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Veröffentlicht am 10.12.2023

Zäh, überladen und überkonstruiert

Twelve Secrets -
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Der Anfang von „Twelve Secrets“ war ausgezeichnet. Die Leser sind gleich mitten in der Geschichte, welche in flüssigem Stil geschildert wird. Es macht neugierig, wir erfahren von Ben, dem lange zurückliegenden ...

Der Anfang von „Twelve Secrets“ war ausgezeichnet. Die Leser sind gleich mitten in der Geschichte, welche in flüssigem Stil geschildert wird. Es macht neugierig, wir erfahren von Ben, dem lange zurückliegenden Mord an seinem Bruder und dem Suizid seiner Mutter, über den er – mittlerweile Reporter – jetzt einen Artikel schreiben soll. Schon bald bekommt man das Gefühl, daß bei diesem angeblichen Suizid nicht alles so war, wie es den Anschein hat, auch hinsichtlich des Mordes an Bens Bruder gibt es bald einige neue Informationen und Schockmomente für die Leser. Beste Voraussetzungen für eine spannende Geschichte.
Nach diesem guten Anfang geht es geruhsam weiter. Wir lernen erst einmal die Stadt Haddley und Bens Umfeld kennen, erfahren Stück für Stück etwas mehr über die damaligen Geschehnisse. Dann wird das Buch allerdings rasch langweilig. Schon bei Bens Erlebnissen und Erinnerungen wurde ich etwas enerviert, wie ausführlich Nebensächlichkeiten beschrieben wurden. Dann wechselt die Erzählperspektive immer wieder zu anderen Bewohnern Haddleys und diese versinken zunächst vollkommen in Alltagsbegebenheiten und Nebensächlichkeiten. Hier und da gibt es eine kleine Andeutung, die auf düstere Aspekte hinweist, aber im Großteil ziehen sich diese Abschnitte sehr. Insbesondere die Kapitel einer jungen Mutter, die seitenweise uninteressante Unterhaltungen mit ihrem Kleinkind führt, haben hier angefangen, mir das Buch zu verleiden. Alles bewegt sich im Schneckentempo.
Hinzu kommt, daß sehr viele Charaktere nacheinander eingeführt werden und so werden wir mit diesen Alltagsberichten und Hintergrundinformationen überschüttet. Natürlich kann man sich denken, daß so manches, was zunächst unwichtig wirkt, noch an Bedeutung gewinnen wird, aber ich hatte immer weniger Lust, mich durch diese hoch aufgeschichteten Haufen langweiliger Details zu kämpfen, auch ließ die schiere Anzahl von Charakteren das Interesse, sich mit jedem von ihnen und ihrem Alltag zu beschäftigen, sinken. Irgendwann fühlte ich mich wie in einem zähen Detailbrei. Natürlich kommt auch die Polizistin, die irgendwann mit Ben zusammen nach Informationen sucht, mit einem Hintergrundtrauma daher, als ob es so nicht schon genug gewesen sei. Ermittler mit emotionalem Ballast sind ohnehin in Krimis ein überbenutztes und unrealistisches Klischee.
Eine Weile hielten mich Bens Kapitel und das Interesse, was damals wirklich geschehen war, bei der Stange, aber auch hier schleppte sich die Handlung ziemlich dahin und etwa nach der Hälfte des Buches merkte ich, daß es mir inzwischen völlig egal war, was eigentlich hinter der Geschichte steckte. Die zähe Erzählweise hatte jedes Interesse in mir abgetötet. Es ging dann auch zäh und zunehmend abstruser weiter. Diese konstruierte, überladene Geschichte hat leider die Erwartungen, die der gelungene Anfang weckte, überhaupt nicht erfüllt. Wieder einmal zeigt sich: weniger ist oft mehr.

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Veröffentlicht am 27.11.2022

Was soll mich daran interessieren?

Triskele
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"Triskele" hat mich anfangs sofort angesprochen. Die Sprache ist angenehm, gekonnt und doch leicht lesbar, das Geschehen versprach Interessantes - drei unterschiedliche Schwestern, die nach dem Tod ihrer ...

