"Das Leben ist eine Reise. Nimm nicht zu viel Gepäck mit." (Billy Idol)
Ihren Beruf als Hebamme füllt Nela Westhues mit viel Liebe und Leidenschaft aus, allerdings fühlt sie sich dem immer größer werdenden Druck in der Münchner Klinik nicht mehr gewachsen. Auch ihre gerade ...
Ihren Beruf als Hebamme füllt Nela Westhues mit viel Liebe und Leidenschaft aus, allerdings fühlt sie sich dem immer größer werdenden Druck in der Münchner Klinik nicht mehr gewachsen. Auch ihre gerade in die Brüche gegangene Beziehung zehrt an ihren Kräften, so dass die ärztlich verordnete Auszeit gerade recht kommt und Nela auf ihrer Heimatinsel Norderney zurückbringt. Kaum im Elternhaus eingetroffen, merkt Nela, dass ihr so manche Last von der Seele fällt. Allerdings fallen Nela auch so einige Veränderungen auf, vor allem bei Oma Alma, denn die vergisst immer mehr. Jugendfreund Thore bringt so manche bittersüße Erinnerung an die Oberfläche, ebenso bringt die neue Bekanntschaft mit Simon die Schmetterlinge in ihrem Bauch zum Fliegen. Zusätzlich denkt Nela über ein eigenes Geburtshaus auf Norderney nach. Wird sie nach München zurückkehren, oder setzt sie ihre Pläne in die Tat um?
Emma Jacobsen hat mit „Die Inselhebamme“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der allein schon mit den Inselbeschreibungen das Urlaubsfeeling in das Herz des Lesers bringt. Schnell kann sich der Leser von dem flüssigen, farbenfrohen und gefühlvollen Erzählstil gedanklich davontragen lassen, um an der Seite von Nela zu landen und einige ereignisreiche Tage mit ihr zu verbringen. Ihre Situation in der Klinik ist ebenso nachvollziehbar wie ihre Flucht aus München nach Norderney, denn Nela steht an einem Wendepunkt, wo sie entscheiden muss, wie es mit ihr zukünftig weitergehen soll. Aber auch in der eigenen Familie gibt es so einige Baustellen, die angegangen werden müssen, zumal es sich so anfühlt, als hätten die engsten Verwandten schon lange nicht mehr miteinander geredet oder sich umeinander gekümmert. Dafür gewinnt die Oberflächlichkeit die Oberhand, in dem sie sozialen Medien an Wichtigkeit gewinnen, bis man damit richtig fett auf die Nase fällt und plötzlich allein dasteht. Die zwischenmenschlichen Beziehungen hat die Autorin sehr schön ins Bild gesetzt, allerdings geht aufgrund der Vielzahl an Themen Neles eigene Zukunftsplanung irgendwie unter, zu sehr liegt die Konzentration auf anderen Problemlösungen.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und holen den Leser mit ihren menschlichen Ecken und Kanten schnell in ihre Mitte, der ihnen auf den Fersen folgt und ihr Schicksal hautnah mitverfolgt. Nela ist eine freundliche und warmherzige Frau, die vor einigen weitreichenden Weichenstellungen in ihrem Leben steht. Die zu treffenden Entscheidungen verunsichern sie und lassen sie unentschlossen wirken. Oma Alma ist eine alte Dame, die nicht nur immer vergesslicher wird, sondern vor allem dem Alkohol gern zuspricht, was sie allerdings ganz gut zu verbergen weiß oder ihrem nächsten Umfeld nicht auffällt. Schwester Tini wirkt sehr naiv und weltfremd, vor allem im Umgang mit den sozialen Medien. Wer sich mit Wölfen bettet, der muss sich über Flöhe nicht wundern! Aber auch Thore, Finja, Simon und weitere Protagonisten mischen die Handlung etwas auf.
„Die Inselhebamme“ ruft eine gewisse Urlaubsstimmung hervor, jedoch plätschert die Handlung mehr oder weniger vor sich hin. Es fehlt an Spannungs- und Überraschungsmomenten, um die Handlung für den Leser interessant zu gestalten. So ist es nur ein netter Schmöker für die Sonnenliege oder den Strandkorb, aber ohne bleibenden Mehrwert. Eingeschränkte Leseempfehlung!