Hinter den Wolken leuchtet ein neuer Tag – Liane Wilmes
Vorab muss ich erwähnen, dass es sich hierbei um einen klassischen Frauen-Unterhaltungsroman handelt, eine Liebesgeschichte eben.
Gerade zu Beginn ...
Hinter den Wolken leuchtet ein neuer Tag – Liane Wilmes
Vorab muss ich erwähnen, dass es sich hierbei um einen klassischen Frauen-Unterhaltungsroman handelt, eine Liebesgeschichte eben.
Gerade zu Beginn ist mir der recht einfache, teils etwas plumpe Schreibstil aufgefallen. Auf Formulierungen wie: „sie ahnte nicht, was am nächsten Tag passieren würde…“ kann ich eigentlich gut verzichten. Auch die Handlung ist im Prinzip doch recht vorhersehbar. Aber wie gesagt, das ist eine Geschichte fürs Herz. Und dahingehend hat mich Frau Wilmes spätestens in der zweiten Hälfte doch überzeugt.
Eine nette Liebesgeschichte mit viel Herzschmerz, zur Abwechslung habe ich das wirklich sehr genossen. Deshalb von mir 4 Sterne, auch wenn es mit dem literarischen Wert nicht weit her ist.
New York Ghost – Ling Ma
Das hier ist eine Dystopie, die gerade in Corona-Zeiten sehr bedrückend wirkt. Nein, es geht hier nicht um einen Virus, sondern um einen tödlichen Pilz, der das Shen-Fieber hervorruft ...
New York Ghost – Ling Ma
Das hier ist eine Dystopie, die gerade in Corona-Zeiten sehr bedrückend wirkt. Nein, es geht hier nicht um einen Virus, sondern um einen tödlichen Pilz, der das Shen-Fieber hervorruft und nahezu die gesamte Bevölkerung ausgelöscht hat. Hat man sich erstmal infiziert, gibt es keine Hoffnung mehr. Jeder Leser muss selbst wissen, ob er in der aktuellen Situation Lust auf eine derartige Story hat.
Candace Chen lebt und arbeitet in der Metropole New York. Obwohl das Shen-Fieber um sich greift und viele Überlebende aufs Land fliehen, bemerkt sie kaum, wie sich die Stadt rapide leert. Aus einer chinesischen Einwandererfamilie stammend, besitzt sie keine Wurzeln in der neuen Heimat. Als eine der allerletzten verlässt sie schließlich doch New York und schließt sich einer Gruppe von Überlebenden an.
Dieser Roman ist in drei Erzählsträngen angelegt. Die Gegenwart behandelt die Flucht aus New York und die Reise mit der Überlebendengruppe, deren Konflikte, etc. Es ist knallhart erzählt mit einigen recht brutalen Szenen. Dann gibt es noch einen Strang, der nur wenige Wochen, bzw. Monate früher angesiedelt sein dürfte. Hier wird das (Arbeits-)Leben von Candace skizziert. Man erfährt, wie das Fieber um sich greift, die Stadt immer leerer wird. Ein dritter Handlungsstrang geht zurück bis in die Kindheit von Candace in China und die Umsiedlung mit den Eltern. Diesen dritten Teil, der auch immer wieder eingeflochten wird, hätte ich persönlich jetzt nicht gebraucht. Es hat sich mir nicht erschlossen, warum die Infos über ihre Herkunftsfamilie für das weitere Geschehen relevant sein sollten.
Besonders interessant fand ich, dass diese Pilzsporen über billige chinesische Konsumgüter in die ganze Welt verteilt wurden. Zum Einen natürlich doch wieder der chinesische Ursprung des Corona-Virus, vor allen Dingen aber ist es eine beißende Kritik am Kapitalismus der immer wieder ganz deutlich zur Sprache kommt. Obwohl Candace sich des Problems durchaus bewusst ist, hält sie, scheinbar mangels Alternativen, bis zum Schluss verbissen an ihrem Job fest. Angesichts der leeren Stadt eine groteske Vorstellung.
Idee und Hintergrund fand ich also extrem interessant und lesenswert. Bereits des Öfteren ist es mir allerdings passiert, dass ich beim Lesen asiatischer Autoren eine gewisse Distanz nicht überbrücken konnte. Candace blieb mir fremd, ihre Gefühle spielen nur eine untergeordnete Rolle, ihre Handlungen sind von daher nicht immer nachvollziehbar. Die Handlung ist spannend, teils brutal, oft recht offenherzig erzählt (gerade was sexuelle Kontakte in der Großstadt betrifft), trotzdem ist da eine Sachlichkeit, die mich zum Außenstehenden machte, mich nicht so ganz in die Geschichte hineinließ.
Wer Endzeitstorys und Geschichten über Pandemien mag, ist hiermit sicherlich gut bedient. Ling Ma hat eine kluge und anspruchsvolle Dystopie geschrieben, der ich noch viele Leser wünsche. 4 Sterne.
Das scheint das Jahr der Sommer-Bücher zu sein. Zumindest hab ich in den letzten Monaten einige davon gelesen und auch dieses hier konnte mich wieder in meine Jugend zurückversetzen ...
Der große Sommer – Ewald Arenz
Das scheint das Jahr der Sommer-Bücher zu sein. Zumindest hab ich in den letzten Monaten einige davon gelesen und auch dieses hier konnte mich wieder in meine Jugend zurückversetzen und ehrlich begeistern.
