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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.05.2021

Eine nette Lektüre für zwischendurch

Verhängnisvolles Lavandou (Ein-Leon-Ritter-Krimi 7)
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Eine kurze Auszeit gefällig? Wie wäre es mit einem Abstecher in die Provence? Dann ab nach Le Lavandou, Heimat von Médecin Légiste Leon Ritter und seiner Lebensgefährtin Capitaine Isabelle Morell, die ...

Eine kurze Auszeit gefällig? Wie wäre es mit einem Abstecher in die Provence? Dann ab nach Le Lavandou, Heimat von Médecin Légiste Leon Ritter und seiner Lebensgefährtin Capitaine Isabelle Morell, die in ihrem neuen Fall eine Mordserie untersuchen müssen, deren Ursprung weit in die Vergangenheit zurückreicht.

Alles beginnt mit der Leiche eines Jungen in Mädchenkleidung, die in einem Müllsack verpackt am Stand gefunden wird. Niemand kennt ihn, hat ihn je gesehen, und auch die Polizei tappt im Dunkeln. Ritters nachfolgende Obduktion kann mit Ergebnissen aufwarten, denn diese lassen die Schlussfolgerung zu, dass das Kind maghrebinischer Herkunft und keines friedlichen Todes gestorben ist. Eine schockierende Erkenntnis, zumal es nicht bei dieser einen Leiche bleibt. In kurzen Abständen häufen sich rund um Le Lavandou mysteriöse Todesfälle, die auf den ersten Blick natürlichen Ursprungs sein könnten, bei genauerem Hinsehen sich aber als Morde entpuppen, die miteinander verbunden sind, da sämtliche Leichen eine Gemeinsamkeit aufweisen. Bei allen sind im Mundraum Reste von Mimosen zu finden, und es scheint, als ob ein Serienmörder zugange ist. Sowohl Ritter als auch Isabelle lassen nicht locker und finden eine Spur zu einem katholischen Internat, ein Verdacht, der sich dem Leser bereits recht früh aufdrängt.

Die Reihe lebt im Wesentlichen von ihren Charakteren, dem südfranzösischen Flair und den detaillierten Landschaftsbeschreibungen, die der Handlung den entsprechenden Rahmen verleiht. Diese birgt zwar selten Überraschungen, arbeitet aber dennoch, wie auch in diesem Fall, durchaus gesamtgesellschaftliche Probleme mit ein. Die unbegleiteten Flüchtlingskinder, die den Machenschaften der kirchlichen Institutionen und deren Vertretern hilflos ausgeliefert sind, während die Gesellschaft wegschaut. Die Prise Familienleben, hier verkörpert durch Isabelles Tochter, deren neuer Freund für innerfamiliäre Konflikte verantwortlich ist, sorgt für Auflockerung und gibt dem ganzen einen sympathischen Touch. Eine nette Lektüre für zwischendurch.

Veröffentlicht am 05.04.2021

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?

Bittersüße Zitronen
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Gleich vorweg: Alle, die von diesem Krimi Hochspannung erwarten, die zum Nägelbeißen verleitet, sind hier fehl am Platz. Wer sich aber in Zeiten der eingeschränkten Mobilität für einige Stunden in den ...

Gleich vorweg: Alle, die von diesem Krimi Hochspannung erwarten, die zum Nägelbeißen verleitet, sind hier fehl am Platz. Wer sich aber in Zeiten der eingeschränkten Mobilität für einige Stunden in den italienischen Süden wegträumen möchte, kann hier unbesorgt zugreifen.

Bei einem Urlaubskrimi geht es in erster Linie darum zu unterhalten, die besondere Atmosphäre einer Region und die Eigenheiten ihrer Bewohner zu beschreiben, etwas familiären oder persönlichen Hintergrund des Ermittlers hinzuzufügen, plus das Ganze dann noch mit einem eher unspektakulären Mordfall zu garnieren, der den Leser nicht aus seiner Komfortzone reißt. Und das ist dem unter Pseudonym schreibenden Autor Luca Ventura gelungen, auch wenn diesmal nicht die Sonne rot im Meer versinkt und der Himmel angesichts der dunklen Jahreszeit eher grau als blau ist.

Unfall oder Mord? Diese Frage müssen sich der einheimische Agente Enrico Rizzi und seine aus dem Norden strafversetzte Kollegin Antonia Cirillo stellen, als Elisa Constantini mit einer Ape auf einer kurvigen Straße die Böschung hinunterstürzt und ums Leben kommt. Das Fahrzeug war manipuliert und gehört Aurora Bellini, der Eigentümerin einer Fabrik, die im großen Maßstab Zitronen diverser Zulieferer unter anderem zu Limoncello verarbeitet. Und auch die Constantinis beliefern Aurora seit Jahrzehnten. Stellt sich die Frage, ob es einen Zusammenhang mit den Plänen der Familie Constantini gibt, die beabsichtigen in die Selbstvermarktung via Crowdfarming einzusteigen. Die Anzahl der Verdächtigen ist übersichtlich, ebenso die möglichen Mordmotive der Verdächtigen. Geht es um Geld? Um eine Familienfehde zwischen zwei Matriarchinnen? War es Eifersucht? Oder etwas ganz anderes?