"Triskele" hat mich anfangs sofort angesprochen. Die Sprache ist angenehm, gekonnt und doch leicht lesbar, das Geschehen versprach Interessantes - drei unterschiedliche Schwestern, die nach dem Tod ihrer Mutter langsam zueinander finden. Die drei haben jeweils genau 16 Jahre Altersunterschied, was ich schon von Beginn an etwas verkrampft originell fand, ebenso wie den Erbschein, der vermerkt, dass die Katze nicht als Erbin eingesetzt werden könne. Trotzdem machte die Ausgangssituation neugierig.
Wir erleben das Geschehen abwechselnd durch die Augen der drei Schwestern, drei verschiedenen Generationen: Mercedes, die noch einen Gutteil DDR-Leben mitbekam und nun ganz ordentliche Karrierefrau ist, dem Vorwendekind Mira, mit allen typischen Versatzstücken unkonventionell, und Matea, digital Native und natürlich ganz woke. So weit, so stereotyp. Während das allmähliche Eintauchen in die jeweilige Gedankenwelt, die unterschiedlichen Erinnerungen und Perspektiven anfangs noch interessant sind, verliert sich das Buch schnell in einem inhaltslosen Nichts. Wir erleben den jeweiligen Alltag, die jeweiligen Gedanken, ohne große Tiefe, ohne große Abwechslung, ziellos mäandernd und meistens bemerkenswert uninteressant. Es gibt zahlreiche Unterhaltungen, bei denen ich mich fragte: "Und warum wird uns diese nun dargeboten?", es gibt viel Belangloses und als Matea auf Seite 72 angesichts ihrer Lektüre der Buddenbrooks kommentiert: "... und ich habe wirklich keine Ahnung, was mich daran interessieren soll", dachte ich, dass dies "Triskele" für mich perfekt zusammenfasst.
In all der Inhaltslosigkeit hatte ich den Eindruck, dass die Autorin sehr angestrengt versucht, originell und ungewöhnlich zu sein, nur wirkt es nicht, wenn man die Anstrengung bemerkt und die Geschichte zudem im Uninteressanten verpufft. Jede Seite zog mich weniger an, die Schwestern und ihre zerfaserten, ins Nichts gehenden Gedanken und Erlebnisse wurden mir zunehmen gleichgültiger, die vielversprechende Prämisse der Geschichte wurde für mich verschenkt.

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Veröffentlicht am 11.07.2021

Zähe Klischeeansammlung

Der blutrote Teppich
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Ich war schon lange auf diese Krimi-Serie gespannt, in der es um Kriminalfälle im Hollywood der 1920er geht. Schon die Titelbilder sind ein Traum, herrlich einprägsam und markant. Als ich diesen Band zufällig ...

Ich war schon lange auf diese Krimi-Serie gespannt, in der es um Kriminalfälle im Hollywood der 1920er geht. Schon die Titelbilder sind ein Traum, herrlich einprägsam und markant. Als ich diesen Band zufällig günstig ergattern konnte, griff ich also gleich zu.

Leider war das Buch für mich eine Enttäuschung. Das lag hauptsächlich an zwei Punkten. Zunächst fiel mir auf, wie klischeehaft alles war. Der Privatdetektiv Hardy Engel ist genau so, wie man diese Privatdetektive der 20er und 30er aus wirklich jedem Buch, Film oder Theaterstück kennt. Desillusioniert, pleite, versoffen, nach außen hin abgebrüht und natürlich mit einer Schwäche für schöne Frauen. Das, was er denkt und sagt, ist ebenfalls Klischee pur, manchmal krümmt man sich beim Lesen geradezu, weil alles so unoriginell ist. Das wäre noch zu verschmerzen gewesen, ein gewisser Wiedererkennungswert kann Vorteile haben und immerhin hat er mit seiner deutschen Herkunft und seinem Weltkriegstrauma eine etwas originellere Facette. Dann wird ihm aber mit Polly eine Co-Ermittlerin zur Seite gestellt, bei der noch tiefer in die Klischeekiste gegriffen wird. Polly arbeitet die 08/15-Checkliste des kapriziösen, kecken Geschöpfes brav ab und ist damit nicht nur unfassbar nervig, sondern auch unfassbar vorhersehbar. Als sie ein Chili kocht, hätte ich die nächsten Zeilen genau so erwartet, wie sie dann auch präsentiert werden - das gab’s alles schon so oft. Und natürlich kreisen Hardys Gedanken sofort genauso um Polly wie es in jedem, wirklich jedem Buch, Film oder Theaterstück der Fall ist, in dem eine Frau und ein Mann eine gemeinsame Aufgabe angehen. Störend fand ich zudem mehrere Sätze, die vom Satzbau schlichtweg falsch sind. Sie lasen sich, wie schlecht aus dem Englischen übersetzt, was in einem auf Deutsch verfassten Buch verwunderlich ist.

