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Veröffentlicht am 18.05.2021

Briefe an Herrn Namiya

Kleine Wunder um Mitternacht
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Der Gemischtwarenladen von Yuji Namiya ist kein Geschäft wie jedes andere, denn der Inhaber verkauft nicht nur allerlei, sondern ist ein gefragter Ratgeber. Mithilfe von Briefen erbitten Menschen in Not ...

Der Gemischtwarenladen von Yuji Namiya ist kein Geschäft wie jedes andere, denn der Inhaber verkauft nicht nur allerlei, sondern ist ein gefragter Ratgeber. Mithilfe von Briefen erbitten Menschen in Not bei ihm eine Lösung für ihre Probleme. Eines Nachts suchen die drei Einbrecher Atsuya, Shota und Kohei in dem Laden Unterschlupf und werden auf unerwartete Weise in diese Sache hineingezogen...

„Kleine Wunder um Mitternacht“ ist ein Roman von Keigo Higashino.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus fünf Kapiteln. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven. Handlungsorte und -zeiten variieren ebenfalls. Die geschickt aufgebaute, komplexe Struktur des Romans hat mir sehr gut gefallen.

In sprachlicher Hinsicht hat mich die deutsche Ausgabe leider enttäuscht. Der offenbar ohnehin recht einfache Stil des Originals wird durch eine in einigen Passagen missglückte Übersetzung gänzlich verschandelt. So entstehen mehrere Stellen, die sich nicht recht erschließen. Wobei: Interessanterweise spricht der Verlag gar nicht von einer „Übersetzung“, sondern einem „Übertragen ins Deutsche“. Zudem ist dem Korrektorat noch etliches durchgerutscht.

Die Charaktere sind reizvoll ausgestaltet. Anders als der deutsche Klappentext vermuten lässt, stehen nicht nur die drei Kleinkriminellen im Vordergrund. Besonders sympathisch finde ich Herrn Namiya selbst, der jedoch relativ wenig Raum erhält. Zwar ist es bei dem Umfang an Personen nicht immer leicht, den Überblick zu behalten. Gut gefallen haben mir aber die vielen Verknüpfungen der Figuren untereinander.

Die Grundidee des Romans finde ich sehr charmant. Inhaltlich geht es vor allem um persönliche Schicksale von Menschen, die sich in einem Dilemma befinden. Die geschilderten Fälle sind interessant und durchaus vielschichtig.

Auf rund 400 Seiten bleibt die Geschichte kurzweilig und abwechslungsreich. Dazu trägt auch eine Komponente des magischen Realismus bei, die sich durch die gesamte Handlung zieht und nachvollziehbar ist. Dabei kommt der Autor zwar nicht an andere schriftstellerische Größen wie Haruki Murakami heran, hat mich mit der Umsetzung aber durchaus überzeugt. Weniger gelungen ist aus meiner Sicht dagegen das letzte Kapitel, das zuerst mit einer Wendung überrascht, dann aber ins Kitschige abgleitet.

Das Cover ist ziemlich nichtssagend, aber hübsch. Der deutsche Titel ist nach meinem Verständnis nicht ganz korrekt.

Mein Fazit:
„Kleine Wunder um Mitternacht“ von Keigo Higashino ist ein unterhaltsamer und besonderer Roman, der jedoch nicht ohne Schwächen ist. Vor allem die misslungene Übertragung ins Deutsche schmälert den ansonsten positiven Gesamteindruck.

Veröffentlicht am 12.05.2021

Zwischen Tradition und Moderne

Laudatio auf eine kaukasische Kuh
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Olga Evgenidis, die Tochter georgischer Einwanderer, ist auf dem besten Weg, Ärztin zu werden. Auch privat läuft es für die junge Frau gut, denn sie ist mit dem 28-jährigen Felix van Saan liiert, den es ...

Olga Evgenidis, die Tochter georgischer Einwanderer, ist auf dem besten Weg, Ärztin zu werden. Auch privat läuft es für die junge Frau gut, denn sie ist mit dem 28-jährigen Felix van Saan liiert, den es ebenfalls in die Medizin drängt. Mit ihm will sie den Rest ihres Lebens verbringen. Doch dann begegnet ihr Jack Jennerwein, ein Lebenskünstler und Hallodri, der Gefallen an Olga findet und nicht mehr so schnell abzuschütteln ist...

