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Veröffentlicht am 29.03.2017

Ein gelungener Klassiker!

Meine Cousine Rachel
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Beschreibung

Bereits früh verlor der junge Philip Ashley seine Eltern, daher wächst er bei seinem Vetter und überzeugten Junggesellen Ambrose in Cornwall auf. Die beiden Männer führen ein behagliches ...

Beschreibung

Bereits früh verlor der junge Philip Ashley seine Eltern, daher wächst er bei seinem Vetter und überzeugten Junggesellen Ambrose in Cornwall auf. Die beiden Männer führen ein behagliches Landleben bei dem ihnen nichts zu Fehlen scheint, am allerwenigsten eine Frau. Ambrose Gesundheit verschlechtert sich jedoch und reißt ihn aus seinem Alltag heraus. Um wieder gesund zu werden unternimmt Ambrose Reisen in den Süden. Während seiner Abwesenheit schreibt er Briefe an Philip, aus diesen hervorgeht, dass Ambrose sich mit ihrer Cousine Rachel vermählt hat. Es treffen immer weniger Briefe ein, die Inhalte werden zunehmend verwirrend, zusammenhanglos und alarmierend – so dass Philip beschließt nach Florenz zu reisen um Ambrose aufzusuchen.

Als Philip vor Ort eintrifft ist Ambrose bereits tot, von der Witwe Rachel fehlt jegliche Spur. In Trauer und Wut entbrannt, voller Rachegelüste, kehrt Philip nach Cornwall zurück. Eines Tages steht Rachel, das Objekt seiner Rachegedanken, vor der Tür und sie ist so vollkommen anders als erwartet. Es dauert nicht lange bis auch Philip dieser geheimnisvollen Frau verfällt.

Meine Meinung

„Meine Cousine Rachel“ von Daphne du Maurier ist ein Klassiker des 20. Jahrhunderts, dessen Geschichte im ländlichen Cornwall (irgendwann im 19. Jahrhundert) spielt. Am 13. Juli 2017 kommt die Verfilmung des Romans in die Deutschen Kinos. Passend dazu hat der Suhrkamp Verlag den Roman in einer kompletten Neuübersetzung von Brigitte Heinrich und Christel Dormagen heraus gebracht. Bisher hatte ich die Autorin Daphne du Maurier nicht auf dem Leseradar und habe dies nun schleunigst geändert!

Meine treuen Leser haben sicherlich schon mitbekommen das ich zwischendurch auch mal gerne zu klassischer Literatur greife und mich in den Wogen dieser bedächtigen, umschmeichelden Sprachkünste verliere die vortrefflich gesellschaftliche Aspekte aufgreifen. Mit „Meine Cousine Rachel“ von Daphne du Maurier gelingt das zu 100 Prozent.

Im Mittelpunkt steht der 24-jährige Philip der seinem Vetter und Vaterersatz Ambrose unglaublich ähnelt. Beide Männer sind Einzelgänger, sehr naturverbunden und lieben ihr einfaches Leben im gemütlichen Herrenhaus in Cornwall ohne jegliche gesellschaftlichen Verpflichtungen. Auf Anhieb mochte ich diese unkomplizierten und liebevoll gestalteten Charaktere.

"Wir waren Träumer, alle beide, unpraktisch, scheu, den Kopf voll großartiger Theorien, die sich nie bewähren mussten, und wie alle Träumer, gingen wir schlafwandelnd durch die Welt. " (Seite 14)

Bereits nach wenigen Seiten hatte mich Daphne du Maurier auch mit ihrer Geschichte am Haken. Zwei überaus liebenswerte und charismatische Herren die nicht die geringste Absicht hegen jemals eine Frau in ihr Leben zu lassen, und dann kommt doch alles anders als erwartet. Das vertraute Verhältnis zwischen Philip und dem gut zwanzig Jahre älteren Ambrose wird auf die Probe gestellt. Ambrose verliebt sich in Rachel, heiratet diese schließlich, und bevor Philip ihn noch einmal zu Gesicht bekommt, verstirbt er unter mysteriösen Umständen. Alles was Philip bleibt sind verstörende Briefe von Ambrose, nagende Eifersucht und der Verdacht, dass Rachel die Schuld an der ganzen Tragödie trägt.

