Ein Verwirrspiel mit den Gefühlen
Wem kann ich vertrauen? Diese Frage stellt sich dem Protagonisten von William Boyds Roman "Eine grosse Zeit", dem jungen Schauspieler Lysander Rief, im Verlauf der Geschichte mehr und mehr, wird er doch ...
Wem kann ich vertrauen? Diese Frage stellt sich dem Protagonisten von William Boyds Roman "Eine grosse Zeit", dem jungen Schauspieler Lysander Rief, im Verlauf der Geschichte mehr und mehr, wird er doch 1913 aus heiterem Himmel in Wien - dort hielt er sich eigentlich wegen einer Psychotherapie auf - verhaftet und der Vergewaltigung bezichtigt.
Dadurch verändert sich sein ganzes Leben, denn auch der britische Geheimdienst kommt ins Spiel. Nicht lange, dann beginnt der erste Weltkrieg mit all seinen Wirren, Lysander gerät im wahrsten Sinne des Wortes in die Schusslinie und in einen Strudel der Ereignisse, der alle Lebensbereiche betrifft und weiß nicht mehr, wem er noch trauen kann: dies umfasst auch die engsten Familienmitglieder und Freunde.
Nicht die politische Situation an sich ist es, die hier im Mittelpunkt steht, nein, es geht vielmehr um jähe, unerwartete Veränderungen. So ist das Setting des Romans durch den Kulturbetrieb und die intellektuellen Kreise jener Zeit geprägt, nicht durch den Militarismus und andere politische Elemente, die eher den Rahmen bilden.
Aber Details nachzuerzählen wäre müßig: all das beschreibt der großartige britische Autor William Boyd - den ich bereits seit Mitte der 1980er Jahre verehre - so treffend, spannend und sprachlich so ansprechend, dass ich von Herzen eine Leseempfehlung für dieses Buch aussprechen möchte.
Wer also erfahren möchte, welch fatale Folgen der stümperhafte Gebrauch von Französisch haben kann, was "Verzauberte" sind oder wer einfach in die Atmosphäre des Umschwungs im "Alten Europa" eintauchen will, die von Boyd trefflich transportiert wird, kurzum: wer auf intelligente Weise bestens unterhalten werden will und auch mal gern einen Spionageroman zur Hand nimmt, der kommt um dieses wundervolle Werk nicht herum.