„Laudatio auf eine kaukasische Kuh“ ist ein Roman von Angelika Jodl.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog, an den sich 14 Kapitel mit einer angenehmen Länge anschließen. Erzählt wird im Präsens aus der Sicht von Olga und aus der von Jack, jeweils im Wechsel. Dieser Aufbau funktioniert gut.

Der Schreibstil ist anschaulich und lebhaft. Er ist geprägt von vielen äußeren Dialogen und inneren Monologen.

Olga ist eine gleichsam reizvolle wie sympathische Protagonistin, die ich schon nach wenigen Seiten in mein Herz geschlossen habe. Ihr Fleiß, ihr Ehrgeiz, ihre Schlagfertigkeit und ihre erfrischende Art zeichnen sie aus. Weniger überzeugt haben mich die beiden männlichen Hauptfiguren des Romans, Felix und Jack, deren Faszination auf Olga sich mir nicht so recht erschlossen hat.

Auf unterhaltsame Weise bringt die Autorin ihrer Leserschaft das Land Georgien und seine Kultur nahe. Der Roman hat dabei einige skurrile Situationen und eine originelle Handlung auf Lager. Immer wieder gibt es humorvolle Passagen, die die rund 330 Seiten zu einem kurzweiligen Lesevergnügen machen. Gleichzeitig lässt sich Wissenswertes aus der Lektüre ziehen.

Thematisch bietet der Roman darüber hinaus ein weitreichendes Spektrum: Die Aspekte Migration, Diskriminierung, Identität, Klassenunterschiede, Traditionen und Rollenbilder geben einen guten Stoff zum Nachdenken und Diskutieren ab. Diese inhaltlichen Komponenten machen die Geschichte aktuell und facettenreich. Eine große Rolle spielt auch die Familie und deren Zusammenhalt. Alles in allem hätte ich mir jedoch noch ein wenig mehr Tiefgang gewünscht, denn die Liebesgeschichte nimmt sehr viel Raum ein und rückt die anderen Themen zu sehr in den Hintergrund.

Ungewöhnlich sind sowohl das Cover der gebundenen Ausgabe als auch der Titel. Beides finde ich passend und ansprechend.

Mein Fazit:
„Laudatio auf eine kaukasische Kuh“ von Angelika Jodl ist ein humorvoller und kurzweiliger Roman, der mich gut unterhalten hat. Leider bleibt die Geschichte in einigen Punkten aber etwas zu oberflächlich und schöpft daher ihr Potenzial nicht komplett aus.

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Veröffentlicht am 08.05.2021

Wie man ein Leben retten kann

Zwischen zwei Herzschlägen
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Die englische Stadt Brighton im Jahr 1999: Bei einem Fußballspiel bricht der 17-jährige Joel Greenaway zusammen - wegen eines plötzlichen Herzstillstands. Doch er hat Glück. Die gleichaltrige Kerry Smith ...

Die englische Stadt Brighton im Jahr 1999: Bei einem Fußballspiel bricht der 17-jährige Joel Greenaway zusammen - wegen eines plötzlichen Herzstillstands. Doch er hat Glück. Die gleichaltrige Kerry Smith und ihr Kumpel Tim Palmer, zwei ausgebildete Ersthelfer, beobachten den Vorfall. Sie retten Joel vor dem Tod. Dieses Ereignis verbindet die jungen Leute in ihrem weiteren Leben. In den nächsten Jahren steht die angehende Medizinerin Kerry zwischen den beiden Männern. Nur einer ist der Richtige für sie, aber das Schicksal treibt ihn immer wieder von ihr fort...

„Zwischen zwei Herzschlägen“ ist ein Roman von Eva Carter.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus etlichen Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird abwechselnd in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Kerry, Joel und Tim. Die Handlung beginnt am 31. Dezember 1999 und umfasst mehrere Jahre. Zeitangaben zu Beginn der Kapitel helfen bei der Orientierung.

Der Schreibstil ist anschaulich und dank vieler Dialoge lebhaft. Sprachlich spiegelt der Roman das Alter der Charaktere wider.