"Der so angsterfüllte, scheinbar so endlose Tag war nun vorüber, und ich hätte partout nicht sagen können, ob er sich zu meinem Vorteil oder Nachteil entwickelt hatte." (Seite 112)

Diese Ungewissheit zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Roman und verleiht der Geschichte eine besonders geheimnisvolle Atmosphäre. Zuerst der Verdacht gegen Rachel den Philip aus Ambrose Briefen zieht, seine unglaubliche Wut gegen Rachel als er mit Ambrose Tod konfrontiert wird, und der Nährboden für eine tiefe Rache ist bereitet. Schließlich lernt Philip die junge Frau kennen, nur die Bilder die in seinem Kopf entstanden sind wollen einfach nicht mit der Person übereinstimmen die er nun kennen lernt. Rachel ist sympathisch, herzlich und packt gutmütig überall mit an. Trotz aller Zweifel und jeglicher Abneigung gegen eheliche Bindungen, beginnt Philip sich in diese undurchschaubare Frau zu verlieben.

"»Ich wage die freche Behauptung«, verkündete ich, »dass die Segnungen ehelichen Glücks nicht ganz das sind, was immer behauptet wird. Wenn ein Mann sich Wärme und Behaglichkeit wünscht und etwas Schönes zum Anschauen dazu, so kann ihm all das sein eigenes Haus schenken, wenn er pfleglich damit umgeht.«" (Seite 189)

Die Geschichte wird aus Philips Perspektive erzählt, so dass sich der Leser unweigerlich in seine Situation hineinversetzt fühlt und sich mit seinem Schicksal identifizieren kann. Zeitweise hat es mich schier wahnsinnig gemacht, die nüchternen Fakten die gegen die Unschuld von Rachel sprechen mit der liebevollen und fürsorglichen Witwe in Einklang zu bringen. Ist Rachel wirklich so berechnend, nur auf Geld und Besitz aus, ohne Rücksicht auf Verluste? Oder trifft doch eher die herzzerreißende Geschichte über tiefe Liebe und tödliche Tumorerkrankung zu? Trotz diverser alarmierender Signale, die eher für die erste Variante sprechen, scheint sich Philip geradewegs in sein Verderben zu stürzen. Am Ende bleibt nur nagende Ungewissheit…

„Meine Cousine Rachel“ bietet eine emotionale XXL-Karussellfahrt bei dem auch dem stärksten Gewissen schwindelig werden kann. Bei dem gemächlichen Handlungsverlauf kann es evt. dem ein oder anderen Leser etwas langweilig werden, ich für meinen Teil habe aber jede wunderschön geschriebene Zeile genossen. Einen kleinen Abzug muss ich aufgrund des offenen Endes dennoch vornehmen. Die liebe Daphne du Maurier kann uns doch nicht einfach mit dieser Gewissensfrage alleine lassen?!?!

Über die Autorin

Daphne du Maurier wurde 1907 in London geboren und entschied sich im Alter von 19 Jahren nach einer Ferienreise an die cornische Küste, diesen Ort fortan nicht mehr zu verlassen. Alle ihre Romane lässt sie in Cornwall spielen: Jamaica Inn, Das Wirtshaus im Bodmin Moor, Meine Cousine Rachel und natürlich Rebecca, 1938 erschienen und von Hitchcock verfilmt. Daphne du Maurier starb im Alter von zweiundachtzig Jahren in Kilmarth. (Quelle: Suhrkamp/Insel Verlag)

Fazit

Ein lesenswerter Klassiker voll subtiler Spannung vor dem atmosphärischen Hintergrund Cornwalls.

