Grandios!
„Vielleicht werden die Leute so zu Aasgeiern: Man kauft alles um sich herum auf, aus Angst vor dem, was man nicht hat, nicht vor dem, was einem schon gehört. Also kauft man noch etwas dazu, wohl oder übel, ...
„Vielleicht werden die Leute so zu Aasgeiern: Man kauft alles um sich herum auf, aus Angst vor dem, was man nicht hat, nicht vor dem, was einem schon gehört. Also kauft man noch etwas dazu, wohl oder übel, gezwungenermaßen, kauft und kauft, denn immer gibt es einen Zaun und jemanden jenseits davon.“ (S. 359)
Zeit für Veränderung – das dachten sich Osnat und ihr Mann Dror, als sie gemeinsam mit den beiden Töchtern Hamutal und Hannah in ein äußerlich schäbiges, noch nicht gentrifiziertes Viertel Tel Avivs ziehen, das aber in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach boomen wird. Es scheint ein Wink des Schicksals zu sein, dass sie schnell Freunde mit kleinen Kindern finden, die sie in die Geheimnisse des Lebens des Viertels einweihen – doch nicht alles scheint so zauberhaft, wie sie es sich vorgestellt hatten: ein mürrischer Nachbar, der grundlos unfreundlich ist, Sachbeschädigung, Einbrüche und Diebstahl. Übertreiben sie nur, angestachelt von Gerüchten der Nachbarn, den abwertenden Kommentaren ihrer Familien, oder was steckt hinter all dem?
Bissig und rasant, an der Grenze zwischen Wahnsinn und Genialität erzählt Noa Yedlin in „Leute wie wir“ von einer Mittelstandsfamilie, die der städtebaulichen Entwicklung einen Schritt voraus sein will, und sich doch irgendwie fehl am Platz fühlt. Doch es sind nicht nur die externen Scherereien der Nachbarschaft, des Viertels, die besonders Osnat zu schaffen machen: Seit ihrem Umzug werden die Abgründe der Familiendynamik immer sichtbarer, schweifen ihre Gedanken immer öfters um Sex und um vergangene Liebeleien. Sie macht sich Sorgen um ihre ältere Tochter Hamutal, zweifelt an der Ehrlichkeit ihres Mannes ihr Gegenüber, schwankt zwischen Neid gegenüber ihrer Schwester und deren scheinbar intakter, ach so perfekter Familie, und Frustration ob ihrer Situation.
Wie grandios Noa Yedlin all diese Themen sprachlich verpackt hat, beeindruckte mich von der ersten Seite an: Der zunächst dichte Schriftsatz schreckt auf den ersten Blick vielleicht ein wenig ab, doch schon auf den zweiten wurde ich eingesogen,