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Veröffentlicht am 11.07.2021

Sehr spannend

Mohnblumentod
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Das das eigene Kind verschwindet, ist das wohl das schlimmste Szenario für Eltern. Als Frida Plamgren nach ihrer Tochter sehen will, die im Kinderwagen auf der Terasse schläft, ist diese spurlos verschwunden. ...

Das das eigene Kind verschwindet, ist das wohl das schlimmste Szenario für Eltern. Als Frida Plamgren nach ihrer Tochter sehen will, die im Kinderwagen auf der Terasse schläft, ist diese spurlos verschwunden. Kommissarin Charlie Lager wird mit einem Kollegen zu den Ermittlungen hinzugezogen und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Bei dem Buch handelt es sich bereits um den dritten Thriller der schwedischen Autorin, um die sehr spezielle Ermittlerfigur Charlie Lager. Ich kannte bisher keines der Bücher. Da die Geschichte in sich abgeschlossen ist kann sie allerdings super ohne Vorkenntnisse gelesen werden. Ich habe nichts vermisst, auch keine Hintergründe zur komplizierten Familiengeschichte der Ermitterin.

Diese Ermitterfigur ist es auch, die das Buch trägt. Die Autorin hat hier eine Person mit Vergangenheit geschaffen, nicht einfach im Umgang, einzelgängerisch, unbequem, brillant im Bezug auf ihre Arbeit, aber ständig im Kampf gegen ihre eigenen Dämonen. Die Art und der Lebenswandel der Hauptfigur macht sie mir eigentlich ziemlich unsympathisch, trotzdem ist da etwas, das mich in der Geschichte hält. Die Autorin hat hier alles richtig gemacht.

Ich habe die 360 Seiten an einem verregneten Sonntag weggelesen. Die Geschichte ist spannend und vielschichtig aufgebaut. Immer wieder gibt es neue Informationen, die das bisher Erarbeitete der Ermittlungen zunichte machen. Hier ist gut dargestellt, wie mühsam die Ermilungsarbeit ist und wie neue Informationen plötzlich ein vollkommen anderes Bild ergeben und man wieder am Anfang steht. Die Geschichte besteht aus zwei Handlungssträngen, der eine umfasst die Suche nach der kleinen Beatrice, der andere führt den Leser in eine frühere Nervenheilanstalt, in der heute Jugendliche therapiert werden, die aus den verschiedensten Gründen Probleme haben. Die Abschnitte rund um die jungen Mädchen im Heim sind nicht datiert und man hat zunächst keine Ahnung, ob die Ereignisse früher, oder zeitgleich stattfinden und wie sie generell mit der Geschichte zu tun haben. Meine anfänglichen Vermutungen dazu stellten sich als falsch heraus.

Das Buch verzichtet auf blutrünstige Action, der Reiz liegt eher im psychologischen Bereich, in den Abgründen hinter einer vermeintlich idyllischen Fassade, es ist tatsächlich sehr typisch skandinavisch. Die Aufklärung der Geschichte ist gut und glaubwürdig gelöst, es fallen alle Puzzleteichen an den richtigen und nun auch logischen Platz. Ich lag mit meinen Vermutungen lange Zeit falsch, erst ziemlich zum Ende hatte ich eine Ahnung, wohin die Geschichte geht. Charlie Lager und ich sind noch nicht wirklich Freunde geworden, aber sie hat eindeutig mein Interesse geweckt und ich werde natürlich die Vorgängerbücher lesen, um die Wartezeit auf das Nächste zu überbrücken.

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Veröffentlicht am 07.06.2021

Man hat es ja eigentlich geahnt

Ohne Rücksicht auf Verluste
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Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mich als unwissender Ossi nach Öffnung der Grenze auf Coca Cola, Ü-Eier und eben auch die Bild Zeitung gestürzt habe. Irgendwie war das Inbegriff der neuen ...