Inmitten dieser Klischees plätschert der Fall dann gemächlich vor sich hin. Ermittelt wird ein wenig nebenbei, dazu noch oft dilettantisch, aber mit glücklichen Zufällen gesegnet - da weiß der Hausmeister eines Wohnblocks auch gerne mal spontan aus dem Kopf die neue Adresse eines Gesuchten, welche dieser - sonst extrem auf Geheimhaltung bedacht - in dem Fall eben mal fröhlich ausgeplaudert hat. Da alle möglichen Leute an der Ermittlung beteiligt sind, erfahren wir alle Fakten auch gleich mehrfach und werden Zeuge kleinerer öder Revierkämpfe. Ich hatte von Anfang an Mühe, in die Geschichte hineinzukommen, ab Seite 100 las ich nur noch in der Hoffnung, daß es irgendwann besser werden würde, ab Seite 150 war mir der Fall ebenso gleichgültig wie die Klischeecharaktere und irgendwann habe ich dann aufgegeben.

Lobenswert sind die Hintergrundinformationen, die auf sorgfältige Recherche und Begeisterung für das Sujet schließen lassen. Dieses Eintauchen in die Hollywoodwelt der 1920er hat mich ein wenig bei der Stange gehalten, allerdings trägt die umfangreiche Verwendung von Fakten und Namen zur Langatmigkeit des Buches bei. Ich breche selten ein Buch ab, aber diese zähe Klischeeansammlung konnte mich nicht annähernd begeistern.

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Veröffentlicht am 18.05.2021

Unangenehmer Schreibstil, Geschichte tritt zu sehr auf der Stelle

Hotel Weitblick
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Der Klappentext des Buches verspricht: „ein bitterböser Roman über das Leistungsdenken“ und einen „entlarvenden Blick auf die erlernten Handlungsweisen unserer Gesellschaft“ und deren „zutiefst beunruhigende ...

Der Klappentext des Buches verspricht: „ein bitterböser Roman über das Leistungsdenken“ und einen „entlarvenden Blick auf die erlernten Handlungsweisen unserer Gesellschaft“ und deren „zutiefst beunruhigende Ursprünge“. Die Handlung beschreibt ein dreitägiges Assessment Center, auf dem ein Geschäftsführer für eine Werbeagentur gefunden werden soll. Dies sprach mich an, ungesunde Firmenkulturen und ihre zerstörerische Wirkung habe ich in meinen Jahren bei zwei der sog. „Big Four“ zu Genüge erlebt. Ich freute mich auf einen psychologisch raffinierten Blick hinter die Kulissen sowohl solcher Veranstaltungen und Firmen als auch der selbsternannten Leistungsträger.

Das Lesen fiel mir leider von Beginn an schwer, denn die Autorin tut alles, um ihren Text möglichst unübersichtlich zu machen. Lange, vor Kommata wimmelnde Sätze, der völlige Verzicht auf Anführungszeichen (ganz oben auf meiner Liste unerfreulicher Stilmittel) und häufig auch auf notwendige Fragezeichen. Dazu abrupte Perspektivwechsel und gleichlautende Erzählstimmen. Solche Stilmittel sind für mich bei Büchern eher ein Warnzeichen, weil sie auf mich den Eindruck machen, daß hier Unkonventionalität und Tiefgang suggeriert werden sollen, und der Textinhalt mich häufig enttäuscht. Es war nicht anregend oder erfreulich, sich durch diesen unübersichtlichen Text zu arbeiten und er lohnte die Mühe jedenfalls für mich nicht, auch wenn es zwischendurch gelungene und treffende Sätze gibt.