Veröffentlicht am 17.03.2023

Die epische Gewalt aus der griechischen Mythologie geht hier Hand in Hand mit der Geschichte starker Frauen.

Elektra, die hell Leuchtende
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Beschreibung

Agamemnon opferte für den Einzug in den Trojanischen Krieg das Leben seiner erstgeborenen Tochter Iphigenie und ließ seine Familie für die jahrzehntelange Schlacht alleine in seinem Königreich ...

Beschreibung

Agamemnon opferte für den Einzug in den Trojanischen Krieg das Leben seiner erstgeborenen Tochter Iphigenie und ließ seine Familie für die jahrzehntelange Schlacht alleine in seinem Königreich Mykene zurück. Seine Frau Klytämnestra wünscht sich nichts mehr als den Tod ihrer Tochter zu rächen und seine Tochter Elektra ersehnt nichts mehr herbei als seine Rückkehr, um die Liebe, die ihre Mutter nicht mehr geben kann, zu erfahren. Als Agamemnon heimkehrt, ist an seiner Seite die Priesterin Kassandra, welche er als Kriegsbeute für sich beansprucht und Kassandra sieht durch ihre Visionen, welch Schicksal sie mit den Frauen in Agamemnons Leben vereint…

Meine Meinung

Die Mythen der Antike, besonders die der griechischen Mythologie, üben eine besonders starke Anziehungskraft auf mich aus, sodass nach »Ich, Ariade« auch der zweite Roman von Jennifer Saint auf meinem Lesestapel wanderte.

In »Elektra, die hell Leuchtende« befasst sich Jennifer Saint mit dem Trojanischen Krieg und dessen Auswirkungen auf das Leben spartanischer wie auch trojanischer Frauen. Da ich erst kürzlich zum gleichen Thema den Roman »Wir Töchter von Sparta« von Claire Haywood verschlungen habe, drängen sich natürlich Parallelen, Abweichungen und unterschiedliche Interpretationen auf. Besonders markant ist der Unterschied in der Erzählweise, während Jennifer Saint einen sachlicheren und neutraleren Ton anschlägt, der die Atmosphäre von alten Legenden heraufbeschwört, füllt Claire Haywood ihre Erzählung mit Wärme und schafft damit eine engere Bindung zu den Charakteren und deren Schicksal.

Jede der Erzählweisen hat etwas Gewinnendes vorzuweisen, das einen in den Bann zieht, auch wenn ich zugeben muss, dass ich hier durch das distanziertere Verhältnis zu den Protagonist*innen nicht ganz so stark mitgefiebert habe. Trotzdem fand ich, dass sich die von Jennifer Saint gesponnen Geschichten über die sonst nur als Randnotiz existierenden Frauen in der Mythologie, sich sehr gut in den antiken Legenden eingefügt haben.

Dem Titel nach habe ich in erster Linie eine Story über Elektra erwartet, stattdessen nehmen ihre Mutter Klytämnestra und die trojanische Priesterin Kassandra ebenso viel Raum ein wie der Fluch, mit dem das Geschlecht der Atriden seit Tantalos belegt ist. Die Auswirkungen des blutigen Fluchs bilden einen undurchdringlichen Kreislauf aus Rache und Vergeltung, und Agamemnons Taten verbinden zudem die Schicksale und das große Leid der Frauen miteinander.

Jennifer Saint lässt vor allem Klytämnestra eine Entwicklung durchmachen, die sie selbst zu selbstbestimmtem Handeln führt, wohingegen Elektra und Kassandra weitaus mehr in ihrer Rolle gefangen scheinen. Auf jeden Fall spannend zu lesen, wie sich die Frauen in ihrer leidgeprüften Lage bewähren und verhalten.