Die Auflösung dreht sich mehrmals im Kreis und ist nicht gänzlich überraschend. Was mich allerdings erstaunt und was ich so in einem kuscheligen Urlaubskrimi nicht erwartet hatte, waren die kritischen Einschübe, die die Vorurteile der Capresen gegenüber den meist afrikanischen Pflückern thematisierten. Ebenso die Hinweise auf die schlechten Arbeitsbedingungen, die spärliche Entlohnung sowie die menschenunwürdigen Quartiere auf den Zitronenplantagen. Gut so, und ich hoffe, dass der Autor auch in künftigen Bänden der Reihe einen kritischen Blick auf das Urlaubsparadies im Golf von Neapel wirft.

Veröffentlicht am 23.03.2021

Jede Menge Zeitkolorit, aber dünne Story

Teufelsberg (Wolf Heller ermittelt 2)
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Berlin, 1969: Kommissar Heller hat’s verbockt. Einen Moment nicht aufgepasst, und schon ist es geschehen. Eigentlich sollte er das Haus eines Richters observieren, dem man mit Mord gedroht hat. Aber herzzerreißendes ...

Berlin, 1969: Kommissar Heller hat’s verbockt. Einen Moment nicht aufgepasst, und schon ist es geschehen. Eigentlich sollte er das Haus eines Richters observieren, dem man mit Mord gedroht hat. Aber herzzerreißendes Babygeschrei sorgt dafür, dass Heller seinen Posten verlässt. Dumm gelaufen, denn während dieser kurzen Zeitspanne wird die Frau des Richters ermordet und in der Nacht von ihrer Nichte Louise, die wir bereits aus dem Vorgänger „Die Tote im Wannsee“ kennen, gefunden.

Der Täter ist schnell ermittelt, kann aber nicht mehr befragt werden, da er als verkohlte Leiche in seinem abgefackelten Fahrzeug entdeckt wird. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung werden Nachrichten gefunden, die vermuten lassen, dass Anschläge auf jüdische Einrichtungen geplant sind. Ein Szenario, das es nicht nur im Hinblick auf die jüngste deutsche Vergangenheit unbedingt zu verhindern gilt. Aber es gibt noch einen zweiten Ermittlungsansatz, denn da ist noch ein Mörder, der sein Unwesen in Berlin treibt und bereits mehrere Frauen ermordet hat. Keine leichte Aufgabe für Heller und das Team der Mordkommission.

Die Handlung dieses Krimis bedient sich eines realen Hintergrundes, nämlich dem des Bombenanschlags am 9. November 1969 auf das Jüdische Gemeindehaus in Charlottenburg, der glücklicherweise in die Hose ging. Zugeschrieben wurde dieser den Westberliner Tupamaros, einer linksradikalen Gruppe um Dieter Kunzelmann. Aber mittlerweile ist bekannt, dass - wieder einmal - auch der Verfassungsschutz beteiligt war und die Bombe geliefert hat.

Kunzelmann, Teufel, Langhans, lauter Namen, die wir auch noch heute kennen. Aber neben dem Blick auf die radikale linke Szene nehmen uns die Autoren auch mit zu den KGB gelenkten Aktivitäten der Geheimdienste. Kein Wunder, sind wir doch mitten in der Zeit des Kalten Krieges mit Berlin im Zentrum. Ein interessanter Blick auf eine Zeit des Umbruchs. Geheimdienstaktivitäten, Antisemitismus, alte Nazis und radikalisierte Jugend, neue Beziehungsformen, die in alten Mustern verharren – ein Ausflug mit jeder Menge Zeitkolorit in die deutsche Vergangenheit. Verglichen mit dem Vorgänger haben es die Autoren aber hier leider übertrieben und dabei im Gegenzug die Story vernachlässigt, die für einen Kriminalroman nur mäßig spannend ist, sich immer wieder in Details verliert und dadurch das Lesevergnügen schmälert.

Veröffentlicht am 11.03.2021

Liebeserklärung und Anklageschrift

Als ich einmal in den Canal Grande fiel
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Das Buch ist keine bloße Liebeserklärung an Venedig, sondern vor allem eine zornige Anklageschrift, die beim Namen nennt, was für die Zerstörung von Reskis Wahlheimat, der „Serenissima“, verantwortlich ...