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mich als unwissender Ossi nach Öffnung der Grenze auf Coca Cola, Ü-Eier und eben auch die Bild Zeitung gestürzt habe. Irgendwie war das Inbegriff der neuen Lebensart und sollte den bisherig ungestillten Hunger nach Informationen befriedigen. In meinem Fall ist das Interesse schnell abgekühlt, zu viel Gewalt, zu viel Sport, zu viel nackte Haut. Für meinen Geschmack zu grell, zu bunt, zu laut, zu sensationslüstern. Auch heute stehe ich der Bild sehr kritisch gegenüber. Wenn ich das Blatt berufsbedingt fast täglich in Händen halte, schüttel ich ganz oft den Kopf, bin aber leider auch manchmal von der Schlagzeile angezogen.

Die beiden Autoren setzen sich kritisch mit dem Phänomen Bild und dem Einfluss den dieses Medium hat auseinander. Als rational denkender Mensch dürften einen die Erkenntnisse eigentlich nicht überraschen, allerdings ist man trotzdem ganz oft einfach nur sprachlos. In verschiedenste Themenbereiche unterteilt bekommt der Leser hier in kurzen Abschnitten Einblick in die Maschinerie hinter der Schlagzeile, in die zweifelhaften Methoden der Redakteure und Reporter. Es wird ungeschönt gezeigt, wie dreist hier ein Medium genutzt wird um Stimmung zu machen, wie leicht Karrieren gepuscht werden können, wie schnell man aber auch in Ungnade fallen kann. Es werden nach steretypen, austauschbaren Mustern Feindbilder kreiert, wobei es weniger um echte Fakten geht, als vielmehr darum, was möglichst reisserisch klingt.

Erschreckend finde ich, dass teils seriöse Nachrichtendienste sich an Meldungen der Bild orientieren und diese unbesehen übernehmen. Auch ich muss mir eingestehen, dass ich die ein, oder andere Polemik schon genutzt habe, ohne zu wissen, das sie ihren Ursprung bei Bild genommen hat und letztlich auf falschen, teils erfundenen, oder aus dem Kontext gerissenen Fakten und Aussagen besteht. Die Autoren zeigen auf, wie leicht es eigentlich in Zeiten des Internets wäre diese Fakten zu überprüfen, aber der typische Bildleser macht sich diese Mühe natürlich nicht, spricht die Zeitung ihm doch meist aus dem Herzen wenn Themen wie Kriminalität, Unfähigkeit der Politik, oder Migrationsproblematik behandelt werden. Der Leser fühlt sich verstanden, eingebunden, was immer wieder durch Leseraktionen ausgenutzt wird.

Trotz sinkender Verkaufszahlen ist Bild eine der stärkste Kraft auf dem Medienmarkt und hat somit eine unglaubliche Macht. Mit dieser Macht kommt natürlich auch Verantwortung, aber davon das diese übernommen wird findet man leider nichts im Buch. Wenn nach einer Falschmeldung Kita Mitarbeiter Morddrohungen erhalten wird das billigend in Kauf genommen. Richtigstellung, oder Bemühung um Deeskalation Fehlanzeige.

Knapp die Hälfte des Buches ist mit Beispielen zur Arbeitsweise der Bildzeitung früher, aber vorallem heute gefüllt. Die andere Hälfte wird eingenommen von weiterführenden Links, hier kann der Leser noch umfangreich nachrecherchieren, den hier sind die Autoren, anders als bei Bild, um Transparenz und Wahrheit bemüht.

Das Buch regt auf, sollte aber unbedingt gelesen werden.

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Veröffentlicht am 31.05.2021

Die Antwort liegt irgendwo da draußen

Behemoth
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Die Menschheit hat es wiedereinmal verbockt! Im 24. Jahrhundert ist die Erde unbewohnbar geworden, es gibt zwar Kolonien auf dem Mond und dem Mars, aber auch hier werden die Menschen nicht auf Dauer überleben ...

