Ich lieb's!
„ich schwimme durch mich selbst hindurch und habe meine taucherbrille in der umkleide liegen gelassen das heißt ich bin ein blindfisch. (...)
& ich habe keine antworten ich habe keine einzige mit augen ...
„ich schwimme durch mich selbst hindurch und habe meine taucherbrille in der umkleide liegen gelassen das heißt ich bin ein blindfisch. (...)
& ich habe keine antworten ich habe keine einzige mit augen die nicht für die umgebung gemacht wurden es lässt sich nichts erkennen und nichts begreifen im verschwommenen.“ (S. 28)
Zwei junge Frauen, zwei Geschichten, und die Hindernisse des gegenwärtigen Lebens – boah shit! Charles‘ Eltern drehen auf einmal nämlich richtig durch: Ihr Vater läuft nackt durch Charlottenburg, um ein Exempel zu statuieren und ihre Mutter ist auf einem ätherischen Trip, weshalb sie plötzlich beschließt, dass die ganze Familie aus Berlin in eine kleine Hippie-Gemeinde nahe Hildesheim zieht. Wehren kann sie sich nicht, doch ihr Oktopus-Stofftier, ihre neue Bananenpalme und nicht zuletzt Gerd, ein weißes Pony, helfen ihr, nicht durchzudrehen und sich mit der Situation irgendwie zu arrangieren. Gwens Familie hingegen ersäuft in ihrem Wohlstand und der Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen und Gefühlen ihrer Tochter, und so findet sie in unter ihren Gangster-Klamotten Schutz, rebelliert und führt ein wildes Leben, um der Etepetete-Gesellschaft zu entkommen. Da scheint es Schicksal zu sein, dass sich Charles und Gwen in dem kleinen Kiosk treffen, und ihre Einsamkeit gemeinsam besiegen.
„Unsere anarchistischen Herzen“ ist ein Rausch aus blauen und roten Akzenten, aus Wut und Einsamkeit, voll von Humor und sensibler Ansprache – aber Gefühle anderen gegenüber zu zeigen wäre viel zu whack, und was da hilft ist eine stabile Fassade, die Unantastbarkeit und Stärke suggerieren sollen. Und genau diese hat Lisa Krusche den Protagonistinnen in ihrem Debütroman grandios aufgebaut: Der Background der beiden Frauen ist grundverschieden, und doch verbindet sie beide eine fragile Familie, der die Bedürfnisse, die Gefühle der Töchter scheinbar unwichtig sind, solange ihr Prestige nach außen hin besteht. Gwen ist unglaublich sensibel, verletzlich und hat bereits in ihrem jungen Leben schon unzählbare sexuelle Übergriffe erlebt, verbal wie physisch, doch sagt selbst, dass es nie jemanden gab, dem sie davon hätte erzählen können.