Das Buch ist keine bloße Liebeserklärung an Venedig, sondern vor allem eine zornige Anklageschrift, die beim Namen nennt, was für die Zerstörung von Reskis Wahlheimat, der „Serenissima“, verantwortlich ist. Und was sie beschreibt, kann ich bestätigen. Unser einziger Besuch in der Lagunenstadt liegt zwanzig Jahre zurück, aber bereits damals zeichnete es sich ab, dass der verantwortungslose Umgang der Lokalpolitik mit den Schätzen Venedigs dieses Kleinod in ein Freiluft-Disneyland verwandeln würde.

Unfähige und korrupte Politiker, die mit dem Großkapital klüngeln und die staatlichen Immobilien an den Meistbietenden verhökern, natürlich ohne Nutzungsauflagen. Das Megaprojekt Mose, das nicht nur nachhaltig das Ökosystem der Lagune zerstört hat sondern durch seine nicht durchdachte Konstruktion dafür sorgen wird, dass die Überschwemmungen zukünftig wesentlich heftiger ausfallen und die Pegelstände höher als in der Vergangenheit sein werden. Die Verbreiterung der Fahrrinne für die mehr als 500 Kreuzfahrtschiffe, deren Passagiere alljährlich die Stadt überschwemmen und dafür sorgen, dass die Läden des täglichen Bedarfs nach und nach verschwinden, weil es gewinnbringender ist, Touristenkitsch aus Fernost zu verkaufen. Tourismus ist das goldene Kalb, ein Fluch für die Einheimischen, die keine bezahlbaren Wohnungen finden, weil die Besitzer lieber lukrative AirBnB Quartiere daraus machen. Die veränderte Infrastruktur sorgt für einen Exodus Richtung Festland. Weitgehend unberücksichtigt lässt Reski allerdings diejenigen, die sich keine „Adelsetage“ im Palazzo bzw. dessen originalgetreue Renovierung leisten können. Wenn mir alljährlich die Wohnung überschwemmt würde, würde ich auch die Koffer packen und dorthin umziehen, wo die Füße trocken bleiben.

Doch es könnte auch ganz anders kommen. „Venedig eilt der Entwicklung voraus“, sagt der Venezianer, ist eine Stadt der Moderne, in der Nachhaltigkeit schon immer groß geschrieben wurde (S. 204). Bleibt zu hoffen, dass dies auch die Verantwortlichen endlich erkennen und danach handeln.

Veröffentlicht am 10.03.2021

Das Vergangene ist nicht vergessen

Sommernacht
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Es ist der Tag vor der Hochzeit von Jules und Will. Jules, die Herausgeberin eines erfolgreichen Lifestyle Magazins, er der smarte Star einer Reality TV Serie. Es soll ein Jahrhundert-Ereignis werden, ...

Es ist der Tag vor der Hochzeit von Jules und Will. Jules, die Herausgeberin eines erfolgreichen Lifestyle Magazins, er der smarte Star einer Reality TV Serie. Es soll ein Jahrhundert-Ereignis werden, Freunde und Familie sind zu den Feierlichkeiten auf eine kleine Insel vor der irischen Küste geladen. Alles exklusiv, alles teuer, alles bis ins Detail getaktet. Aber manchmal schreibt das Leben seinen eigenen Plan. Alte Animositäten kommen ans Licht, brechen sich Bahn und enden schließlich mit einem gewaltsamen Todesfall.

So weit, so konventionell, und die Geschichte braucht einige Zeit, bis sie in Fahrt kommt, bis alle Backstories erzählt und aufgedröselt sind. Die vier Schulfreunde aus dem Eliteinternat, das Paar, dessen Ehe auf der Kippe steht, die Trauzeugen, die mit ihren Dämonen kämpfen, die beiden Besitzer der Insel, die als Hochzeitsplanerin und Koch fungieren. Und nicht zuletzt die abgelegene und in sich geschlossene Insel mit ihrer mysteriösen und dunklen Atmosphäre.

Der Aufbau ist fast schon schematisch für eine „closed room“ Story, wie wir sie beispielsweise von Agatha Christie kennen, aber dennoch gekonnt getaktet. Das erste Drittel stellt die Personen vor, liefert eher oberflächliche Informationen zu deren Lebensumständen. Teil zwei steigt tiefer in deren persönliche Geschichten ein, schildert traumatische Ereignisse, bis schließlich im letzten Drittel das Tempo spürbar anzieht, die Abschnitte kürzer werden und auf die unausweichliche Katastrophe zusteuern.

Foley lässt alle Beteiligten nach und nach zu Wort kommen, entwickelt deren persönliche Tragödien behutsam, fast schon bedächtig, legt den Schwerpunkt auf die Charakterisierung der Personen und lässt uns so an deren innersten Empfindungen teilhaben, eher eine Ansammlung psychologischer Profile als ein tempogetriebener Thriller. Geheimnisse, Ängste, Lügen, alles unter dem Deckel gehalten und schließlich in einem Akt brutaler Gewalt endend. Alles in allem ein Tick zu viel Tragödie, aber dennoch eine spannende Lektüre.