Die Menschheit hat es wiedereinmal verbockt! Im 24. Jahrhundert ist die Erde unbewohnbar geworden, es gibt zwar Kolonien auf dem Mond und dem Mars, aber auch hier werden die Menschen nicht auf Dauer überleben können. Einzige Rettung könnten drei riesige Generationenschiffe sein, die im Orbit des Mars bereitstehen für eine Reise in die Tiefen des Alls, zu einem Planeten, dessen Existenz durch den Fund eines Alienartefakts auf dem Mars bekannt wurde. Bald schon sind die Schiffe einsam auf ihrer Reise unterwegs, Kontakte zwischen den einzelnen Schiffen gibt es schon lange nicht mehr, jeder hat mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen. Der Zahn der Zeit hat den Raumschiffen genauso zugesetzt, wie die Unwirtlichkeit des Weltraums und langsam werden die Ressourcen knapp. Als die Schiffe auf ein geheimnisvolles Objekt stoßen, beginnt ein Wettrennen darum dieses möglichst als Erster in Besitz zu nehmen.

T.S.Orgel steht für die Brüder Tom und Stephan Orgel, die schon sehr erfolgreich im Bereich Fantasy unterwegs sind und hier bevölkern eher Orks und Zwerge ihre Bücher, eher nicht mein Genre. Glück für mich, dass das Duo sich vor einer Weile entschieden hat in den SiFi Kosmos vorzudringen und direkt mit dem Debüt "Terra" haben sie bei mir einen Nerv getroffen.

In gewohnt spannender Weise kreieren die Beiden eine Zukunftsvision. Direkt zu Beginn des Buches wird der Leser in die Geschichte geworfen, um dann im zweiten Kapitel zurückzukehren zu den Ereignissen, die Grundlage für die Geschichte sind. Dadurch erhält der Leser Informationen, die ihm später im Buch einen Vorteil gegenüber den Figuren verschafft. Die Geschichte wird erstmal in drei Handlungsstränge aufgespalten, die auf den einzelnen Raumschiffen spielen und erst später zusammengeführt, so lernt der Leser nach und nach alle wichtigen Figuren und Besonderheiten der verschiedenen Schiffe kennen. Wer "Terra" kennt wird vielleicht den ein oder anderen Namen wiedererkennen. Die Bücher sind zwar unabhängig voneinander, ein paar kleine Insider für Fans sind aber eingebaut und solch liebevollen Details mag ich.

Was ich auch mag, ist, wie die Brüder es schaffen, Konstanten des Genres in ihre Geschichte zu integrieren und das teilweise mit einer guten Prise Humor. Schließlich kann man ja auch im Weltall das Rad nicht neu erfinden und so ist es legitim auf bereits Bekanntes zurück zu greifen, solange es nicht abgeschrieben wirkt. Wenn es doch einmal einer Erklärung bedarf, findet man diese am Ende des Buches in einem Glossar und natürlich fehlt auch ein Namensverzeichnis nicht. Das Buch ist für Genrefans eine wahre Fundgrube, es gibt hier Parallelen zu Raumschiff Enterprise, Star Trek Discovery, The Expanse und sogar die Alien Reihe. Der Leser erfährt so unglaublich viel über die persönlichen Vorlieben der Autoren, das macht sie sympathisch und authentisch.

Mit Behemoth ist den Brüdern ein weiterer Science Fiction Page Turner gelungen, der für mein Gefühl gut auf eine Kinoleinwand passen würde, bitte dann einen schön langsame Kamerafahrt um die Dimensionen der Schiffe einzufangen, untemalt von epischer Musik natürlich. Ich hoffe sehr, dass demnächst ein entsprechender Anruf eintreffen wird. Bis dahin aber bitte nicht ausruhen, ob es nun eine Fortsetzung, oder eine komplett neue Idee wird, da lasse ich mich gern überraschen.

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Veröffentlicht am 09.05.2021

Atmosphärisch sehr dicht

Der Verdacht
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Mutter zu werden ist für viele Frauen fester Bestandteil ihrer Lebensplanung. Blythe hat diesen Drang bisher noch nicht verspürt, ist ihr das Leben mit ihrem Mann Fox doch erfüllend genug. Als dieser aber ...