Die Geschichte umspannt mehrere Jahrzehnte, was leider durch das Erzähltempo und die Strukturierung nicht so wirklich zur Geltung kommt. Davon abgesehen, habe ich es sehr genossen, mich von den Ideen von Jennifer Saint zu diesem mythologischen Epos mitnehmen zu lassen.

Fazit

Die epische Gewalt aus der griechischen Mythologie geht hier Hand in Hand mit der Geschichte starker Frauen.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 21.02.2023

Veröffentlicht am 17.03.2023

Eine solide Fortsetzung, welche mit Input über die Vergangenheit punkten kann und somit einen spannenden Ausgangspunkt für das Finale legt.

Deep Beyond. Band 2
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Meine Meinung

Der zweite Band des dystopischen Science-Fiction-Thrillers »Deep Beyond« von Mirka Andolfo und David Goy fügt sich nahtlos an das Cliffhanger-Ende des ersten Buches an und entführt die Leserschaft ...

Meine Meinung

Der zweite Band des dystopischen Science-Fiction-Thrillers »Deep Beyond« von Mirka Andolfo und David Goy fügt sich nahtlos an das Cliffhanger-Ende des ersten Buches an und entführt die Leserschaft in die Welt hinter dem Portal, in das sich Paul, Jolene, Lucas und Hermes Rockmorton flüchten. Um einen leichten Einstieg zu gewährleisten, gibt es am Anfang eine Zusammenfassung der Ereignisse aus dem ersten Band.

Hinter dem Portal in der Tiefsee erwartet die Überlebenden eine Welt, bevölkert von außerirdisch wirkenden Kreaturen und jede Menge fortschrittliche Technologie. Der starke Kontrast zu unserer Welt wird durch die Bilder von Andrea Broccardo auf den ersten Blick ersichtlich, denn die Architektur zeichnet sich durch einfache Formen aus und die amphibienartigen Wesen stellen eine Bevölkerung dar, die unserer Spezies friedlich gesinnt scheint.

Gefahr lauert so tief unter Wasser jedoch gleich von mehreren Seiten und unsere Gruppe scheint in diesem Portal, abgeschnitten von der Erde, gefangen zu sein. Die Welt der Amphibien-Spezies wird allerdings nicht sonderlich ausgeschmückt, vielmehr liegt das Augenmerk auf der Gruppendynamik, welche sich durch einen Verrat zusehends spannender gestaltet und des Thrillers um das Überleben der Welt.

Durch Rückblenden wird die Story mit mehr Hintergrund zu den Protagonisten unterfüttert, was für mehr Griffigkeit sorgt. Besonders die Informationen zu Hermes Rockmorton führen weit in die Vergangenheit zurück und decken ein Geheimprojekt der Regierung auf.

Mirka Andolfo und David Goy hantieren auch in diesem zweiten Band mit einigen offenen Handlungssträngen und treiben das Ganze wieder mit einem Cliffhanger auf die Spitze, sodass ich auf jeden Fall gespannt bin, ob das abschließende dritte Buch die Fäden einfangen und zu einem runden Bild verknüpfen kann.

Fazit

Eine solide Fortsetzung, welche mit Input über die Vergangenheit punkten kann und somit einen spannenden Ausgangspunkt für das Finale legt.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 18.02.2023

Veröffentlicht am 17.03.2023

Eine herrlich atmosphärische Schauerstory mit kleinen Defiziten.

Der mexikanische Fluch
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Beschreibung

1950. In einem abgelegenen englischen Herrenhaus in den mexikanischen Bergen lebt die frisch vermählte Catalina bei der Familie ihres Ehemannes. Das junge Glück trügt und ein verstörender ...