Wie bereits erwähnt, klingen die fünf Erzählstimmen völlig gleich. Während der Seminarleiter sich wenigstens inhaltlich ein wenig abhebt, versinken die vier Teilnehmer in einem Einheitsbrei, so daß ich sie – bzw. ihre Hintergrundgeschichten & Probleme – kaum auseinanderhalten konnte. Es wird sehr tief in die Klischeekiste gegriffen. Die einzige Frau der Runde ist natürlich auch diejenige, deren psychische Probleme dazu führen, daß sie im mittleren Alter plötzlich ein Kind möchte, als ob bei Frauen alles auf einen Kinderwunsch hinführt. Sie ist auch diejenige, die sich ihre zukünftige Führungstätigkeit vorwiegend so ausmalt, daß sie die Agentur hübsch kuschelig einrichten möchte, mit Pflanzen, gemütlichen Sesseln etc., außerdem ist ihre Designerhandtasche ein wichtiges Identifikationsobjekt für sie. Auch die Männer entsprechen den gängigen Klischees, die uns zudem innerhalb der ersten Seiten schon auf dem Silbertablett serviert werden. Ein Teilnehmer berichtet uns von seiner Freude über seine Familie und ich war gespannt, wie wir nun allmählich die Maske des begeisterten Familienvaters fallen sehen werden. Auf der nächsten Seite erklärt er uns schon, daß ihm seine Familie auf die Nerven geht. In dieser Manier ist eigentlich alles über das Innenleben der Protagonisten bereits gesagt, bevor es richtig losgeht. Die Hoffnung, daß sich Weiteres allmählich enthüllt, erfüllt sich nicht.

Das Buch tritt fast überwiegend auf der Stelle, wiederholt die bereits gemachten Punkte immer wieder, ob nun in zähen Unterhaltungen, langatmigen Gedankengängen in Bandwurmsätzen oder Träumen. Die Konflikt zwischen Teilnehmern und Seminarleiter, bzw. den einzelnen Teilnehmern ist vom Anfang da, wird schnell auf plumpe Art hochgeschraubt und richtet sich dann ebenfalls in der Endlosschleife ein.

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte sind – das kann man ohne Spoilergefahr schreiben, denn auch das wird schon auf den ersten Seiten dargelegt – die NS-Erziehungsprinzipien, damals niedergelegt von Johanna Haarer und noch bis in die 1980er als Ratgeber erhältlich. Wenn man bedenkt, daß das Buch 2020 spielt und die Protagonisten in ihren 30ern/40ern sind, also zu einer Zeit aufwuchsen, in der sich die Erziehung extrem gewandelt hat, ist dieser Aufhänger für mich nicht realistisch. Hätte das Buch zwei Jahrzehnte zuvor gespielt, wäre es glaubhafter gewesen. So aber konnte ich nur ziemlich befremdet den Kopf schütteln. Es gibt im Buch ein paar psychologisch gut dargestellte Momente, aber größtenteils war es mir zu plump und klischeebeladen. So waren also leider weder der Stil, noch der Inhalt, noch die Protagonisten mein Fall.

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Veröffentlicht am 13.12.2020

Originelle Idee, deren Umsetzung mich enttäuschte

Tödliche Gemälde
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Dieses Buch hat mich gleich neugierig gemacht - ein Kunstkrimi, in dem ein Lebemann und Kunsthändler zugleich ein Serienmörder ist und mit seinen Morden Kunstwerke nachstellt. Das alleine gefiel mir schon, ...

Dieses Buch hat mich gleich neugierig gemacht - ein Kunstkrimi, in dem ein Lebemann und Kunsthändler zugleich ein Serienmörder ist und mit seinen Morden Kunstwerke nachstellt. Das alleine gefiel mir schon, dann kommt laut Klappentext noch hinzu, daß ausgerechnet sein mit ihm verfeindeter Zwillingsbruder der Ermittler in diesen Fällen ist und es zu einem "psychologisch raffinierten" Verwirrspiel kommt. Das versprach eine ausgefeilte Geschichte. Meine Erwartungen wurden leider nicht erfüllt.

John Blumenstein, der Lebemann und Kunsthändler, wird uns erst einmal sehr ausführlich vorgestellt. Mehr als fünfzig Seiten lang begleiten wir ihn dabei, wie er nach Handbuch den Bonvivant gibt. Sein Dasein als Lebemann wird uns nämlich vorwiegend durch ausführliche Passagen mit seinen Gedanken zu Weinen und ausführlichen Beschreibungen seiner Menüs geschildert. Die Weinpassagen lesen sich wie aus dem Weinführer und auch bei den Menüs liest es sich wie eine Speisekarte. Später kommen vermehrt Rezepte hinzu - eine Frau, mit der John Essen geht, erklärt ihm bei jedem Gericht, wie sie es zubereiten würde, und auch mitten in einer Mordserie findet sich Zeit, genüßlich zu kochen und dem Leser seitenlang die Zubereitungsweise zu schildern. Da zudem ständig erwähnt wird, wie teuer dies und jenes ist, hat John, genau wie die Erzählweise, einen deutlichen Anklang von nouveau riche. Wir lesen, daß John Bonvivant ist, aber wir erleben es nicht. Außerdem wird hier sehr mit dem Holzhammer gearbeitet.