Drei Protagonisten stehen im Fokus des Romans. Kerry war mir auf Anhieb sympathisch. Mit den beiden männlichen Hauptpersonen, Joel und Tim, wurde ich dagegen nicht so richtig warm.

Gut gefallen hat mir, dass man nebenbei etwas über Erste Hilfe im Allgemeinen und Wiederbelebung und Herzgesundheit im Speziellen lernt. Die sogenannte Überlebenskette wird genau erklärt. Dabei ist nicht erst im Nachwort spürbar, dass es der Autorin ein großes Anliegen ist, über dieses Thema aufzuklären und eine Botschaft zu vermitteln. Dies bringt Tiefgang in die Geschichte und trägt dazu bei, dass mich das Buch immer wieder emotional bewegen konnte.

Ich habe den Roman als ungekürzte Lesung angehört. Die drei Sprecher - Madiha Kelling Bergner, Jacob Weigert und Marian Funk - haben angenehme Stimmen. Die teilweise übertriebenen Betonungen empfinde ich jedoch als etwas störend.

Das Cover ist leider nicht nach meinem Geschmack. Der deutsche Titel ist zutreffend, aber anders als das englischsprachige Original („How to Save a Life“), dessen Formulierung mir etwas mehr zusagt.

Mein Fazit:
„Zwischen zwei Herzschlägen“ von Eva Carter ist ein unterhaltsamer und berührender Roman. Zwar konnten mich die Charaktere nicht ganz überzeugen, aber durch die Auffrischung der Infos zu Erster Hilfe ließ sich für mich einiges aus der Geschichte mitnehmen.

Veröffentlicht am 30.04.2021

Junge hat schweres Leben

Der Junge, der das Universum verschlang
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Australien in den 1980er-Jahren: Das Leben von Eli Bell in einem Vorort von Brisbane ist nicht einfach. Der Vater des Jungen ist verschwunden, sein Stiefvater ist ein Drogendealer und auch die Mutter ist ...

Australien in den 1980er-Jahren: Das Leben von Eli Bell in einem Vorort von Brisbane ist nicht einfach. Der Vater des Jungen ist verschwunden, sein Stiefvater ist ein Drogendealer und auch die Mutter ist mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Doch Slim, ein ehemaliger Häftling, passt auf den zwölfjährigen Eli und dessen Bruder August auf. Der Junge hat einen Traum. Aber es gibt noch einige Hindernisse zu überwinden...

„Der Junge, der das Universum verschlang“ ist der Debütroman von Trent Dalton.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus relativ kurzen Kapiteln. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Eli. Die Handlung umfasst mehrere Jahre.

Der Schreibstil ist recht ungewöhnlich und markant. Er ist geprägt von originellen Vergleichen, starken Sprachbildern und Wortneuschöpfungen. Die Sprache ist oft flapsig, teilweise ziemlich derb, wirkt aber durchaus authentisch. Das trifft vor allem auf die zahlreichen Dialoge zu. Kreativ ist auch, dass die Kapitelüberschriften immer aus drei Worten bestehen und fast ausschließlich mit dem Wort „Junge“ beginnen, auf den ein Prädikat folgt. Eingefügt sind mehrere Briefe und Artikel.

Die Protagonisten sind interessante Charaktere. Es fiel mir nicht schwer, mit dem sympathischen Eli mitzufühlen. Auch die Nebenfiguren sind reizvoll ausgestaltet.

Mit rund 500 Seiten ist der Roman recht umfangreich und hat gleichzeitig nur wenige Längen. Der Einstieg war für mich jedoch ein wenig verwirrend. Danach konnte mich die Geschichte immer mehr für sich einnehmen.

Inhaltlich ist die Geschichte ebenfalls sehr speziell. Thematisch geht es um Freundschaft, Familie, das Heranwachsen und wahre Liebe. Darüber hinaus steckt aber auch ernste Problematik in der Geschichte, denn Gewalt und Kriminalität spielen unter anderem ebenfalls eine große Rolle. Das macht den Roman facettenreich und berührend. Anzumerken ist dabei, dass er der Leserschaft einiges abverlangt.