Mutter zu werden ist für viele Frauen fester Bestandteil ihrer Lebensplanung. Blythe hat diesen Drang bisher noch nicht verspürt, ist ihr das Leben mit ihrem Mann Fox doch erfüllend genug. Als dieser aber ein gemeinsames Kind ganz selbstverständlich als nächsten Schritt ins Gespräch bringt stimmt Blythe zu und so werden die Beiden Eltern der kleinen Violet. Violet, ein rundum gesundes Baby, das das Herz aller im Sturm erobert, nur das ihrer eigenen Mutter irgendwie nicht. Blythe fühlt sich ihrer neugeborenen Tochter vom ersten Moment an fremd, glaubt sogar das Baby würde sie absichtlich ablehnen. Zuerst schiebt sie ihre Empfindungen auf die schwierige Geburt, aber bald ist sie überzeugt davon das ihre Tochter zwei Gesichter hat, das süße unschuldige und das abweisend böse, das allerdings nur Blythe kennt.

Ashley Audrain beschreibt in ihrem Debüt die scheinbar heile Welt eines Paares, welches sein Glück durch ein Kind krönen möchte. Das das Paar dabei ganz unterschiedlich Erfahrungen im Bezug auf Familie mitbringt wird dem Leser schnell klar. Während Fox in einer bilderbuchreifen Familienidylle inklusive aufopferungsvoller Supermum aufwächst ist Blythe's Start ins Leben alles andere als schön. Die Autorin bemüht hier einige Rollenklischees und Stereotypen, baut diese aber absolut glaubwürdig als Grundlage ihrer Figuren ein.

Der Leser folgt der Geschichte aus einer etwas unüblichen Perspektive. Nach einem Prolog, in dem die Figuren kurz eingeführt werden beginnt Blythe ihre Version der Geschehnisse zu erzählen bzw aufzuschreiben. Sie wendet sich dabei in direkter Anrede an ihren Ehemann. Unterbrochen werden ihre Erinnerungen durch Szenen aus dem Leben ihrer Mutter und ihrer Großmutter. Das Erzählen auf diesen verschiedenen Ebenen ist psychologisch ein guter Schachzug, weil der Leser so an Hintergrundinformationen kommt, mit denen man gut über die Psyche und die Intention der Hauptfigur spekulieren kann. Ein Psychologe hätte an einer Person mit diesem Hintergrund und diesen Erlebnissen seine helle Freude.

Die Autorin schreibt sehr packend. Der Leser begibt sich zusammen mit der Hauptfigur auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle, man hat ständig ein unterschwelliges Gefühl der Bedrohung, der Beklemmung. Man kann dabei aber nie genau sagen, ob dieses Gefühl tatsächlich einen realen Grund hat, oder es der Einbildung der Protagonistin entspringt. Sehr dicht und atmosphärisch erinnert mich das Buch hier auch sehr an einen Psychothriller, obwohl es ja in der Kategorie Roman vermarktet wird.

Ich bin ein sehr visueller Leser, sprich, in meinem Kopf läuft beim Lesen ein Film ab. Nicht unbedingt im Bezug auf das Aussehen der Figuren, aber im Bezug auf die Handlung. Ganz oft betrachte ich so den Stoff eines Buches unter dem Aspekt, ob er einen guten Film abgeben würde. Dieses Buch ist für mich prädestiniert für eine Verfilmung. Wer beim Lesen zu der Schlüsselszene an der Ampel kommt wird verstehen was ich meine.

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Veröffentlicht am 11.04.2021

Aufarbeitung der Geschichte

Der gefrorene Himmel
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Saul Indian Horse ist alkoholabhängig. Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist es, seine Vergangenheit aufzuarbeiten, die eigene Geschichte zu erzählen, die Antworten in sich selbst zu suchen. Um so ...