Beschreibung

1950. In einem abgelegenen englischen Herrenhaus in den mexikanischen Bergen lebt die frisch vermählte Catalina bei der Familie ihres Ehemannes. Das junge Glück trügt und ein verstörender Brief an ihre Familie führt schließlich ihre Cousine Noemí nach High Place. Die Doyles waren einst eine angesehene Familie, doch ebenso wie die Fassade von High Place, ist auch ihr Ruf bereits verblasst und Noemí findet sich in einem Haus wieder, dass für Albträume sorgt und auch der Gesundheitszustand ihrer Cousine bereitet ihr Kummer. Alleine versucht Noemí dem Geheimnis um Catalinas Zustand auf den Grund zu gehen und gerät bei ihren Nachforschungen über die Familie in die gierigen Fänge von etwas Düsterem…

Meine Meinung

An trüben Wintertagen stecke ich meine Nase gerne in düstere Schauerliteratur. »Der mexikanische Fluch« von Silvia Moreno-Garcia kam mir da genau recht, denn hier wird eine gruselige Story versprochen, die mich an die Schauerromane (Gothic Novels) des 19. Jahrhunderts erinnern.

Die Geschichte spielt allerdings in den 1950er Jahren und trägt sich in High Place, einem abgelegenen englischen Herrenhaus zu, welches für wunderbar gespenstische Vibes sorgt. Die junge Mexikanerin Noemí verlässt ihr Partyleben in Mexiko City und macht sich auf nach High Place, um nach ihrer kranken Cousine Catalina zu sehen, welche einen verworrenen Brief an ihre Familie sandte.

Diese Szenerie bietet jede Menge Potential für eine Gruselgeschichte und Silvia Moreno-Garcia gelingt es fabelhaft eine dichte Atmosphäre ganz im Stile alter Gothic Novels heraufzubeschwören. Dementsprechend gemächlich entwickelt sich der Handlungsverlauf, bei dem Noemí mit ihrem Auftrag im Vordergrund steht. Die junge Frau ist nicht bei allen in High Place willkommen und ist bei ihren Nachforschungen somit auf sich alleine gestellt.

Dies ist vor allem Howard Doyle, dem Patriarchen der Familie geschuldet, denn seine Familie und die Bediensteten leben in einem Schatten der Angst. Kein Wunder, denn auch bei mir sorgt Howard Doyle mit seinen Ansichten und seinem Gebaren für jede Menge Unwohlsein. Auch bei Virgil, seinem Sohn und Ehemann Catalinas, schaudert es einen, denn von ihm geht eine eisige Kälte aus, die nur von dem schüchternen Francis etwas aufgefangen werden kann.

Noemí wird schon bald von schrecklich verstörenden Albträumen heimgesucht und je länger sie in High Place verweilt und dem Familiengeheimnis auf die Spur kommt, umso schlimmer werden diese. Geboten wird also schaurige Momente, jedoch ohne in den Bereich des Horrors abzugleiten. Mir hat das an sich sehr gut gefallen, gerade da die Autorin es versteht eine soghafte Stimmung zu erzeugen, die mich nicht mehr losgelassen hat.

Leider bleiben die Charaktere, welche kaum Sympathiepunkte erzielen, sehr blass und ich hätte mir etwas mehr Bezug zum Handlungsort Mexiko gewünscht. Damit wurden meine Erwartungen an den Roman nicht ganz erfüllt, dennoch habe ich die schaurige Lektüre aufgrund des großartigen Settings genossen.

Fazit

Eine herrlich atmosphärische Schauerstory mit kleinen Defiziten.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 29.01.2023

Veröffentlicht am 21.11.2022

Ein Debütroman, der unbedingt gefunden werden will und in dem man sich hervorragend verlieren kann.

Das Fundbüro der verlorenen Träume
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Beschreibung

Bei ihrer Arbeit im Londoner Fundbüro hat Dot zwischen all den verlorenen Dingen einen Rückzugsort gefunden, denn auch sie hat etwas verloren, dass ihr teuer ist, jedoch nicht mehr zurückgeben ...