Auch sonst macht es der Schreibstil schwer, irgendetwas in der Geschichte zu erspüren, zu erleben. Der Großteil des Buches wird ohne literarische Finesse als Bericht heruntererzählt. Es gibt kaum Dialoge, welche aber ohnehin keine Lesefreude sind. Sie wirken manieriert. Beispiel: "Ha, du feinster aller Brüder! Hab ich dich!" Der Leser liest und bleibt unbeteiligt. Nur in einigen wenigen Szenen habe ich das Gefühl gehabt, die Szene wirklich vor mir zu sehen. Diese Szenen sind gut und zeigen, was aus dem Buch hätte werden können. Da erleben wir dann auch John als Mensch, nicht nur als Schablone. Dieser charakterliche Einblick ist auf gelungene Weise grausig. Sonst haben alle Charaktere etwas Schablonenhaftes, sie sind nicht sorgfältig ausgearbeitet und nicht überzeugend. Johns Bruder Martin bleibt völlig blass, bis er dann plötzlich durchdreht und überzogen wird. Die weiblichen Charaktere scheinen einer Wunschphantasie entsprungen - gleich vier von ihnen befinden sich in Ehen/Beziehungen, in denen der Partner sie körperlich nicht befriedigt und so springen sie lustvoll den nächstbesten Mann an, gerne auch mitten im Park oder bewaffnet mit einer Reisetasche voller erotischer Spielsachen oder mit einem Würgefetisch ausgestattet.

Wirklich interessant dagegen ist der Einblick in den Kunsthandel - hier merkt man, dass dies das Metier des Autors ist und hier geht die Erzählung dann auch meistens weg vom Handbuchartigen und wird echt. Die Kunstwerke, um die es in den Morden geht, werden dem Leser überwiegend gelungen nahegebracht (im letzten Drittel des Buches werden leider auch die Beschreibungen wieder handbuchartig). Auch die Auswahl jener Gemälde, die John dann durch seine Morde nachstellt, ist gelungen. Man kann Johns Begeisterung für manche Gemälde absolut nachempfinden, erfährt interessante Hintergründe und betrachtet die Gemälde selbst genauer - sie sind nämlich im Buch abgebildet, was eine hervorragende Idee ist. Überhaupt ist das Buch optisch sehr schön gestaltet. Leider erstreckt sich diese Sorgfalt nicht auf das Korrektorat, es sind mir doch zu viele fehlende Worte, zusätzliche Worte, falsche Worte oder grammatikalische Fehler aufgefallen.

Leider aber wurde neben diesem interessanten Kern in die Geschichte noch viel zu viel hineingepackt - zusätzlich zu den lustvollen Frauen, den ausgiebigen Menüs und teuren Weinen hat John nämlich auch noch mit einem Geheimdienst zu tun. Das wirkte von Beginn an auf mich etwas deplatziert und sorgt für einige absurde Szenen. So sind die Geheimdienstmitarbeiter nicht nur in einem Fall unrealistisch vertrauensselig, sondern lassen sich auch von einer italienischen Hausfrau deftig die Leviten lesen. So ein Verhalten ginge ja gar nicht, wirft sie den toughen Agenten vor, und man möge sich doch bitte besser benehmen. Was die Agenten dann auch brav beherzigen. Auch sonst fehlt der Geschichte überwiegend der Realismus. John kommt ein praktischer Zufall nach dem anderen zur Hilfe, alles funktioniert reibungslos, alles läuft glatt. Noch nie hatte ein Serienmörder es so komfortabel. Das nimmt der Geschichte, ebenso wie die ausführlichen Essens- und Weineinschübe, die Spannung.

Von der versprochenen psychologischen Raffinesse habe ich, wenn überhaupt, nur leichte Ansätze gefunden. Die Holzhammermethode zieht sich durch alle Themen und durch diese ständigen Übertreibungen, dazu zahlreiche Wiederholungen, wird die Wirkung der Geschichte geschwächt und die guten Ansätze gehen unter. Letztlich hatte ich das Gefühl, eine Ansammlung von Auszügen aus Weinführern, Kochbüchern, Reise- und Kunstführern zu lesen, die mit der überzogenen Handlung eines James-Bond-Filmes angereichert wurden. Schade, denn aus der Idee hätte wirklich ein tolles Buch werden können und die Ansätze waren defintiv vorhanden.

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