Der deutsche Titel ist erfreulicherweise nahe am australischen Original („Boy swallows Universe“). Das Cover ähnelt ebenso der Gestaltung der Erstausgabe, was mir gut gefällt.

Mein Fazit:
„Der Junge, der das Universum verschlang“ von Trent Dalton ist ein ungewöhnlicher Roman, der trotz kleinerer Schwächen in mehrerer Hinsicht besonders ist.

Veröffentlicht am 17.04.2021

Wenn gesellschaftliche Erwartungen nicht erfüllt werden

Unterwasserflimmern
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Mit ihrem Freund, dem Architekten Emil, ist sie seit neun Jahren zusammen. Nun ist er 40 und wünscht sich endlich Kinder und ein Haus. Doch auch mit Anfang 30 ist die Redakteurin eines Magazins nicht bereit ...

Mit ihrem Freund, dem Architekten Emil, ist sie seit neun Jahren zusammen. Nun ist er 40 und wünscht sich endlich Kinder und ein Haus. Doch auch mit Anfang 30 ist die Redakteurin eines Magazins nicht bereit dazu. Sie vermisst die Unbeschwertheit der ersten Beziehungsjahre, möchte lieber weiterhin viel reisen, bis spät abends arbeiten und die Nächte durchtanzen. Und sie pflegt eine Affäre mit dem Endvierziger Leo, der verheiratet ist. Als auch Emil fremdgeht und den Seitensprung beichtet, ergreift sie die Flucht...

„Unterwasserflimmern“ ist das Romandebüt von Katharina Schaller.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vier Teilen, die wiederum in kurze Abschnitte gegliedert sind. Erzählt wird im Präsens und in chronologischer Reihenfolge in der Ich-Perspektive aus der Sicht der Protagonistin.

Der Schreibstil ist die wohl größte Stärke des Romans. Trotz einer meist sehr einfachen Syntax ist er eindringlich und atmosphärisch. Die Sprache ist sehr direkt, teilweise derb bis vulgär, aber auch authentisch.

Im Vordergrund steht die namenlose Protagonistin, eine junge Frau, mit der ich mich nicht identifizieren kann und die ich nicht als sympathisch empfunden habe. Sie wirkt allerdings lebensnah. Etwas gestört hat mich, dass sie einen solch unreifen und egoistischen Eindruck macht und im Laufe des Romans keine deutliche Entwicklung erkennen lässt. Zudem tauchen einige weitere Charaktere auf, von denen manche recht blass bleiben.

Inhaltlich geht es darum, dass viele junge Frauen gesellschaftlichen Ansprüchen und Vorstellungen wie Ehe und Mutterschaft nicht gerecht werden können oder wollen, dass sie sich durch Sexualität ausdrücken und dass auch andere Lebensmodelle in Ordnung sind. Diese Form der Gesellschaftskritik kann ich unterschreiben. Sie taucht viel zu selten in Romanen auf. Die Grundthematik halte ich daher für begrüßenswert. Deren Umsetzung hat mich jedoch nicht ganz überzeugt. Die Unentschlossenheit und das widersprüchliche Verhalten der Protagonistin verwässern den Ansatz sehr. Zudem habe ich den Eindruck, dass etwas dick aufgetragen wurde, indem die Protagonistin beinahe jede moralische Grenze überschreitet.

Und doch hat dieser Roman etwas, das mich gefesselt und mich fasziniert hat, so dass ich das Buch nur ungern zur Seite gelegt habe. Schon nach wenigen Sätzen entsteht ein Lesesog, der über die rund 230 Seiten nicht abgeschwächt wurde. Gut gefallen hat mir auch, dass es im letzten Teil noch zwei unerwartete Wendungen gibt, obwohl ich eine davon eher unglaubwürdig finde. Zur Geschichte passt es außerdem, dass am Ende noch ein paar Fragen offen bleiben.

Das moderne Cover gefällt mir optisch sehr gut. Das Motiv passt ebenfalls. Der prägnante und dennoch kreativ formulierte Titel ist eine gute Wahl.

Mein Fazit:
„Unterwasserflimmern“ von Katharina Schaller ist ein intensiver und ungewöhnlicher Roman mit einer interessanten Thematik, aber kleineren Schwächen. Alles in allem ein lesenswertes Debüt.