Beschreibung

Bei ihrer Arbeit im Londoner Fundbüro hat Dot zwischen all den verlorenen Dingen einen Rückzugsort gefunden, denn auch sie hat etwas verloren, dass ihr teuer ist, jedoch nicht mehr zurückgeben werden kann. Sie geht in ihrem Job auf und liebt nichts mehr als einen verlorenen Gegenstand mit ihrem Besitzer zusammenzubringen. Eines Tages kommt Mr. Appleby, ein älterer Herr, auf der Suche nach einer Ledertasche ins Fundbüro, denn in der Tasche war ein Andenken an seine verstorbene Frau enthalten und da Dot seinen Schmerz allzu gut nachvollziehen kann, setzt sie alles daran, ihn mit seiner Tasche und den darin enthaltenen Erinnerungen wieder zu vereinen. Doch währenddessen verschlechtert sich der Gesundheitszustand ihrer dementen Mutter und Dot muss herausfinden, was sie wirklich will im Leben…

Meine Meinung

Mit dem verheißungsvollen Titel »Das Fundbüro der verlorenen Träume« wurde mein Interesse für Helen Frances Paris Debütroman sofort geweckt und das hübsche Cover tat sein Übriges.

In einer wundervoll bildlichen, fast schon poetischen, Sprache erzählt die Autorin eine berührende Geschichte voller Herz. Im Mittelpunkt der Handlung steht die pedantische sowie kratzbürstige Dot, deren Wesen im Innern der harten Schale butterweich ist. Ich mochte es sehr, wie Helen Frances Paris die Schichten um Dots Kern freilegt, denn unter ihrem Kostüm und der sicheren Fassade ihres Jobs beim Londoner Fundbüro steckt eine fabelhafte Persönlichkeit.

Bevor es jedoch so weit ist, und man die Hintergründe von Dots Vergangenheit scheibchenweise präsentiert bekommt, erhält man einen lebhaften Einblick in das Tagesgeschäft eines Fundbüros, welches durch die liebevollen Beschreibungen der Erzählerin regelrecht zu leuchten beginnt – seien die Ereignisse noch so profan. Nicht nur das Fundbüro bekommt Struktur verliehen, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen von Dot erhalten ihren Raum. Leider bleibt es um diese jedoch recht schablonenhaft und einige Klischees werden bedient, wie z. B. die des übergriffigen Chefs.

Als dann die familiären Umstände Dots auf den Tisch kommen, wird es unheimlich emotional und auch dramatisch, denn Dots Leben kam so richtig aus dem Tritt, als ihr heißgeliebter Vater Suizid beging. Seither hat Dot ihre Träume vom Reisen und Arbeiten als Dolmetscherin auf Eis gelegt und sich lieber in den sicheren Wänden des Fundbüros zwischen all den verlorenen Dingen, die zurückgegeben werden wollen, verkrochen. Außerdem ist da noch ihre demente Mutter, die sich nach einem Sturz im Pflegeheim erholt und ihre ältere Schwester Philippa, zu der sie nicht den allerbesten Draht hat.

Der mit einigen Längen gespickte Verlauf begleitet Dot in ihrer aus Selbstvorwürfen und Schuldzuweisungen gespickten Abwärtsspirale, erst als ihr Leben durch die Belästigung ihres Chefs und der fristlosen Kündigung aus den Angeln gehoben wird, erwacht Dot aus ihrer Starre und beginnt ihre familiäre Vergangenheit aufzuarbeiten, zu sich selbst zu finden und ihre Träume wieder aufleben zu lassen. Leider kommt letzteres etwas zu kurz für meinen Geschmack – denn nach all der Dramatik hätte ich eine Portion mehr Licht vertragen können.

»Das Fundbüro der verlorenen Träume« ist trotz einiger kleiner Schwächen ein zauberhafter Roman über schwermütige Themen, der durch Dots besondere Art und ihr Wesen einen stimmungsvollen Anstrich bekommt.

Fazit

Ein Debütroman, der unbedingt gefunden werden will und in dem man sich hervorragend verlieren kann.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 31.05.2022