Saul Indian Horse ist alkoholabhängig. Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist es, seine Vergangenheit aufzuarbeiten, die eigene Geschichte zu erzählen, die Antworten in sich selbst zu suchen. Um so schnell wie möglich aus der Anstalt raus zu kommen erzählt Saul also seine Geschichte, vielmehr schreibt er sie auf, denn das Sprechen im Redekreis fällt ihm schwer. Der Leser erfährt von dem kleinen Saul und seiner Familie, Angehörige der Ojibwe Indianer aus der Gegend des Winnipeg River Mitte der fünfziger Jahre. Die Kinder der Familie leben in ständiger Angst, Angst vor Fremden, vor Weißen, die kommen um die Kinder ihren Müttern zu entreißen um sie in die "Schule" zu bringen. Schulen, die diesen Namen nicht im Entferntesten verdienen, sind sie doch Orte an denen Entbehrung, Missbrauch, Gewalt und Tod den Alltag der Kinder bestimmen.

Richard Wagamese, der Autor, hat selbst indigene Wurzeln. Ihm blieb das Schicksal der Umerziehung an einer solchen Schule zwar erspart, aber auch er wurde aus seiner Familie herausgerissen und wuchs in Heimen und Pflegefamilien auf, ohne Zugang zu seiner Kultur. Seine Hauptfigur Saul zeigt starke autobiografische Züge, geht aber noch weit darüber hinaus und gestattet so einen verstörenden Blick auf den Umgang Kanadas mit seiner indigenen Bevölkerung.

Zu Beginn des Buches hatte ich kurz Probleme richtig in die Geschichte hineinzufinden. Ich fand die Sätze etwas holprig und wusste nicht, ob der Autor das absichtlich so angelegt hat. Im Weiteren zeigt sich dann aber das erzählerische Talent des Autors, er lässt wundervolle Landschaften vorbeiziehen und Legenden der Ojibwe auferstehen. Ganz virtuos beschreibt er Sauls Talent beim Eishockey, seine Beinarbeit, seine Spielzüge. Mein Gehirn konnte gar nicht so schnell Bilder zu den rasanten Beschreibungen formen. Meisterhaft.

Mit genau der gleichen Präsenz beschreibt der Autor aber auch die dunkle Seite der Geschichte, die Gewalt, den Missbrauch, Hass, Diskriminierung, Rassismus. Er legt die unglaubliche Arroganz offen, mit der die Weißen, den in ihren Augen minderwertigen Ureinwohnern begegnen. All dies nicht irgendwann im 18. Jahrhundert, sondern in nicht allzu weit zurückliegender Vergangenheit, noch in der Generation meiner Eltern. Unvorstellbar.

Für mich ist das Buch eine Offenlegung historischen Unrechts in einem Land, das ich mit solchen Geschehnissen bisher gar nicht in Verbindung gebracht habe. Irgendwie kommt einem ja eher die USA bei diesem dunklen Kapitel der Geschichte in den Sinn. Das diese Form des Rassismus, dieser Umgang mit der indigenen Bevölkerung kein rein amerikanisches Problem ist konnte man ja leider auch in der Vergangenheit Australiens sehen, um so hoffnungsvoller ist das Umdenken und Aufarbeiten der Vergangenheit zu sehen.

Richard Wagamese hat ein sehr politisches Buch verfasst, eine Gesellschaftskritik eingebettet in die fiktive Lebensgeschichte seines Helden, stellvertretend für ganze Generationen. Er tut dies schonungslos, emotional und mit großer erzählerischer Dichte. Bei mir hat das Buch noch lange nachgehallt, der Autor hat erreicht, dass ich mich im Nachgang noch weiter mit dem Thema auseinander gesetzt habe. Von den fünfzehn Büchern des verstorbenen Autors sind leider bisher nur dieses und "Das weite Herz des Landes" ins Deutsche übersetzt, ich werde es auf jeden Fall lesen.

Kanada wäre in diesem Jahr Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse, dieser Autor zählt definitiv zu seinen bedeutendsten Schriftstellern.

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