Es sieht nicht gut aus für Frieder. Um das Schuljahr doch noch zu bestehen, muss er in Mathe und Latein in die Nachprüfung. Das bedeutet, die Familie fährt ohne ihn in den Urlaub. Frieder ist zum Lernen beim gestrengen Großvater verdonnert. Tolle Aussichten. Und doch wird es am Ende ein toller Sommer. Denn er hat seine Schwester Alma und den besten Freund Johann, außerdem das Mädchen Beate, das er im Bad kennenlernt. Auch der Großvater mit seiner spröden Art entpuppt sich als ganz in Ordnung. Es passiert viel in diesen sechs Wochen. Frieder lernt die Liebe kennen und den Tod – und noch vieles mehr. Ein typischer coming-of-age-Roman eben. Aber schön.
Ewald Arenz hatte mich mit seinem unaufgeregten Schreibstil bereits ab der ersten Seite. Ich saß mit Frieder und Johann im Klassenzimmer. Es ist die Rückgabe des letzten, alles entscheidenden Tests – eine Sechs in Latein. Und wer kennt es nicht, dieses bange Gefühl aus der eigenen Schulzeit. Es war alles wieder da. Frieder ist ein ganz gewöhnlicher Jugendlicher mit ganz normalen Sorgen und Problemen. Herr Arenz hat ganz offensichtlich ein Gefühl dafür und versetzt seine Leser unmittelbar zurück in die eigene Jugend.
Ich habe diesen Roman sehr gerne gelesen und sehr genossen. Trotz allen Lobes gibt es von mir aber dennoch nur 4 Sterne. Zum Einen, weil der Erzählstil sowohl plottechnisch als auch sprachlich etwas raffinierter hätte sein können. Zum Anderen, weil gerade in diesem Jahr ein Buch mit ganz ähnlichen Themen erschienen ist, das mich noch deutlich mehr begeistern konnte: Hard Land von Benedikt Wells.
Nichts destotrotz – eine große Leseempfehlung von mir!
Hilfe, ich habe meiner superschlauen Schwester das Gehirn geklaut! – Jo Simmons
Keith hat es nicht leicht, steht er doch ganz im Schatten seiner genialen großen Schwester Min, die reihenweise Turniere ...
Hilfe, ich habe meiner superschlauen Schwester das Gehirn geklaut! – Jo Simmons
Keith hat es nicht leicht, steht er doch ganz im Schatten seiner genialen großen Schwester Min, die reihenweise Turniere und Wettbewerbe gewinnt. Eines Tages findet er heraus, dass sie dafür auch noch Geldpreise gewinnt! Mit einem solchen Preisgeld könnte er endlich zur Erfindermesse fahren! Doch wie kommt er nur an all das Wissen seiner Schwester?
Es geht chaotisch zu in diesem Kinderbuch. Mit dem deftigen Greg-Humor und witzigen Illustrationen trifft der Autor auch hier wieder genau den Nerv der Zielgruppe. Bei mir ein Elfjähriger, der laute Lachsalven aus dem Kinderzimmer hören ließ. Meinen persönlichen Erwachsenengeschmack hat das Buch nicht unbedingt getroffen. Einiges war mir zu abgedreht, anderes pädagogisch fragwürdig. Auch die Kernaussage fand ich nicht konsequent umgesetzt.
Dennoch ist es ein Buch, das sonst eher lesefaule Jungs anspricht. Diese sind davon begeistert – also schließe ich mich weitgehend an und vergebe 4 Sterne.
Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte – Tatiana Tibuleac
Es ist der blanke Hass, der dem Leser gleich auf den ersten Seiten dieses ungewöhnlichen Romans entgegenschlägt. Ungefiltert und beinahe unerträglich ...
Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte – Tatiana Tibuleac
Es ist der blanke Hass, der dem Leser gleich auf den ersten Seiten dieses ungewöhnlichen Romans entgegenschlägt. Ungefiltert und beinahe unerträglich stark sind die negativen Gefühle, die der siebzehnjährige Aleksy seiner Mutter gegenüber empfindet. Nach einer schwierigen Kindheit holt sie ihn aus dem Erziehungsheim ab, um einen ganzen Sommer in Nordfrankreich mit ihm zu verbringen. Was Anfangs unvorstellbar erscheint, wird tatsächlich ein Urlaub, der alles verändert.
Dieser Roman beginnt richtig stark. Aleksys Hass erschlägt einen regelrecht. Was ist passiert, dass er seine Mutter so sehr hasst? Die Sprache ist knallhart, spiegelt seine Gedanken wider, wie eben ein Siebzehnjähriger, der von der ganzen Welt enttäuscht ist, so denken mag. Mit sämtlichen Beleidigungen, auch unterhalb der Gürtellinie. Der Erzählstil ist zudem sprunghaft, abrupt.
Wie gesagt, dieser spezielle Stil hat mich gerade im ersten Teil sehr begeistert. Eindringlich und besonders. Diese Begeisterung hat dann aber stark nachgelassen. Zu unwahrscheinlich manche Entwicklung, zu sehr schwarz-weiß manche Darstellung. Durch die etwas sprunghafte Erzählweise blieb doch vieles ungeklärt und sehr offen. Zu viele Bruchstücke, die mir für eine runde Geschichte fehlten.
Dennoch – sowohl Aleksy als auch seine Mutter machen eine wahnsinnige Entwicklung durch, die wirklich schön zu verfolgen ist. Damit reiht sich dieser Roman ein in eine ganze Riege „dieser-eine-spezielle-Sommer-Bücher“, die dieses Jahr scheinbar vermehrt erscheinen. Allerdings hab ich bereits mehrere gelesen, die mir besser gefallen haben. Deshalb reicht es hier gerade noch für 4 Sterne!