiths Leben, wir tauchen ins besetzte Paris ein, erfahren wie sich die Einschränkungen für jüdische Bürger immer stärker bemerkbar machen und erleben mit Judith ihre zart aufkeimende Liebe zu Christian. Christian stammt aus der bürgerlichen Oberschicht, aber sein Vater ist ein eifriger Kollaborateur, deshalb muss die Beziehung geheim bleiben.
Bei den zwei Zeitperspektiven hat mir ganz eindeutig die historische besser gefallen. Diese Abschnitte sind warmherzig und wie aus erster Hand. Man lebt und leidet mit Judith.
Béatrice bleibt dagegen blass und oberflächlich. Die Washingtoner Abschnitte fielen auch in der Spannung und im Erzählton ab. Sie machen zwar den größeren Teil des Romans aus, aber nachgewirkt haben nur die historischen Kapitel. Gestört hat mich tatsächlich auch die ständige Erwähnung von Markennamen. Bèatrice im Armani Kostüm, oder mit von Furstenberg Kleidern, Dior Kosmetik und so weiter…. Was will die Autorin damit ausdrücken? Dass Béatrice eine teuer gekleidete Frau ist oder dass die Designerkleidung ihre Rüstung gegen ihre Unsicherheit ist? Egal, es war mir einfach zu viel. Zuviel waren mir dann auch die Zufälle, die die beiden Teile verbunden haben.
Mein Fazit: ein gut lesbarer, in Teilen auch sehr anrührender Roman, bei dem ich aber immer das Gefühl hatte, dass die Autorin ihr Potenzial, wie sie es im warmherzig-anrührenden Prolog anklingen lässt, nicht ganz ausgeschöpft hat.